2 Chronik 5,2-14 – Wenn Gottes Herrlichkeit unser Programm stoppt und toppt – Von Thomas Pichel

2 CHRONIK 5,2-14

2 Da versammelte Salomo alle Ältesten Israels, alle Häupter der Stämme und die Fürsten der Sippen Israels in Jerusalem, damit sie die Lade des Bundes des HERRN hinaufbrächten aus der Stadt Davids, das ist Zion. 3 Und es versammelten sich beim König alle Männer Israels zum Fest, das im siebenten Monat gefeiert wird. 4 Und es kamen alle Ältesten Israels, und die Leviten hoben die Lade auf 5 und brachten sie hinauf samt der Stiftshütte und allem heiligen Gerät, das in der Stiftshütte war; es brachten sie hinauf die Priester und Leviten.

10 Und es war nichts in der Lade außer den zwei Tafeln, die Mose am Horeb hineingelegt hatte, die Tafeln des Bundes, den der HERR mit Israel geschlossen hatte, als sie aus Ägypten zogen. 11 Und die Priester gingen heraus aus dem Heiligtum – denn alle Priester, die sich eingefunden hatten, hatten sich geheiligt, ohne dass sie sich an die Ordnungen hielten –, 12 und alle Leviten, die Sänger waren, nämlich Asaf, Heman und Jedutun und ihre Söhne und Brüder, angetan mit feiner Leinwand (Byssus), standen östlich vom Altar mit Zimbeln, Psaltern und Harfen und bei ihnen 120 Priester, die mit Trompeten bliesen. 13 Und es war, als wäre es einer, der trompetete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und danken dem HERRN. Und als sich die Stimme der Trompeten, Zimbeln und Saitenspiele erhob und man den HERRN lobte: »Er ist gütig, und seine Barmherzigkeit währt ewig«, da wurde das Haus des HERRN erfüllt mit einer Wolke, 14 so dass die Priester nicht zum Dienst hinzutreten konnten wegen der Wolke; denn die Herrlichkeit des HERRN erfüllte das Haus Gottes.

A.
ZWEI KURZE VORBEMERKUNGEN

1.
WORUM GEHT ES IN DIESEM TEXT?

Es geht um die Einweihung des ersten Tempels wahrscheinlich im Jahr 955 vor Christus durch König Salomo.

„Die Tempelweihe in Jerusalem, die mit dem Transfer der Bundeslade beginnen sollte, war aufwändig geplant, perfekt inszeniert und choreographiert. Die Honoratioren waren versammelt, „alle Ältesten Israels, alle Häupter der Stämme und die Fürsten der Sippen Israels“ (2 Chr 5,2; vgl. 1 Kö 8,2f), dazu das religiöse Personal, die Priester und Leviten (2 Chr 5,5; vgl. 1 Kö 8,4)“ (Alexander Deeg, in: Göttinger Predigt-Meditationen, 74 Jg, Heft 2, 280)

2.
BEEINDRUCKENDE ZAHLEN

„Ein religiöses Fest fand statt, das alle üblichen Opferfeste bei weitem überbot: Schafe und Rinder wurden geopfert, „so viel, dass es niemand zählen noch berechnen konnte“ (2 Chro 5, 6; vgl. 1 Kö 8,5)“ (Deeg, aa0)

„Die Leviten waren einer der zwölf Stämme Israels und sie waren besonders beauftragt mit den Aufgaben im Tempel. 4000 von ihnen waren Musiker“ (Guido Baltes, in: Anbetung. S.82)

In diesem ersten Gottesdienst waren (da gibt es eine Liste in 1 Chronik 25) 288 Musiker beteiligt.

Der Posaunenchor bestand aus 120 Bläsern. Die Zahl ergibt sich aus den 24 Kleingruppen der Priester. Jede Kleingruppe stellte 5 Bläser.

Übrigens: Der Tempel wurden in 20 Jahren gebaut. Also wie der Flughafen in Berlin!

B.

I.
WAS WILL GOTT UNS MIT MUSIK SCHENKEN?

1.
„Die Musik habe ich allzeit liebgehabt“, sagt Martin Luther. „Denn die Musik ist eine Gabe und ein Geschenk Gottes, nicht ein Menschengeschenk. Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Fröhlichen traurig, die Verzagten herzhaft zu machen, die Hoffärtigen zur Demut zu reizen, die hitzige und übermäßige Liebe zu stillen und zu dämpfen, den Neid und den Hass zu mindern.“

2.
„Unter all den Dingen, die geeignet sind, dem Menschen Erholung und Genuss zu verschaffen, ist die Musik das erste oder doch eines der wichtigsten und wir müssen annehmen, dass sie eine dazu bestimmte Gabe Gottes ist“, schrieb Johannes Calvin (siehe Vorwort zur Genfer Gottesdienstordnung). „Wir erfahren“, sagt Calvin, „dass die Musik eine geheime, fast unglaubliche Kraft hat, die Herzen in der einen oder anderen Art zu bewegen. Deshalb müssen wir umso sorgfältiger sein, sie so zu regeln, dass sie uns nützt und in keiner Weise schadet.“

Übrigens: Calvin traute der Sache nicht. Er legte die Musik an die Leine. Er stellte strenge Regeln auf. Z.B. für die Vertonung von Psalmen. Sein Ziel war es, dass die Leute nicht ausflippen sollten.

3.
Johannes Sebastian gab die Parole aus: Jede Musik „diene zu Gottes Ehre und zur Rekreation des Gemüts“. Also zur Entspannung, Erfrischung und Erholung und zum Wiedererlangen von Kraft.

Wir halten als Ergebnis fest: Musik ist ein Geschenk Gottes. Dazu gehören die sog. christliche Musik und die weltliche Musik. Danken wir heute unserem Schöpfer für seine Erfindung! Danken wir heute unserem Herrn für alles, was Er uns durch Musik schon geschenkt hat.

II.
WAS SCHENKT GOTT UNS MIT DER BIBEL?

Die Bibel stammt aus einer anderen Zeit und einer anderen Kultur. Die Welt der Bibel ist uns heute fremd. Gerade deshalb können wir immer wieder die Geheimnisse der Bibel für uns entdecken!

Wir bekommen wichtige Informationen über Gott geliefert. Welche Erkenntnisse über Gott sind in unserem Predigttext zu entdecken?

1.
„ES WAR NICHTS IN DER LADE AUSSER DEN ZWEI TAFELN“ (Vers 10)

Auf diesen Tafeln waren die 10 Gebote geschrieben. Was heißt das für uns?

a.
Wie damals Israel erfahren wir, was Gott für uns tut, worum es Gott geht, wofür er steht, wofür er sich engagiert: Gott geht es immer um unsere Freiheit (siehe 2 Mose 20,2)

Damals zu Israel sagte Gott: Ich habe Euch aus der Tyrannei der Ägypter befreit.
Zu uns heute sagt Gott: Ich befreie Euch aus der Tyrannei Eurer Angst. Ich befreie Euch aus der Tyrannei Eurer Kränkung. Ich befreie Euch aus der Tyrannei Eurer Schuld.

b.
Wie damals Israels erfahren wir, was Gott von uns will, wie wir leben sollen, welchen Lebensstil Gott von uns möchte. Gott will, dass wir das ernst nehmen, dass wir ihn mit seinen Wünschen, Vorstellungen, Absichten und Zielen ernst nehmen.

2.
„ER IST GÜTIG UND SEINE BARMHERZIGKEIT WÄHRT EWIG“ (Vers 13)

a.
GOTT IST GÜTIG. Das hebräische Wort (chessed) kann mit Güte oder Gnade übersetzt werden.

Die Logik dabei ist folgende: „Es gibt eine feste, versprochene Beziehung. In dieser Gemeinschaft kommt es nun darauf an, dass man sich den Mitgliedern gegenüber gütig verhält“ (Wolfgang Bittner).

Verstehen wir, was Gott uns hier zuspricht: „Ich habe eine Beziehung zu Euch. Ihr gehört zu mir. Wir gehören zusammen. Ich sage euch verbindlich und verlässlich meine Güte zu!“

b.
GOTT IST BARMHERZIG. Das passt zum Muttertag.

Im Hebräischen hängt das Wort für Barmherzigkeit eng mit dem Wort für Gebärmutter zusammen.

Die jüdischen Bibelausleger sagen: Wenn wir wissen wollen, was es bedeutet, dass Gott barmherzig ist, müssen wir an unsere Mütter denken. Die Barmherzigkeit versorgt uns. Wir leben darin. Wir leben davon.

Und im Hebräischen steht das Wort Barmherzigkeit immer im Plural. Die jüdischen Bibelausleger sagen: Das Wort steht in der Mehrzahl, weil Gott uns mit unzähligen barmherzigen Handlungen begleitet und beschenkt. Es geht um seine barmherzigen Taten. Wie bei einer Mutter. 24 Stunden am Tag. 7 Tage die Woche. 52 Wochen im Jahr.

Was könnten wir alle erzählen?! Welche Lieder könnten wir anstimmen?!

III.
WAS KANN PASSIEREN – IN GOTTESDIENSTEN, IN UNSEREM LEBEN?

1.
„UND ES WAR, ALS WÄRE ES EINER, DER TROMPETETE UND SÄNGE, ALS HÖRTE MAN EINE STIMME LOBEN UND DANKEN DEM HERRN“ (V13).

Es ist das Geschenk einer echten Gemeinschaft untereinander. Es ist das Geschenk einer tiefen Einheit.

Das schenkt Gott hier in 2 Chr 5 bzw. oft durch die Musik. Es ist eine Wechselwirkung. Wir legen unser Herz in die Musik. Gott berührt durch die Musik unsere Herzen. Dann geschieht oft etwas, was die Worte Harmonie und Sinfonie ausdrücken. Einzelne Instrumente und Stimmen wirken zusammen und klingen zusammen. Es kommt zu einem ausgewogenen Miteinander. Es kommt nicht zu einer Eintönigkeit, sondern zu einer wohl tönenden Einheit.

2.
„DA WURDE DAS HAUS DES HERRN ERFÜLLT MIT EINER WOLKE, SO DASS DIE PRIESTER NICHT ZUM DIENST HINZUTRETEN KONNTEN WEGEN DER WOLKE, DENN DIE HERRLICHKEIT DES HERRN ERFÜLLTE DAS HAUS GOTTES“ (Vers 13-14).

Wir wissen nicht, ob das für die Beteiligten damals faszinierend oder erschreckend war.

Wir könnten jetzt viel sagen zur Wolke oder zur Herrlichkeit Gottes. Welche biblischen Geschichten mit einer Wolke fallen uns ein? Was ist mit dem Wort Herrlichkeit gemeint?

Ich will lediglich zwei Lebenserfahrungen weitergeben, die ich durch diesen Bibelvers zu verstehen gelernt habe.

a.
Erfahrung 1: Ich will das Wort Geheimnis nicht überstrapazieren. Aber ich muss es hier anwenden: Ich bin in einem Gottesdienst. Und plötzlich wird die Dimension des Himmels irgendwie spürbar. Gottes Gegenwart macht etwas mit dem Raum, mit dem Programm, mit mir.

b.
Erfahrung 2: Der Sache nach können wir erleben, was die Priester damals bei der Einweihung des Tempels erlebt haben. Es geschieht etwas Unerwartetes und Überraschendes. Gott stoppt den kirchlichen Betrieb. Gott sorgt für eine Unterbrechung des Programms. Gott verordnet den haupt- und ehrenamtlichen Kirchenleuten eine Pause.

Ich habe einen guten Freund, der gerade seine neue Pfarrstelle antritt. Er arbeitet sich ein, plant und organisiert, feilt an der ersten Predigt. Und dann: Erkältung, Gliederschmerzen und Ausfall der Stimme. Gestern flüsterte er am Telefon: „Ich habe jetzt erst mal Pause. Hab‘ jetzt viel Zeit für den Chef!“

C.
WIE BEREITEN WIR UNS AUF GOTT VOR? WIE REAGIEREN WIR AUF GOTT?

1.
WAS ERWARTEN WIR, WENN WIR IN GOTTESDIENSTE GEHEN?

Eine gute Predigt? Ein gutes Programm? Gute Begegnungen mit Freunden?
Das hat seine Berechtigung. Das ist menschlich vollkommen verständlich.

Aber erwarte ich auch das Nichtmachbare? Erwarte ich, dass Gott selbst den Raum erfüllt und dass die Herrlichkeit Gottes für mich wichtiger wird als meine Befindlichkeiten? Bin ich offen dafür, dass Gott mich überrascht, vielleicht sogar stört, mich stoppt, um mich gerade so zu segnen, um mich so zu beschenken, um mein Leben gerade dadurch zu verändern?

Dieses Vorkommnis bei der Tempelweihe in Jerusalem vor fast 3000 Jahren ist auch für alle GottesdienstmitarbeiterInnen bedeutsam: Wissen wir, dass alles, was wir vorbereiten, eben nur Vorbereitungen sind und immer Vorbereitungen bleiben? Wissen wir, dass es Gottes Sache ist, ob er damit etwas macht und was daraus entsteht?

2.
WIR HEILIGEN UNS. WIR BETEN GOTT AN.

a.
Es heißt in Vers 8: „Die Priester hatten sich geheiligt“. – Was bedeutet das für uns?

Wenn sich jemand heiligt, sagt er – z.B. vor einem Gottesdienst – zu Gott: „Ich gehöre dir. Ich bin reserviert für Dich, Herr. Mein Leben richte ich an Deinem Wesen und Willen aus. Dir gehört meine Anbetung. Du bist das Wichtigste in meinem Leben. Du gibst meinem Leben Halt und Sinn. Mein Herz hängt an dir.“

b.
Wir merken, Anbetung ist eine Haltung Gott gegenüber. Aus dieser Einstellung und Entscheidung heraus kommen dann die einzelnen Elemente der Anbetung:

Hier im Text der Dank gegenüber Gott und das Lob Gottes mit Musik.

Zur Anbetung gehört in der Bibel aber auch die Klage.
Zur Anbetung gehört in der Bibel auch die Beichte.

Anhang: DAS LOB GOTTES IN ZEITEN VON CORONA

„Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes“ (2 Kor 1,3)

„Das Erste, was uns auf die Lippen und in die Tiefen unserer Seele gelegt wird: ein Lob auf den Gott allen Trostes. Du vernimmst, wie Gott als der Ursprung, als die Quelle allen Trostes groß gemacht wird. Aus dieser Quelle kannst du nach Herzenslust und aus Schmerzensbrust schöpfen, als hättest du schon lange kein frisches Wasser mehr getrunken.

Das ist ja die Eigenart des biblischen Lobens, dass es Gott groß und weit macht gegen all die Verkleinerungen, die der oft elende Alltag mit sich bringt… In dieser… Weite kannst du wieder aufatmen. Du kannst deine Kurzatmigkeit überwinden, denn der „Gott allen Trostes“ hat einen langen Atem…

Wenn du vor lauter Angst atemlos geworden bist bis in deine Seele hinein, so stimm ein in das Loben Gottes, das dir Gott groß macht und dich mit seinem Atem belebt. Wenn du sprachlos geworden bist und dir die Worte fehlen, dann (leihe dir Sprache) und summ Lieder mit, die Gott loben…

Die Juden, die Auschwitz überlebt haben, erzählen uns: Ohne das Lob Gottes wären wir den Mördern und Henkern ganz anders ausgeliefert gewesen als mit dem Lob Gottes, das uns geholfen hat, uns an Gott festzumachen und von ihm Atem zu gewinnen, um zum Himmel Gottes aufzublicken und den Trotz in uns zu stärken. Wahrer Trost hat es mit Trotz zu tun: Ohne Trotz ist Trost nur noch weinerlich und schwimmt dahin; ohne Trost macht Trotz freilich nur verbittert und kurzsichtig. Sie gehören beide zusammen, der Trost und der Trotz, damit du einen langen Atem gewinnst und Widerstand leisten kannst, zuerst gegen dich selbst und deine Angst und gegen alle, die dich bedrängen. So kannst du dich auch deinem Nächsten getrost zuwenden.“
(Christian Möller, „Der lange Atem des Lobens“, in: theologische Beiträge, 2020/2, 122)