Die Titel und Namen Jesu (Luk 2,11 u Jes 9,5) – 24.12.2022 – Von Thomas Pichel

A.
Wie soll man Jesus anreden?

1.
Ricky Bobby – König der Rennfahrer (im Original Talladega Nights), ist eine Hollywood-Komödie aus dem Jahr 2006. In einer Szene sitzt die Familie am Essenstisch und streitet. Sie streitet darüber, wie man Jesus im Gebet anreden soll. Denn Ricky betet zu Beginn und hört nicht mehr auf. Er beginnt alle Sätze mit: Liebes kleines Jesuskind, dankeLiebes kleines Jesuskind, bitte…

Sein Schwiegervater verliert den Geduldsfaden. Er bestreitet, dass Ricky Jesus korrekt anspricht. Er sagt entschieden: Jesus war ein Mann. Er hatte einen Bart. Der Schwiegervater hält den erwachsenen Mann Jesus für entscheidend. Leider erfahren wir nicht, wie der Schwiegervater beten würde. Ricky kontert: Ich mag den Weihnachts-Jesus am liebsten. Du kannst zum bärtigen Jesus beten, wenn du willst. Ich mag die Babyversion von Jesus am liebsten! 

Hören wir auf zwei Bibelverse. Sie helfen uns, zu verstehen, wer Jesus ist. Wenn wir seinem Geheimnis näherkommen, können wir Weihnachten feiern, wissen wir, wie wir ihn in unseren Gebeten anreden können.

2.
Ein Vers aus der Weihnachtsgeschichte nennt uns die Titel, Funktionen und Identitäten, die der Himmel Jesus sozusagen in die Wiege legt: Euch ist heute der Retter geboren, welcher ist Christus, der Herr (Luk 2,11)

Ein Vers aus der Prophezeiung, die Gott dem Propheten Jesaja in den 720er Jahren vor Jesu Geburt anvertraut, nennt uns die Ehrennamen, mit deren Hilfe wir verstehen sollen, wer Jesus ist. Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friedefürst. Er wird die Herrschaft übernehmen und dauerhaft Frieden bringen.  (Jesaja 9,5-6a)

Diese zwei Verse schützen uns vor der Gefahr, dass Weihnachten zur pastellfarbenen Romantikgeschichte verkommt, bei der überhaupt nicht mehr deutlich wird, worum es an Weihnachten geht. Weihnachten ist im Kern eine politische Botschaft. An Weihnachten wurde die Schlüsselfigur der Weltgeschichte geboren. Es geht um die Macht Jesu, die sich in seinem Leben andeutet, in seinem Tod verbirgt und in seiner Auferstehung zeigt. Es geht um Gottes Drehbuch mit dieser Welt, um die Ziele Gottes, die er mit und für die Menschheit verfolgt.

Gleichzeitig hören wir die paradoxe Aussage: Auf der Schulter eines Kindes liegt die Herrschaft. Was bedeutet das? Wir ahnen, dass diese Herrschaft anders ist. Schauen wir uns die Titel und die Ehrennamen Jesu näher an!

 

B.

I.
Die Titel und Namen Jesu verraten uns, dass Jesus regiert, aber auch, wie er regiert.

1.
Die Titel Jesu aus Luk 2,11 sind Zusagen und Versprechen

Retter. Luther übersetzte das griechische Wort mit Heiland. Kaiser Augustus in Rom gab sich selbst diesen Titel. Hitler pervertierte den Begriff mit seinem „Heil Hitler! “ Was ist gemeint? Der Retter ist der, den alle nötig haben, und der, der das bringt, was Land und Menschen hilft. Der Retter ist der Wohltäter. Der Retter bewirkt Wunder! Er rettet aus Gefahren und beschützt vor Feinden. Er ist der Friedensbringer. Die Botschaft von Weihnachten lautet: Jesus ist der Retter!

Christus ist die Übersetzung des jüdischen Messias-Titel. Der Messias ist der, der das Reich Gottes bringt. Er ist der, der wie kein anderer Mensch helfen, befreien und regieren kann. Die Botschaft von Weihnachten lautet: Jesus ist der lange angekündigte Messias und für immer bleibende König Israels.

Herr. Dieser Titel steht ca. 6700-mal im Alten Testament und meint Gott, der sich Mose aus einem Dornbusch heraus als Jahwe vorgestellt hat. Man kann die Bedeutungsfülle dieses Gottesnamens gar nicht erschließen. Jahwe ist ein Versprechen. Jahwe kann heißen: Ich bin für Dich, für Euch da. Ich werde in Erweis meiner Macht wirken. Ich werde so sein, wie ich es euch versprochen habe. Die Botschaft von Weihnachten lautet: Jesus ist Jahwe in Menschenausgabe. Jesus ist Gott.

Bei Jesus kann man diesen Titeln trauen! Fürchten wir uns nicht, dem Träger dieser Titel zu vertrauen!

2.
Auch die Ehrennamen Jesu aus Jes 9,1-6 sind Versprechen.

Wunder-Rat. Jesus ist der wundervolle Ratgeber Gottes für uns alle. Jesus ist der Rat für Ratlose. Er gibt uns Orientierung, wo wir jede Orientierung verloren haben. Er zwingt uns nicht. Er schreibt uns nichts vor. Er rät uns. Er öffnet uns die Augen und sagt uns: In diese Richtung kann es mit dir gehen. In diese Richtung kannst du dich bewegen.

Gott-Held. Jesus ist der Starke für Schwache, der große starke Bruder. Jesus ist unser Held. Ein Held ist jemand, der manches allein tun muss, weil nur er es kann. Das hebräische Wort meint die Kraft, Unmögliches zu tun, meint die Kraft, Wunder zu tun. Da ist eine Kraft da, die man leicht übersieht, mit der man gar nicht rechnet. Mit der wir aber rechnen dürfen. Ich möchte an dieser Stelle etwas Persönliches andeuten: Ich habe durch Jesus den Mut gefunden, meine Ängste zu bejahen. Ich habe durch Jesus die Kraft gefunden, mich meinen Ängsten zu stellen.

Ewig-Vater. Jesus zeigt uns den Vater. Er ist zu uns wie der Vater. Er ist unsere Heimat, unser Zuhause. Vielleicht ist der Kern von Vaterschaft das, dass einer verlässlich da ist für seine Kinder, dass er sie verlässlich versorgt und beschützt, dass er keine Spiele mit ihnen spielt, dass aber dieser Vater gleichzeitig seine Kinder frei gibt, selber Stärken zu entfalten und in andere Beziehungen hineinzuwachsen.

Friedefürst. Auf diesen Namen will ich am Schluss der Predigt eingehen.

Wir können diesen Namen trauen! Sie sind für schwierige Zeiten wie ein Vorrat an Namen, an denen man nicht zweifeln muss. Fürchten wir uns nicht, dem Träger dieser Namen zu vertrauen! 

Themenanzeige: Die Titel Jesu und die Namen Jesu befreien von einem billigen und kitschigen Gottesbild (liebes kleines Jesuskind), wo man Gott verharmlost und zur Märchen- oder Witzfigur herabwürdigt.

3.
Was aber bedeutet die paradoxe Botschaft, dass die Herrschaft auf der Schulter eines Kindes ruht? 

Wir können diese merkwürdige Aussage durch Jesu Leben, durch seinen Weg und seinen Tod verstehen.

Jesu öffentliches Auftreten und Wirken, sein Weg waren gekennzeichnet durch einen totalen Verzicht auf politische Macht. Jesus ging seinen Weg in totaler Gewaltlosigkeit. Diese Entscheidung hat ihm am Ende das Leben gekostet. Für uns heute Abend ist wesentlich, dass wir diese Art der Herrschaftsausübung nicht als Schwäche oder Ohnmacht, sondern als Machtverzicht begreifen!

Diese Einstellung bestimmt auch den Umgang des auferstandenen Jesus mit uns. Jesus verzichtet Dir und mir gegenüber auf jede Form von Manipulation und Kontrolle. Jesus sagt zu uns nie: Du musst! Er sagt zu uns immer: Du darfst Nein sagen. Du darfst dich verweigern. Du darfst mir mit deinem Misstrauen und Vorurteilen, mit deiner Gleichgültigkeit und aggressiver Ablehnung unrecht tun. Ich nehme dein Nein an. Ich zwinge dich nicht. Jesus arbeitet nie mit Druck und Zwang. Er tut das Gegenteil von dem, was Zwingen heißt. Er kauft uns auch nicht.

Die Logik lautet: Der Gott, der ein Kind wird, nimmt uns die Angst vor sich. Vor einem Kind müssen wir uns nicht fürchten. Vor einem Kind schämen wir uns nicht. Ein Kind berührt uns jenseits unserer inneren Blockaden.  Denn eines ist klar: Jesus hat ein Ziel. Er will uns gewinnen. Er will unser Vertrauen und unsere Liebe gewinnen. Damit sind wir beim nächsten Punkt der Predigt.

Themenanzeige: Gott befreit uns durch Weihnachten von einem falschen Gottesbild, das aus Angst und Zwängen kommt.

 

II.
Weihnachten heißt: Jesus, das ehemalige Christkind, der lebende Heiland, sucht den Kontakt mit uns und redet uns an. 

Jetzt könnte jemand, dem der Glaube fremd ist, einwenden: „Was hat ein Heiland aus der Antike schon zu tun mit dem, was mich 364 Tage im Jahr auf Trab hält, was mir den Atem nimmt, was mich traurig macht, was mir Angst macht, was mich krank macht, was die Nachrichten berichten…? Was hat mir ein Heiland aus der Antike heute zu bieten?“ (Reiner Braun, theologische beiträge, 2/2022, 340) Was können wir antworten?

Wir können antworten: Ein christlicher Gottesdienst ist keine Gedenkveranstaltung für den Gründer der Bewegung. Wir rechnen mit der Präsenz Jesu, denn wir glauben, dass er auferstanden ist und lebt. Jeder Gottesdienst ist deshalb der Versuch, achtsam dafür zu sein, dass der Jesus Christus-Gott mitten unter uns ist. Man kann in Gottesdiensten von Jesus sehr überrascht werden!

Wir können antworten: Jeder Gottesdienst ist eine Feier. Heute im Weihnachtsgottesdienst feiern wir Weihnachten. In Jesus Christus hat der unbegreifliche Gott Farbe bekannt, Gesicht gezeigt, sich begreifbar gemacht. Es hat ihn nach unten zu uns gezogen. Er hat sich ganz klein gemacht, damit wir etwas mit ihm anfangen können.

Wir können antworten. In jedem Gottesdienst hören wir auf Gottes Reden. Heute am Heiligabend hören wir die ewig-junge, nie überholte gute Botschaft von Weihnachten! Der Jesus Christus-Gott ist auf der Suche nach uns! Er wirbt um uns. Er will sich mit uns verbinden für Zeit und Ewigkeit. Er will mit uns leben und uns Leben und Frieden schenken. Deshalb redet Gott uns an! Euch ist heute der Retter geboren! Für uns alle ist Weihnachten damals passiert! Für uns alle gelten die Titel und Namen Jesu! Wir alle sind gemeint! Wir alle sind angesprochen! Wir alle, wenn wir es wollen, können antworten. Damit kommen wir zum dritten Teil der Predigt.

 

III.
Mögliche Antworten auf das “Euch ist heute der Retter geboren

1.
Damit sind wir bei der Frage vom Predigt-Anfang: Wie reden wir Gott richtig an? So wie Ricky Bobby mit „Liebes kleines Jesus-Kind“ bitte nicht! Das ist unpassend. Wer eine intime Anrede möchte, kann es machen wie Jesus. Jesus redet in den Evangelien 170x Gott mit „Abba“ an, was unserem „Papa“ entspricht. Ich kann das nicht. Wenn ich bete, sage ich entweder Vater oder Herr Jesus. Jeder wähle den Ausdruck, der ihm am besten hilft, sich klarzumachen, mit wem wir da sprechen dürfen.

2.
Es ist nicht unwichtig, wie wir Gott anreden. Entscheidend ist aber, dass wir überhaupt mit ihm reden, dass wir betende Menschen sind. Denn Christsein ist Vertrauen, das betet.

3.
Wir alle dürfen heute Abend und natürlich an allen anderen Tagen des Jahres auch die Anrede des ehemaligen Christkindes erwidern.

Ich mache ein paar Beispiele, wie das aussehen kann.

(1)
Wenn es uns gut geht, wenn wir manches Glück genießen können – auch in diesen schwierigen Zeiten, dann zeigt uns Jesus den Gott, dem wir alles verdanken. Antworten wir ihm! Sagen wir ihm immer neu unser Dankeschön für alles, was unser Leben schön, reich, bunt, wertvoll und sinnvoll macht! Wir verdanken doch nichts uns selbst, sondern alles ihm!

(2)
Wer unter uns ratlos ist, voller Sorgen, voller Zukunftsängste, den lade ich ein, Jesus alles zu sagen, was uns Menschen Freude und Frieden kaputtmacht, was uns zu zerbrechen droht! Die Herrschaft ruht auf seiner Schulter heißt auch: Wir dürfen Jesus mit allem belasten! Ein Satz von Hermann Bezzel hilft mir immer wieder im Gebet.  Der Satz lautet: Gott sorgt in zweierlei Weise. Entweder er macht die Last leichter oder er macht deine Kraft stärker.

(3)
Wer unter uns keine Kraft mehr zum Beten hat, wem die Worte fehlen – aufgrund einer schockartigen Situation, aufgrund einer langanhaltenden emotionalen Überforderung angesichts diverser Ereignisse der letzten Monate, dem möchte ich sagen: Schau auf Jesus! Vergiss Jesus nicht! Vielleicht kannst du folgendes Gebet übernehmen? Herr, ich bin vor dir nur ein stummer Schrei. Ich bin nur noch hilflos. Ich bin nur noch arm und brauche dich. Und kann das nicht mal mehr sagen. Du bist da! Du schaust mich an! Du weißt um mich! Ich warte auf Dein Eingreifen und Helfen!

(4)
Wer unter uns sich nach Frieden im Gewissen sehnt, den ermutige ich: Schütten wir unsere Gewissenslast aus. Vertrauen wir ihm die Egokräfte unserer Sünde an: Unsere Eigensucht. Unsere Selbstbehauptung auf Kosten anderer. Unsere Lust, Recht zu haben. Unsere Lust, andere zu bestimmen. Unsere Unversöhnlichkeiten… Jesus hat die Macht, durch seine Vergebung unser Herz zu befrieden und uns von uns selbst zu erlösen. Damit sind wir beim Schlussgedanken der Predigt!

 

C.
Die Hoffnung auf Frieden. 

Jesus ist der Friedefürst, der uns schenken will und kann, was unser Herz sucht: Frieden. Jesu ist der Friedefürst, der schenken will, was unsere oft so schwierigen oder zerrütteten Beziehungen brauchen: Frieden. Jesus ist der Friedefürst, der unsere Fragen und Zweifel befrieden will und kann, der unsere Ängste befrieden will und kann, unsere Empörungen, unsere Enttäuschungen und Bitterkeiten, unser Schämen, unsere Unklarheiten…

Ich will uns allen, die wir uns in dieser Kriegs- und Krisenzeit nach Frieden sehnen, das Versprechen Gottes aus Jesaja 9 zusagen: Was an Weihnachten ganz klein begann, nämlich das Friedensprojekt Gottes für diese Welt, wird eines Tages groß sein. Eines Tages wird Gott dieser erschütterten Welt umfassenden und vollendeten Frieden schenken. Fürchtet euch nicht, das zu glauben!

Frieden heißt auf Hebräisch shalom. Shalom meint: Alle Beziehungen des Menschen, die zu sich selbst, die zu seinen Mitmenschen und die zu Gott sind unverletzt, gut und ganz. Shalom meint: Jeder bekommt, was er, was sie braucht. Alles ist so, wie es sein sollte. Shalom meint: Menschen leben so zusammen, dass es keine Täter und Opfer gibt. Sie können sich nahekommen, ohne dass jemand vor dieser Nähe Angst haben müsste. Shalom meint: Es gibt nichts, was den Frieden stört oder verletzt. Keine Unwahrheit! Kein Übel! Kein Krieg!

Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens!

Man kann auch übersetzen: Bei den Menschen guten Willens. Vielleicht sind damit in unseren Tagen besonders und zuerst die gemeint, die für Frieden beten, die sich um Frieden bemühen und für Frieden engagieren?! Fürchtet euch nicht, dafür zu leben!

Die Welt braucht bis zum Wiederkommen Jesu solche Menschen! Alle Menschen aber brauchen den Frieden im Herzen, den Jesus, das ehemalige Christkind, schenken will und kann. Amen!