2 Kor 9,6-15 – Wir empfangen. Wir geben. – Von Thomas Pichel

A.
Teil 1 der Predigt: Wir empfangen.

I.
Worum geht es in diesem Text? Was ist die geschichtliche Situation?

Es geht um das Thema Geld. Es geht um ein Projekt des Apostels Paulus. Es geht (ihm) um eine groß angelegte, sorgfältig geplante Kollekten-Aktion: Die Jerusalemer Gemeinde ist arm. Die Gemeindeglieder sind arm. Man braucht dringend finanzielle Unterstützung. Paulus ruft in allen Gemeinden, mit denen er Kontakt hat, Menschen, die selbst nicht begütert und reich sind, zum Spenden, zum fröhlichen, heiteren, gütigen Spenden auf.

Diese Kollekte für Jerusalem ist ein Herzensanliegen des Apostels Paulus. An vier Stellen des Neuen Testaments, am Ende des Römerbriefes (Rö 15,25-32), am Ende des 1 Korintherbriefes (1 Kor 16,1-4) und in zwei langen Kapiteln des 2. Korintherbriefes (2 Kor 8 und 9) befasst er sich mit dieser Kollekte.

Aber Paulus ruft nicht nur zum Geldgeben auf, sondern er entwickelt dabei eine Theologie der Beziehung (Peter Wick), eine Theologie, was Gemeinschaft eigentlich ist. Dazu im zweiten Teil der Predigt mehr.

6 Ich meine aber dies: Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen. 7 Ein jeder, wie er’s sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. 8 Gott aber kann machen, dass alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk; 9 wie geschrieben steht (Psalm 112,9): »Er hat ausgestreut und den Armen gegeben; seine Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit.« 10 Der aber Samen gibt dem Sämann und Brot zur Speise, der wird auch euch Samen geben und ihn mehren und wachsen lassen die Früchte eurer Gerechtigkeit. 11 So werdet ihr reich sein in allen Dingen, zu geben in aller Einfalt, die durch uns wirkt Danksagung an Gott. 12 Denn der Dienst dieser Sammlung hilft nicht allein dem Mangel der Heiligen ab, sondern wirkt auch überschwänglich darin, dass viele Gott danken. 13 Denn für diesen treuen Dienst preisen sie Gott über eurem Gehorsam im Bekenntnis zum Evangelium Christi und über der Einfalt eurer Gemeinschaft mit ihnen und allen. 14 Und in ihrem Gebet für euch sehnen sie sich nach euch wegen der überschwänglichen Gnade Gottes bei euch. 15 Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe!

 

II.
Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe! (2 Kor 9,15)

1.
Gott ist der fröhlichste Geber, der gerne gibt, nicht gezwungen, nicht mit Verdruss, nicht aus Pflicht. Sondern aus Güte und Liebe. Nicht abgemessen, nicht knausrig, sondern mit vollen Händen. Nicht berechnend, sondern von Herzen!

Gott ist auch der, der sehr leidet, wenn seine Geschöpfe hungern müssen. Aufgrund von Naturkatastrophen. Aufgrund der menschlichen Gier und des menschlichen Geizes, der menschlichen Gleichgültigkeit gegenüber der Not anderer

2.
Wir danken heute in besonderer Weise unserem Schöpfer. Wir bekennen unseren Dank gegenüber unserem himmlischen Vater.

3.
Ich möchte uns jetzt in einem Bildvergleich Gott als fröhlichsten, willigsten und treuesten Geber vorstellen. Ich glaube, dass es für uns wichtig ist, dass wir das vor uns sehen, dass wir das vor uns mit unserem inneren Auge sehen. Dass Gott der fröhlichste Geber ist, das ist nicht nur ein Gedanke, sondern eine unsichtbare Wirklichkeit.

Stellen wir uns folgendes vor: Gott kommt mit einem Tablett auf uns zu. Auf diesem Tablett befinden sich seine Gaben für uns, für unser Leben!

Gott kommt auf Dich zu. Du siehst auf dem Tablett Deine Lebensmittel, aber auch Deinen Arbeitsplatz, Deine Begabungen, Deine Lebenserfahrungen, Deine Lebensmöglichkeiten, Dein GeldGott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe!

Gott kommt auf Dich zu. Du siehst auf dem Tablett Jesus, seinen Sohn. „Jesus ist das Geschenk des Himmels, das kein Mensch sich nehmen könnte, in welchem uns die Liebe Gottes leibhaftig begegnet. Allein durch Jesus Christus können wir Gott danken (Rö 7,25). In Jesus Christus gibt uns Gott alles.“ (Dietrich Bonhoeffer, Gesammelte Schriften, Band 3) Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe!

Gott kommt auf Dich zu. Du siehst auf dem Tablett viele Menschen, Deine Familie, Deine Freunde, Deine Glaubensgeschwisterr… Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe!

Gott kommt auf Dich zu. Du siehst auf dem Tablett Dich, Dein Leben. Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe

Gott kommt auf Dich zu. Du siehst auf dem Tablett Deine Bibel. Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe!

Gott kommt auf Dich zu. Du siehst Brot und Wein. Die Elemente des Abendmahls. Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe.

 

4.
Ich habe uns zwei Tischgebete und ein Lied ausgesucht, mit denen wir unseren Dank Gott gegenüber ausdrücken können.

a.
Alle guten Gaben, alles was wir haben, kommt, o Herr, von dir, wir danken dir dafür. Amen. 

b.
Wir pflügen, und wir streuen (EG 508 von Matthias Claudius) den Samen auf das Land, doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand: der tut mit leisem Wehen sich mild und heimlich auf und träuft, wenn heim wir gehen, Wuchs und Gedeihen drauf

 Refrain: Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn, drum dankt ihm dankt, drum dankt ihm dankt und hofft auf ihn.

Er sendet Tau und Regen und Sonn und Mondenschein und wickelt seinen Segen gar zart und künstlich ein und bringt ihn dann behende in unser Feld und Brot; es geht durch unsre Hände, kommt aber her von Gott.

Refrain: Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn, drum dankt ihm dankt, drum dankt ihm dankt und hofft auf ihn.

c.
Herr, lass uns nicht vergessen, dass alles, was wir essen, von Dir gegeben ist, und dass von allen Gaben, die wir empfangen haben, Du selbst die Größte bist. Amen.

 

B.
Teil 2 der Predigt: Wir geben.

I.
Die Christen damals, wir heute sollen geben. Die Christen damals, wir heute sollen „fröhlich“ geben.

Wir fragen instinktiv: Kann ich das machen, dass ich fröhlich gebe? Wir merken: Das ist nicht ohne. Das ist knifflig. Das ist missverständlich. Und doch ist es eine sehr wichtige und schöne Wahrheit für uns.

Paulus sagt: Ihr seid reich Beschenkte. Ihr habt „volle Genüge“. Gebt aus dem Gefühl des Beschenktseins! Gebt aus dem Gefühl, bisher von Gott versorgt worden zu sein und in Zukunft von Gott versorgt zu werden!

Paulus sagt nicht einfach: Gebt Geld! Spendet! Öffnet eure Portemonnaies! Überweist etwas! Obwohl es genau darum geht! Paulus sagt: Sät! Sät im Segen! Sät wie ein Landwirt reichlich Samen aus!

Wir können es in diesem Bild sagen: Welchen Samen (wie ein Landwirt, der verschiedenen Samen aufbewahrt) hast Du in Deiner Lebensscheune? Welchen Samen hast Du: Geld, Gaben, Fähigkeiten, Gastfreundschaft, Zeit…?

Paulus macht uns auf eine Verheißung Gottes aufmerksam. Wenn wir reichlich säen, dann wird die Ernte nicht kärglich, sondern im Segen sein, also groß und viel. Worin besteht die Ernte? Paulus sagt: Der Mangel der Armen wird behoben! Euch wird gedankt werden! Ihr werdet gepriesen werden! Freundschaften. Sie sehnen sich nach Euch, heißt es im Text. Gott wird gedankt werden. Gott wird gepriesen werden!

II.
Gott hat einen fröhlichen Geber lieb.

1.
Das griechische Wort, das die Luther-Bibel mit „fröhlich“ übersetzt, heißt wörtlich „heiter“, aber auch „gütig“. Es drückt aus, dass jemand gerne gibt, nicht unwillig, nicht lustlos, nicht aus Pflicht, nicht aus Zwang, nicht weil er muss.

Wenn jemand fröhlich ist, wenn jemand fröhlich geben kann, hat er Gründe dafür. Wir müssten jetzt alle fröhlichen Geber nach den Gründen fragen. Sie könnten Zeugnis geben.

Wenn jemand nicht fröhlich ist, wenn jemand nicht fröhlich geben kann, hat auch er Gründe dafür. Das wäre ein Thema für ein Gespräch oder die Seelsorge.

2.
Um ein mögliches Missverständnis auszuschließen, merke ich an: Dass Gott einen fröhlichen Geber liebhat, heißt nicht, dass Gott nur solche Geber liebt. Es heißt: Gott freut sich, wenn wir heiter, fröhlich, gerne geben. Das bedeutet Gott etwas.

Diese Aussage macht uns auf eine wichtige Wahrheit der Bibel aufmerksam. Wir können Gott nichts geben aus Zwang oder Pflicht. Wenn wir Gott aus Zwang oder Pflicht etwas geben, dann haben wir eine Geschäftsbeziehung zu Gott. In einem Geschäft bekommen wir das und jenes. In einem Geschäft sind wir verpflichtet, so und so viel Geld dafür zu bezahlen. Eine solche Beziehung will Gott nicht.

3.
Noch einmal: Warum hat Gott einen fröhlichen Geber lieb? Weil ihm das sehr viel bedeutet! Weil ihn das sehr erfreut. Weil Gott an diesem fröhlichen Geben etwas sieht!

Wie ist das zu verstehen? Ich habe diesen Gedanken von dem Schweizer Theologen Peter Wick, der unseren Predigttext folgendermaßen auslegt. Es ist eine kleine Theologie über Beziehungen, über die Beziehungen zwischen uns Menschen, über die Beziehung zwischen Gott und uns.

(1)
Wie hat Gott unser Leben angelegt? Leben heißt, gute Beziehungen zu haben, zu leben, zu pflegen. Gott will eine Beziehung zu uns. Gott will, dass wir Beziehungen zu anderen leben, gestalten und pflegen.

(2)
Beziehungen bestehen immer aus Geben und Nehmen. Eine gute Beziehung hat eine gute Balance zwischen wechselweisem Geben und Nehmen. Eine Beziehung wächst, wenn Menschen freudig geben und freudig nehmen.

(3)
Zu diesen zwei Wahrheiten stellt die Bibel noch eine dritte. Die Bibel sagt uns: „Gott kann alles, aber er kann nicht Beziehung machen“.

Gott kann dir Liebe schenken, Barmherzigkeit, Gnade. Er kann dir Weisung schenken. Er kann dir helfen. Er kann dir Vergebung schenken. Er kann dir alles schenken, er kann dich von der Wiege bis zur Bahre beschenken, begleiten, Dir helfen, aber er kann nicht Beziehung machen. Dafür braucht es uns. Dafür braucht es Dich und mich. Dafür ist es nötig, dass wir ihm etwas erwidern, dass auch wir ihm etwas geben, dass auch wir ihm etwas schenken.

Was kann das sein? Was können wir Gott geben, erwidern, schenken?

Wir könnten jetzt mit der ganzen Bibel und mit Paulus antworten: Wir können und sollen Gott unser Vertrauen und unsere Liebe schenken. Hier sagt es Paulus konkreter, zugespitzter, praktischer: Es sind zwei Dinge, die wir Gott zurück schenken können.  Erstens: Wir können ihm unseren Dank geben. Zweitens: Wir können ihm etwas geben, indem wir unseren Mitmenschen etwas geben.

4.
Aber bevor wir Gott danken und bevor wir Ihm einen Gefallen tun, müssen wir etwas lernen, will uns Gott etwas Entscheidendes beibringen. Gott will uns die Logik des Evangeliums lehren.

Was meine ich damit? Wenn wir zu ihm sagen: Herr, ich möchte Dir etwas geben, ich möchte Dir etwas zurückgeben, Du hast mich so reich beschenkt, dann sagt Gott zu uns: Bevor Du mir etwas gibst, lerne erst einmal zu empfangen, ohne dass Du dafür bezahlen musst. Wenn Du das lernst (und das dauert seine Zeit), dann kannst Du anfangen, mir zu danken und meinen Geschöpfen zu helfen.

Und darüber freut sich Gott dann zweimal. Einmal, weil wir anderen Gutes tun, und einmal, weil er daran sieht, dass wir eine Beziehung zu ihm wollen und haben.

5.
Also das Erste ist der Dank, die Dankbarkeit, das Danken, das wir Gott schenken können. Und Gott nimmt unseren Dank an. Unser Dank bedeutet ihm sehr viel. Unsere Dankbarkeit ist ihm sehr wichtig. Warum? Weil Gott an unserem Dank sieht, dass wir zu einer Beziehung zu ihm Ja sagen, dass wir seine Beziehung zu uns erwidern, dass wir eine Beziehung zu ihm haben und leben. Und darüber freut sich Gott sehr. Weil er nämlich, wie gesagt, alles kann, nur nicht die Beziehung zu uns machen, nur nicht die Beziehung zu uns erzwingen.

6.
Das Zweite, das wir Gott schenken können, ist, dass wir unseren Mitmenschen etwas geben. Wir können uns das so vorstellen: Wenn wir zu Gott sagen: Herr, ich möchte Dir etwas schenken, dann sagt Gott zu uns: Wenn du mir etwas schenken willst, dann gib etwas deinen Mitmenschen, meinen Geschöpfen, dann gib etwas von deinem Geld, deinen Gaben, deiner Zeit! Vertrau mir! Ich sorge dafür, dass du zum Geben immer genug hast, dass in deiner Lebensscheune immer Samen vorrätig ist.

7.
Ich kenne jemanden, der vielen Menschen hilft, sie begleitet, für sie betet, hier und da auch Geld gibt. Dieser Mensch hat mich einmal gebeten: Kannst du mir einen Gefallen tun? Da ist der Sowieso, ich glaube, du kannst ihm helfen…

Übrigens: Dieser Mensch erntet Jahr für Jahr sehr viel. Was schenkt ihm Gott an Segen? Er hat ein großes Netzwerk an Beziehungen. Er hat sehr viele Freunde. Er hat Ansehen. Er hat auch Macht, mit der er in meinen Augen verantwortlich umgeht.

 

III.
Schluss

Merken wir, worum es in unserem Predigttext, worum es an Erntedank geht? Es geht um das Zusammenkommen und das Zusammensein zwischen Gott und uns. Es geht darum, dass der fröhlichste und treueste Geber, unser Schöpfer und Vater im Himmel, und wir als fröhliche, froh gewordene, von ihm froh gemachte und getröstete Menschen zusammenkommen, zusammen sind und zusammen feiern.

Sagen wir Gott Danke! Wir können ihm unseren Dank schenken. Er freut sich sehr darüber. Und er erfreut unser Herz.

Beschenken wir Gott, indem wir unseren Nächsten etwas schenken. Er freut sich darüber. Und er erfreut unser Herz.