Apostelgeschichte 2,1-13 – Pfingsten bedeutet Erfüllung, Feuer und Neuanfangen – Von Thomas Pichel

1 Und als der Pfingsttag sich erfüllte, waren sie alle an einem Ort beieinander.
2 Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen.
3 Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen,
4 und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen.
5 Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel.
6 Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt; denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden.
7 Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa?
8 Wie hören wir denn jeder seine eigene Muttersprache?
9 Parther und Meder und Elamiter und die wir wohnen in Mesopotamien und Judäa, Kappadozien, Pontus und der Provinz Asien,
10 Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Einwanderer aus Rom,
11 Juden und Judengenossen, Kreter und Araber: wir hören sie in unsern Sprachen von den großen Taten Gottes reden.
12 Sie entsetzten sich aber alle und wurden ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden?
13 Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll von süßem Wein.

 

I.
PFINGSTEN BEDEUTET „ERFÜLLEN“

 1.
„Als der Pfingsttag sich erfüllte“ (Vers 1)

a.
Der Tag des jüdischen Schawuot-Festes erfüllte sich, d.h. das Fest ging los.

Das Schawuot-Fest war und ist ein Freudenfest. Es feierte „die großen Taten Gottes“.

Es ist einerseits ein Erntedankfest. Man freut sich über die Gaben des Schöpfers

Es ist andererseits ein Bibelfest. Man freut sich über das Geschenk der 10 Gebote, der Tora, des Bundes mit Gott. Man freut sich, dass Gott redet.

Es ist deshalb auch ein Fest, dass die Gegenwart Gottes feiert.

Übrigens: Unser Wort „Pfingsten“ kommt vom griechischen Wort für fünfzig: „pentecoste“.
50 Tage lagen zwischen der Befreiung des Volkes Israel aus Ägypten durch Gott und dem Geschenk der Tora am Berg Sinai.
50 Tage lagen und liegen heute noch zwischen dem jüdischen Pesach- und Schawout-Fest.
50 Tage liegen zwischen der Rettungstat Gottes am Kreuz und der Gabe des Heiligen Geistes.
50 Tage liegen zwischen dem christlichen Oster- und Pfingstfest.

b.
Die Versprechen Jesu erfüllten sich.

“Ich will den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Tröster geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit“ (Joh 14,16)

„Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein“ (Apg 1,8)

c.
Die Verheißungen des AT erfüllten sich.

Ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben...“ (Hes 36,26-27)

Und nach diesem will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch…“ (Joel 3,1)

 

2.
Die Jünger wurden erfüllt.

 Es heißt im Text: Der Heilige Geist erfüllte das ganze Haus (v2) bzw. sie wurden erfüllt (v4)

 Das ist Passiv: „Wie ein leeres Gefäß gefüllt wird und nicht sich selber füllt. Den Heiligen Geist hat man nur, indem man ihn kriegt: von oben, von außen, von Gott.
(Gerhard Hennig, theologische beiträge, 4/2002, S.177).

Begreifen wir, was unser Beitrag zu Pfingsten ist? Unser Leersein! Wir dürfen zu Gott sagen: „Flasche leer!“ (Giovanni Trappatoni 1997).

Gott kann uns nur füllen, wenn wir leer sind. Ich hörte in einer Predigt folgenden tiefsinnigen Satz: „Leere Gefäße braucht Gott und nicht volle, die nur nach einem Etikett fragen.

Es gibt in der Christenheit die fatale Tendenz, von sich selbst voll sein zu wollen. Und Gott (und die anderen!) soll dann das Etikett aufkleben: Gläubig. Entschieden. Etwas Besonderes. Heilig. Gerecht. Bibeltreu.

Lasst uns da umkehren! Lasst uns zu Gott sagen: Herr, ich will nicht erfüllt sein von mir selbst, von meiner Weisheit, meiner Güte, meinem Glauben, meinem Willen, meiner Größe, meiner BedeutungIch will erfüllt sein von Dir: von Deiner Liebe, von Deiner Kraft, von Deiner Treue, von Deiner Weisheit…

In Marburg wird in jeder Evangelischen Kirche an jedem Sonntag folgende Bitte an Gott geäußert: Komm, Heiliger Geist, erfüll die Herzen Deiner Gläubigen, entzünde in ihnen das Feuer Deiner göttlichen Liebe.“

 

II.
PFINGSTEN BEDEUTET „FEUER“

Diesen Punkt übernehme ich mit Dankbarkeit von Guido Baltes, Kirche, Predigt im Christustreff in Marburg am 16.5.2019.

1.
Das reinigende Feuer der Ehrlichkeit

Wir kennen alle die Geschichte von Petrus, der Jesus verleugnete. Von sich überzeugt hatte er angekündigt: „Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen!“ (Luk 22,33). Dann an einem Kohlenfeuer (Luk 22,55) verleugnet er 3x sein Christsein, seine Beziehung zu Jesus, seine Liebe zu ihm.

Der Heilige Geist arbeitete an und in Petrus. Petrus musste sich kennenlernen: Ich bin nicht immer der, der ich gerne wäre. Ich bekomme es oft nicht auf die Reihe. Er musste sein Versagen ehrlich eingestehen.

Petrus musste etwas über sich lernen: Ich kann mich nicht auf meinen Glauben gründen, nicht auf meine Entscheidung, nicht auf meine Willensstärke. Ich lebe von der Treue Jesu, ich lebe von der Zusage Jesu.

2.
Das wärmende Feuer der Vergebung

Wir kennen alle die Geschichte von Petrus, als Jesus an ihm festhielt. Es ist wieder an einem Kohlenfeuer (Joh 21,9). Dreimal hat Petrus Jesus verleugnet. Dreimal fragt Jesus Petrus: „Hast du mich lieb?“ (Joh 21,15-17). Dreimal antwortet Petrus, wohl etwas kleinlaut: „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe!

Der Heilige Geist arbeitete an und in Petrus. Petrus begriff: Die Vergebung Jesu gleicht mein Versagen aus. Jesus entließ Petrus nicht. Der Hirtendienst des Petrus wurde erneuert.

3.
Das begeisternde Feuer

Wir haben es bei der Textlesung gehört. Der Heilige Geist setzte sich auf die Jünger und damit auch auf Petrus. Der Heilige Geist entzündet das Feuer der Begeisterung für Jesus. Er macht die Jünger brennend. Sie müssen nicht aus eigener Kraft und eigenem Antrieb Christen sein.  Wir müssen nicht aus eigener Kraft und eigenem Antrieb Christen sein. Gottseidank! Halleluja! Gepriesen sei der Herr!

„Komm, Heiliger Geist, erfüll die Herzen Deiner Gläubigen, entzünde in ihnen das Feuer Deiner göttlichen Liebe.“

 

III.
PFINGSTEN BEDEUTET IMMER WIEDER NEU ANFANGEN.

1.
Den Anfang hat Gott gemacht. Den Anfang macht immer Gott. Nie wir!

„Kirche beginnt nicht bei uns. Sie beginnt nicht mit unserem Glauben, nicht mit der Art und Weise, wie wir zusammen beten, Gottesdienst feiern oder uns helfend für andere einsetzen.

Sie beginnt täglich und stündlich damit, dass Gott selbst sich uns schenkt. Wir Menschen stehen mit leeren Händen da, haben nichts selbst zu bringen. Wir warten täglich und stündlich auf Gott, der sich uns schenkt.

Weil er sich uns in seinem Wort und seinem Abendmahl ständig neu hingibt, darum sind wir Kirche.

Im Bild: Einen Bach gibt es nur, weil sich die Quelle ständig neu ergießt. Die Kirche lebt aus jenem Bach, der sich aus Gottes Quelle täglich erneuert. Unsere menschliche Haltung ist die des Empfangens. Wir stehen als Kirche vor Gott als Menschen, die ihn in Anbetung empfangen, wie der Bach sich aus der Quelle heraus ergibt.“  (Wolfgang Bittner, Kirche – das sind wir, S.50)

2.
Lasst uns nie aufhören, immer wieder neu, offen und empfänglich für den Heiligen Geist zu sein.

Wir dürfen glauben, dass wir ihn empfangen haben, als wir gläubig wurden.

Aber wir können uns erwartungsvoll seinem Wirken öffnen. Er weht nicht, wo wir wollen. Er weht nicht, wann wir wollen. Aber er will wehen!

Der Heilige Geist ist auch unabhängig von Zeichen und Formen. Wir müssen das nicht so erleben wie in Apg 2. Aber der Sache nach dürfen wir es erleben.

Deshalb gilt: Wir können uns im Glauben ihm öffnen. Wir können sein Wirken erbeten.

3.
Lasst uns nie aufhören, an einem Ort beieinander“ zu sein und zu „hören“!
Darauf ruht eine große Verheißung!

4.
Lasst uns (neu) anfangen, die Kirche mitzubauen.

Neben Notre Dame in Paris, der abgebrannten Kathedrale, ist der Sitz einer Stiftung: die „Fondation Notre-Dame“. Ihr Ziel ist es eigentlich, sich um junge und arme Menschen zu kümmern. Diese soziale Stiftung hilft jetzt mit, die Kathedrale Notre-Dame zu retten. Auf der Website heißt es: „Helfen Sie uns, die Kathedrale Notre-Dame von Paris zu retten.“

Dieser Mix aus Kirchenaufbau und Sozialarbeit ist mein Traum von Gemeinde:
Kirche zu bauen.
Sich für junge und alte Leute engagieren. Sie mitmachen zu lassen.
Sich für arme und bedürftige Menschen engagieren.

Fangen wir immer wieder neu an! Gott ist es wert! Die Menschen sind es wert!

Fangen wir immer wieder neu an! In der Kraft des Heiligen Geistes!

Fangen wir immer wieder neu an für Menschen zu bitten: um das Wirken Gottes in ihrem Leben und an ihren Herzen!

Fangen wir immer wieder neu an, den Menschen unsere Zeit, unser Geld, unsere Gaben zu spenden!

Fangen wir immer wieder neu an, ihnen zu erzählen, was die großen Taten Gottes für uns bedeuten!

Dass wir leere Gefäße sein dürfen. Dass ER uns füllt – mit Kraft, mit Lösungen, mit Hoffnung, mit Trost, mit Freude!

Gottseidank: Es ist das ganze Jahr Pfingsten.