1 Mose 18,1-15 – Vom Lachen zu Lachen – Von Thomas Pichel

1 Und der HERR erschien ihm im Hain Mamre, während er an der Tür seines Zeltes saß, als der Tag am heißesten war. 2 Und als er seine Augen aufhob und sah, siehe, da standen drei Männer vor ihm. Und als er sie sah, lief er ihnen entgegen von der Tür seines Zeltes und neigte sich zur Erde 3 und sprach: Herr, hab ich Gnade gefunden vor deinen Augen, so geh nicht an deinem Knecht vorüber. 4 Man soll euch ein wenig Wasser bringen, eure Füße zu waschen, und lasst euch nieder unter dem Baum. 5 Und ich will euch einen Bissen Brot bringen, dass ihr euer Herz labt; danach mögt ihr weiterziehen. Denn darum seid ihr bei eurem Knecht vorübergekommen. Sie sprachen: Tu, wie du gesagt hast. 6 Abraham eilte in das Zelt zu Sara und sprach: Eile und menge drei Maß feinstes Mehl, knete und backe Kuchen. 7 Er aber lief zu den Rindern und holte ein zartes, gutes Kalb und gab’s dem Knechte; der eilte und bereitete es zu. 8 Und er trug Butter und Milch auf und von dem Kalbe, das er zubereitet hatte, und setzte es ihnen vor und blieb stehen vor ihnen unter dem Baum und sie aßen. 9 Da sprachen sie zu ihm: Wo ist Sara, deine Frau? Er antwortete: Drinnen im Zelt. 10 Da sprach er: Ich will wieder zu dir kommen übers Jahr; siehe, dann soll Sara, deine Frau, einen Sohn haben. Das hörte Sara hinter ihm, hinter der Tür des Zeltes. 11 Und sie waren beide, Abraham und Sara, alt und hochbetagt, sodass es Sara nicht mehr ging nach der Frauen Weise. 12 Darum lachte sie bei sich selbst und sprach: Nun ich alt bin, soll ich noch der Liebe pflegen, und mein Herr ist auch alt! 13 Da sprach der HERR zu Abraham: Warum lacht Sara und spricht: Meinst du, dass es wahr sei, dass ich noch gebären werde, die ich doch alt bin? 14 Sollte dem HERRN etwas unmöglich sein? Um diese Zeit will ich wieder zu dir kommen übers Jahr; dann soll Sara einen Sohn haben. 15 Da leugnete Sara und sprach: Ich habe nicht gelacht –, denn sie fürchtete sich. Aber er sprach: Es ist nicht so, du hast gelacht.

  

Die Predigt wird zwei Teile haben.

Im ersten Teil schauen wir uns diese Geschichte über Gottes Besuch bei Abraham und Sara, Abrahams Gastfreundschaft und Saras Lachen an.

Im zweiten Teil werten wir die Geschichte aus und fragen nach ihrer Bedeutung für uns.

 

Teil 1:

I.
Gottes Besuch

1.
12 Uhr mittags. Abraham ruht sich im Schatten von Wüsteneichen aus. In Kapitel 13,18 erfahren wir, dass Abraham dort im Waldstückchen Mamre Gott einen Altar errichtet hat.

Die Rabbinen sagen: Der Besuch Gottes ist im Grunde ein Krankenbesuch. Denn Abraham hat sich und seine Knechte beschneiden lassen (siehe 1 Mose 18,23-27).

2.
Der Besuch Gottes ist voller auffälliger Merkmale, die typisch sind für Gott und sein Kommen zu uns:

Es bleibt unklar, es bleibt schillernd. Sind es drei oder ist es einer? Es wechselt hin und her: Einmal heißt es: „Sie sprachen“, einmal: „Er sprach“.

Das Ganze bleibt ein Geheimnis. Gott ist ganz nahe und doch verborgen. Abraham weiß aber sofort, dass er es mit Gott zu tun hat. Wir erfahren nicht, woran er das erkannt hat.

Doch zurück zur Geschichte: Gott besucht den Abraham. Er kommt zu ihm als Mensch. Er kommt in Menschengestalt.

Gott besucht Abraham. Es geht menschlich zu: Er lässt sich einladen. Er lässt sich die Füße waschen. Er lässt sich von Abraham dienen. Er wartet geduldig, bis alle Vorbereitungen erledigt sind (das hat gedauert, wir kommen gleich darauf zurück). Er isst mit ihnen.

Gott besucht Abraham und bringt etwas mit. Er bringt eine Botschaft mit, die die Besuchten glauben sollen. Er bringt eine Botschaft mit, die das ganze Leben von Abraham und Sara verändern wird. Das ist typisch für Gott in der Bibel. Wenn er zu einem Menschen kommt, bringt er oft eine Ankündigung, eine Verheißung, ein Versprechen mit.

Gott kommt zu Menschen und wir merken, er weiß um die Beiden, er kennt die Situation seiner Leute. Wir erkennen das an der Frage in Vers 9: Wo ist Sara, deine Frau? Der Name wurde gar nicht genannt. Bei Gott müssen unsere Namen nicht extra genannt werden. Er weiß um uns.

3.
Es gibt ein – zugebenermaßen nebensächliches – Detail, das mich in der Vorbereitung doch berührt hat. Sara sagt zu Gott in Vers 12: Nun, wo ich alt bin, soll ich noch der Liebe pflegen, und mein Eheherr, mein Mann ist auch alt! Gott gibt diese Antwort Saras an Abraham weiter, lässt dabei aber den Kommentar über Abraham, dass er ja auch schon alt ist sei, weg. Diese Bemerkung Saras gibt Gott an Abraham nicht weiter. Gott sagt nur: Warum lacht Sara und spricht: Meinst du, dass es wahr sei, dass ich noch gebären werde, die ich doch alt bin? Das ist sehr weise und taktvoll. Die Bemerkung Saras über ihren Mann hätte Abraham leicht in den falschen Hals bekommen können.

 

II.
Abrahams Gastfreundschaft

1.
Der Besuch Gottes setzt den Abraham in Bewegung, er macht ihm Beine. Wir müssen das sehen und auf uns wirken lassen. Es heißt: Er lief ihnen entgegen. Dann: Er eilte in das Zelt zu Sara. Er sagt zu seiner Frau: Beeile dich. Dann heißt es: Er lief zu den Rindern und holte ein zartes gutes Kalb. Abraham steckt seinen Koch an. Es heißt: Der eilte und bereitete es zu. Alles geschieht ohne Hektik. Und doch geschieht nichts langsam.

Wir müssen das sehen und auf uns wirken lassen: Ein Mensch, der sich von seinem überraschenden Besuch unterbrechen lässt. Ein fast Hundertjähriger, der herumrennt, weil er seinen Besuch nicht unnötig lang warten lassen möchte.

Ein Mensch, der seinem zur unmöglichen Zeit (bei der größten Mittagshitze ist normalerweise keiner unterwegs in Israel) auftauchenden Besuch die Füße waschen lässt, um anschließend ein üppiges Festmahl bereiten zu lassen:

Drei Maß bestes Mehl ergibt feinstes Brot, das für eine ganze Kompanie ausreicht. Und das zarte Kalbfleisch ist das beste Fleisch, das man servieren kann. Dazu wird frische dicke und fette Milch aufgetischt!

Ein Festmahl aus- und angerichtet unter einer Wüsteneiche, die vor der brütenden Hitze Schatten spendet und schützt.

2.
Was für eine Gastfreundschaft! Eine Gastfreundschaft mit 1a Quantität und 1a Qualität der Speisen und Getränke. Was für eine Wertschätzung Gottes!

 

III.
Saras Lachen

Unzählige Predigten werten Saras Lachen kritisch und negativ. Gott scheint das am Ende unserer Geschichte ja zu tun. Wir werden uns das noch näher anschauen.

Ich wundere mich über das Lachen Saras nicht. Das halte ich für sehr verständlich. Ich wundere mich vielmehr, dass Abraham nicht gelacht hat. Das ist für mich befremdlich. Wobei in 1 Mose 17,17 berichtet wird, dass Abraham gelacht hat, als Gott ihm die Verheißung wieder einmal zusagt.

Schauen wir uns Saras Lachen, schauen wir uns Sara näher an.

1.
Sara hört hier zum ersten Mal (!) aus dem Mund Gottes, dass sie den verheißenen Erben gebären darf und soll. „Ich will wieder zu dir kommen übers Jahr; siehe, dann soll Sara, deine Frau, einen Sohn haben.“ Bis zu diesem Augenblick hat sie das immer nur aus Abrahams Erzählen gehört. Bis zu diesem Augenblick war das immer die Geschichte Abrahams, der diese Geschichte ihr erzählt hat.

2.
Sara hört das, als sie zurückgezogen im Zelt ist. Warum ist sie im Zelt? Warum verbirgt sie sich? Warum zeigt sie sich nicht?

Wir müssen dazu wissen, dass Beduinenfrauen sich bei Männer-Besuch zeigen, dabei sind und mit den Gästen reden. Das war und ist bei Beduinen anders als bei Frauen im Orient, die sich bei Männerbesuch sofort zurückzogen und heute noch zurückziehen. Wir können nachdenken, was dieses Sich-Nichtzeigen der Sara bedeutet?

3.
Jetzt lacht Sara. Jetzt, wo es zu spät ist, wo es auf jeden Fall zu spät ist. Warum nicht früher?!

Jetzt lacht sie. Jahrelang hat sie gewartet, gewartet, gewartet. Vergeblich.
Jetzt lacht sie. Weil sie die Wechseljahre hinter sich hat.
Jetzt lacht sie. Weil es bei Abraham und ihr kein erotisches und sexuelles Festmahl mehr gibt.

Es ist ein bitteres Lachen. Aus Enttäuschung. Aus Frust. Aus Schmerz.

Weil es den alten Lebenstraum in Erinnerung ruft, mit dem sie schon abgeschlossen hat. Sara lacht, weil sie das Ganze lächerlich findet.

Weil es die alte Wunde wieder aufreißt:
Das Gefühl, nicht zu genügen, ungenügend zu sein.
Den Neid auf andere Frauen.
Den Konflikt mit Hagar.
Die soziale Tragödie für eine Beduinenfrau, die ihrem Mann kein Kind gebären kann.

4.
Gott setzt dem Lachen eine Frage entgegen: Sollte dem Herrn etwas unmöglich sein? Wörtlich heißt es im Hebräischen: Ist denn irgendetwas zu wunderbar, zu schwierig – von Adonaj aus gesehen?

5.
Wir wissen, wie das Ganze ausging.

Sara hat gelacht. Es heißt: Sie lachte bei sich selbst. Wörtlich kann man das gar nicht übersetzen. Vielleicht doch so: Es lachte tief in ihr, im Mutterleib.

Genau dort, wo sie gelacht hat, genau dort trägt sie 9 Monate lang Isaak aus, wächst das Kind heran. Genau dort entsteht ein neues Leben. Sie wird Mutter eines Sohnes. Sie nennen ihn Isaak. Isaak, hebräisch Jizchak, heißt: Er lächelt. Er lacht.

Und Sara? Sara wird gelacht haben. Kein bitteres Weinen mehr! Sondern ein erlöstes Lächeln und Lachen. Ein Lachen aus Freude, aus purer, echter Freude!

Das ist das Evangelium dieser alten Geschichte für uns. Genau dort, genau bei dem Thema, bei dem uns das Lachen vergangen ist, dürfen wir diese Geschichte als Verheißung hören und lesen: Gott beendet unser Lachen aus Verzweiflung und Bitterkeit. Gott schenkt uns ein befreites Lachen.

Das geht nicht immer 1 zu 1 auf. Nicht jeder Schmerz wird in ein Happy-End umgewandelt. Aber wir machen solche Erfahrungen. Und es wird einmal so sein: Gott wird alle Tränen von unseren Augen abwischen. Er wird unser bitteres Lachen beenden. Er wird uns ein echtes Lachen aus purer Freude schenken.

 

Teil 2:

Wir werten diese Geschichte nun aus und fragen nach ihrer Bedeutung für uns.

 

I.
Was für eine Wertschätzung!

Wir können uns fragen: Woher kennen wir das? Wo haben wir eine solche Gastfreundschaft und Wertschätzung schon einmal erlebt? Jemand hat sich von meinem Besuch unterbrechen lassen! Jemand hat mir das Beste gegeben? Warum? Aus Wertschätzung!

Wir können uns fragen: Wo haben wir einem anderen Menschen eine solche Wertschätzung geschenkt? Und wo hat die Person diese Wertschätzung angenommen?

Wir können uns fragen: Was tue ich eigentlich aus Wertschätzung Gottes? Wie zeigt sich das, dass ich Gott über alles wertschätze?

 

II.
Wie kommt diese Geschichte über Gottes Besuch bei Abraham und Sara, über Abrahams Gastfreundschaft und über das Lachen Saras in die Advents- und Weihnachtszeit?

Weil es starke Parallelen zwischen 1 Mose 18 und der Weihnachtsgeschichte gibt.

Gott kommt auf Besuch. Verborgen in Menschengestalt.

Der Besuch verändert das Leben der Besuchten.

Eine Geburt wird angekündigt, die menschlich gesehen unmöglich ist.

Eine Geburt, ein Kind, ein Sohn sorgt für Freude. Das ehemalige Christkind ist unsere Freude. Ein Gott, der uns Lachen bringt, der uns Freude bringt.

Ein Gott, der es wert ist, dass wir ihm dienen! Aber auch ein Gott, der uns dient, der uns die Füße wäscht, der uns ein Festmahl bereitet. Ein Gott, der uns wertschätzt.

 

III.
Gott will uns mit dieser Geschichte zum Glauben ermutigen

1.
Wenn Gott nichts unmöglich ist, was ist dann alles möglich in unserem Leben, was kann dann in unserem Leben noch geschehen!

Wenn für Gott nichts zu wunderbar oder schwer ist, welch neues Leben kann uns dann geschenkt werden!

Wenn für Gott nichts ausgeschlossen ist, dann dürfen wir unsere Isaaks erwarten. Dann dürfen wir damit rechnen, befreit und erlöst lachen zu können.

2.
Wie kann diese Geschichte uns ermutigen?

Indem wir ausgerechnet den Tadel Gottes am Ende des Textes aushalten und annehmen.

Denn ausgerechnet in dieser Kritik Gottes an Sara liegt eine gute Nachricht, eine starke Botschaft, eine befreiende Wahrheit für uns verborgen.

In diesen Versen liegt der Schlüssel, dass diese Kraft in unserem Leben eine Kraft entwickeln und entfalten kann, die unser Leben verändern wird.

Schauen wir noch einmal in den Text hinein!

Sara – wir wissen nicht, ob sie im Zelt geblieben oder herausgekommen ist – leugnet ab, dass sie gelacht hat. Sie beteuert: Ich habe nicht gelacht. Weil sie sich vor Gott fürchtet.

Gott widerspricht ihr: Es ist nicht so, wie du es sagst. Du hast gelacht. Merken wir, was Gott kritisiert? Nicht dass Sara gelacht hat. Sondern dass sie lügt, dass sie ihr Lachen nicht zugibt.

Merken wir, worum es Gott geht?

Er will, dass wir mit ihm über unsere Glaubensnöte und Zweifel reden! Dass wir uns unser Versagen im Glauben aufdecken lassen. Dass wir ihm nichts verschweigen. Dass wir ihm und uns nichts vormachen. Das will Gott. Mehr nicht! Das genügt ihm.

Wenn wir das begreifen, wenn wir dementsprechend leben, kann unser Verhältnis zu Gott ein anderes werden, dann können wir im Glauben an ihn ganz anders leben.

Gott ist nicht sauer, wenn wir im Glauben uns schwertun, wenn wir skeptisch sind. Er will nur, dass wir uns und ihm nichts vormachen, sondern es zugeben!

Was dann wohl alles möglich ist…!