Gemeindeleben – eine schöne Herausforderung – Apostelgeschichte 4,32-37 – Von Martin Brendel

32 Die Menge der Gläubigen aber war ein Herz und eine Seele; auch nicht einer sagte von seinen Gütern, dass sie sein wären, sondern es war ihnen alles gemeinsam. 33 Und mit großer Kraft bezeugten die Apostel die Auferstehung des Herrn Jesus, und große Gnade war bei ihnen allen. 34 Es war auch keiner unter ihnen, der Mangel hatte; denn wer von ihnen Land oder Häuser hatte, verkaufte sie und brachte das Geld für das Verkaufte 35 und legte es den Aposteln zu Füßen; und man gab einem jeden, was er nötig hatte. 36 Josef aber, der von den Aposteln Barnabas genannt wurde – das heißt übersetzt: Sohn des Trostes –, ein Levit, aus Zypern gebürtig, 37 der hatte einen Acker und verkaufte ihn und brachte das Geld und legte es den Aposteln zu Füßen.

 

A.

Ein Herz und eine Seele. Den Älteren unter uns fällt da vielleicht die gleichnamige Fernsehserie mit Ekel Alfred ein. Die Familie war alles andere als ein Herz und eine Seele. Alfred hatte an allem und jeden etwas auszusetzen. In der Familie prallten unterschiedliche Meinungen und Einstellungen aufeinander. Natürlich überspitzt dargestellt, doch gar nicht so unrealistisch. Wie im richtigen Leben, wenn Menschen zusammengestellt sind.

In dem Predigttext wird das Gemeindeleben der ersten Christen in Jerusalem geschildert. Im zweiten Kapitel der Apostelgeschichte erfahren wir noch mehr über das Zusammenleben.

Sie blieben beharrlich im Gebet. Sie unterstützten sich gegenseitig. Sie gaben Zeugnis von Jesus und seiner Auferstehung. Sie dienten dem Herrn. Sie wirkten in der Öffentlichkeit. Sie heilten. Es geschahen viele Zeichen und Wunder. Sie fühlten sich sicher, waren versorgt. Es wurden immer mehr, viele kamen von weit her und alle mussten versorgt werden.

Von einem wird genauer berichtet: Josef Barnabas, ein Levit und damit zum Tempeldienst berufen. Die Leviten hatten bei der Landverteilung kein Land bekommen. Sie sollten aus den Opfergaben des Tempels versorgt werden. Josef stammte aus Zypern, war wohl nicht im aktiven Tempeldienst. Vielleicht war sein Landbesitz in Zypern. Es wird vermutet, dass er als Pilger nach Jerusalem kam und in der Stadt blieb. Er wurde von der Botschaft angesprochen und verkaufte dann sein Land.

 

B.

I.
Ein Herz und eine Seele

„Die Menge der Gläubigen war ein Herz und eine Seele.“ – nicht idyllisch, sondern wie heute reich an Unterschiedlichkeiten und Konflikten, aber erfüllt von einer Liebe im christlichen Sinn: die Gläubigen versuchten, zusammen zu leben. Sie waren von der Einigkeit in Glaube, Hoffnung und Liebe erfüllt.

Was heißt das genau?

Im hohepriesterlichen Gebet in Joh 17 betet Jesus: „21 Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, auf dass die Welt glaube, dass du mich gesandt hast. 22 Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, auf dass sie eins seien, wie wir eins sind, 23 ich in ihnen und du in mir, auf dass sie vollkommen eins seien und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst“.

„Es geht hier nicht um organisatorische oder ökumenische Einheit. Es geht Jesus um die Einheit der Seinen mit Gott. Die Jünger und alle zukünftigen Generationen der Glaubenden sollen in die gleiche Liebe mit hineingenommen werden, durch die Jesus mit dem Vater verbunden ist.“ (Erklärung Lutherbibel)

So eine innige Liebesbeziehung möchte Gott mit uns, wie mit seinem eigenen Sohn. Das lässt mich staunen!

Und diese Liebesverbundenheit kann an die Welt weitergegeben werden. Die Liebe, die wir erfahren, können wir weitergeben. Wir können nur aus dieser Liebe schöpfen.

Die Einheit in der Gemeinde ist wichtig, dass die Welt glauben kann. Die Einheit von Vater und Sohn ist Urbild und Vorbild für die Einheit der Gemeinde.

Jesus hat uns die Herrlichkeit gegeben, die er selbst vom Vater empfangen hat. Da ist der Heilige Geist gemeint. Er ist es, durch den die Einheit entsteht. Der Heilige Geist bewirkt die Einheit zwischen Jesus und mir persönlich. Und er bewirkt die Einheit in der Gemeinde.

Joh. 14,26: „Der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“

Die Liebe Jesu muss ich mir nicht verdienen. Sie ist da für dich und für mich und für jeden, der sich auf den Glauben einlässt. Der Heilige Geist entfacht in uns die Glut der Liebe und der Freude.

Jesus betet zu seinem Vater um diese Einheit, kurz bevor er verhaftet wurde. Es lag und liegt ihm also ganz viel an dieser Einheit.

Epheser 4,3: „Und seid darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens.“ Es ist unser Auftrag darauf zu achten, dass wir die Einheit bewahren und uns darum bemühen.

Rick Warren schreibt in seinem Buch „Leben mit Vision“: „Einheit ist nicht Einheitlichkeit. Um der Einheit willen, dürfen wir nicht zulassen, dass uns persönliche Unterschiede trennen. Wir dürfen uns nicht entmutigen lassen, von der Kluft zwischen der idealen Gemeinde und der realen Gemeinde. Reife bedeutet, mit der Spannung zwischen dem Ist- und dem Soll-Zustand zu leben. Wir müssen daran denken, dass die Gemeinde aus Sündern besteht.“

Als ich vor zwei Jahren an einer Freizeit in Norwegen teilnahm, saß ein Teilnehmer auf seinem Platz im Bus, die Arme vor sich verschränkt und sagte zu seiner Frau, als er so durch den Bus schaute (im schönen fränkischen Dialekt): „Do bin ich wu neigeroden!

Vielleicht denkt der eine oder andere auch manchmal, wenn er sich unsere Gemeinde so ansieht: „Do bin ich wu neigeroden!

Ich bin überzeugt, dass es kein Zufall ist, dass wir eine Gemeinde bilden. Gott denkt sich etwas dabei. Uns verbindet gar nicht, dass wir uns alle so sympathisch sind. Es könnte sein, dass neben dir einer sitzt, der dir voll auf die Nerven geht. Kann ich mich an den Gaben und Fähigkeiten des anderen freuen oder erzeugt das Neid in mir?

Wie wir vorhin im Psalm 16 gebetet haben: „Darum freue ich mich über alle, die zu dir gehören“. Ja! Das ist wichtig, dass wir uns über- und aneinander freuen.

Wir sind alle von Jesus geliebt und er hat uns errettet. Darum gehören wir zusammen!

Der auferstandene Christus ist in unserer Gemeinde genauso gegenwärtig wie damals in der Gemeinde der ersten Christen, von der berichtet wird, dass sie ein Herz und eine Seele waren.

Ganz konkret wird es auch bei unserem Thema Gemeindeerneuerung. Wir machen uns Gedanken, worauf wir uns konzentrieren sollen. Was braucht unsere Gemeinde, wo wollen wir hin und was muss man wohl aufgeben? Auch bei so einem großen Vorhaben, das mit Sicherheit Veränderungen bringen wird, kommt es auf die Einheit an. Auch wenn mir vielleicht eine Entscheidung nicht so passt, kann ich sie mittragen in dem Wissen, dass es nicht um mich geht, sondern um die Gemeinde Jesu. Dass es letztlich darum geht, Gottes Liebe hinauszutragen zu den Menschen. Dass es darum geht, zu bezeugen, dass Jesus uns wichtig ist, dass er auferstanden ist und lebt. Uns eint, dass wir alle von der Liebe Gottes leben.

 

II.
Gütergemeinschaft, Teilen mit Bedürftigen

Eine Zeile aus dem Lied „Zünde an dein Feuer“ bewegt mich: „Was ich bin und habe, soll dein eigen sein, in deine Hände schließe fest mich ein.“

Alles, was ich bin und habe, gehört Jesus. Ein großer Gedanke! Völlige Hingabe. Wie gehe ich damit um? Mein Besitz, mein Eigentum, hart erarbeitet, das gehört mir. Oder manche sind reich von Geburt an, brauchen sich nie Gedanken um Geld oder Absicherung machen. Da fällt es vielleicht leichter, etwas abzugeben.

Das in dem Text Geschilderte geschieht heute weniger. Es gab früher mehr Gemeinschaften, bei denen das gelebt wurde. Brüdergemeinden, Schwesternschaften. Sie gaben ihren Besitz für die Gemeinschaft und wurden versorgt. Dieses Modell wird seltener.

Es ist wichtig, dass sie zuteilten, wenn ein Bedürfnis gegeben war. Es gab keine gleichmäßige Verteilung. Es wurde jemandem geholfen, wenn es notwendig war. In einem Kommentar heißt es: „Es gab keinen generellen Verzicht auf persönlichen Besitz, sondern eine Liebe, die nicht zögerte, wenn jemand in Not war.“

Wie sehen die Nöte heute aus, wie können wir helfen?

Um jemanden zu helfen, muss ich zum einen etwas vom anderen wissen, zum anderen muss derjenige, der Hilfe braucht, das auch aussprechen. Da braucht es gegenseitiges Vertrauen. Ich muss Interesse am anderen haben, mich auch einfühlen können in seine Situation. So kann ich Hilfe anbieten.

Ich denke, dieser Grundsatz wird ganz gut in unserem KidsTreff praktiziert. Wir bieten Hausaufgabenbetreuung, Ferienangebote, Freizeiten an. Auch bei finanziellen Schwierigkeiten ist schon geholfen worden. Da wird die Liebe praktiziert.

Schauen wir auf Jesus. In der schlimmen Zeit seiner Verhaftung mit Verhören und Verspottung hat er Zeit, einen Blick auf Petrus zu werfen, der ihn gerade verleugnet hat. Und in der Qual am Kreuz hat er einen Blick für den Verbrecher neben ihm am Kreuz und kann ihn trösten.

Das möchte ich lernen, dass, wenn es mir nicht gut geht, ich noch einen Blick für meinen Nächsten habe. Vielleicht würde ich dann meine Sorgen anders tragen, wenn ich die Sorgen anderer auch sehe.

Oft ist es so, dass jeder mit sich selbst beschäftigt ist. Wir müssen uns von Jesus einen Blick für den Nächsten schenken lassen.

Wie mache ich es richtig? Einfach helfen, Aktionismus ist nicht der richtige Weg. Ich muss Gott fragen, was ist nötig, wo ist etwas nötig. Und das kleine Gebet: Schaffe mir doch Gelegenheit!

Und wie helfe ich richtig? Die Nöte ernst nehmen, bitte nicht von oben herab kluge Sprüche bringen. Das schreckt ab.

Lassen wir uns im Gebet die Liebe zu unseren Brüdern und Schwestern schenken.

Es geht auch darum, dass wir unsere Glaubenserfahrungen austauschen. Gute wie auch weniger gute Erfahrungen. Es geht auch darum, dass ich den anderen einmal frage, wie er sich bei seiner Aufgabe fühlt, die er in der Gemeinde übernommen hat.

Der Evangelist Ernst Krupka vergleicht die Gemeinschaft mit Erbsen: „Friedlich liegen die Erbsen im Teller beieinander, obwohl sie hart, kalt und rund sind. Schüttet man sie aber auf einen Tisch, so rollen sie eigenwillig nach allen Seiten auseinander. Um die Gemeinschaft der Heiligen ist es bisweilen ähnlich bestellt. Im Teller, das heißt im Gottesdienst, singen sie „Herz und Herz vereint zusammen“. Nach der Versammlung gehen sie aber oft lieblos, teilnahmslos, gleichgültig, zuweilen sogar mit argen Gedanken auseinander. Gleicht unsere Gemeinde auch einer Erbsengemeinschaft? Dann ist es traurig um unser geistliches Leben bestellt.“

 

III.
Die Moral von der Geschicht‘ – Von einem Leben, das dem Herrn völlig hingegeben ist, geht eine geheimnisvolle Kraft aus.

1.
Bei der Olympiade der Behinderten in den USA vor vielen Jahren bewegte die wenigen Zuschauer vor allem der 400-m-Endlauf der Männer: Acht Behinderte laufen los. Sie laufen nicht elegant, aber sie laufen, jeder mit einer anderen Behinderung. Das sieht nicht so schön aus, und mancher wendet sich erschrocken ab. Doch dann schauen wieder alle hin, als kurz vor dem Ziel der führende Läufer stürzt. Der zweite rennt nicht vorbei, um sich den Sieg zu sichern. Er läuft zu dem Gestürzten, richtet ihn mühsam auf, greift unter seine Arme, schleppt ihn mit sich und zu zweit humpeln und stolpern sie weiter. Da kommen die anderen auch schon heran, aber auch sie laufen nun nicht an den beiden vorbei, sondern auf sie zu. Alle greifen sich unter die Arme, nehmen den Gestürzten in ihre Mitte und laufen und schleppen sich gemeinsam ins Ziel.

Unsere Gemeinden sehen ähnlich aus. Vieles läuft nicht so elegant, mehr gebrochen, oft erbärmlich anzuschauen und eher kümmerlich. Aber der Glanz und die Schönheit unsrer Gemeinden liegt gar nicht in unserem Können, unsrer Eleganz und Kompetenz, unserer Superform und bestechender Cleverness, sondern darin, dass wir Gestürzte aufheben, Schwache tragen und einander helfen und lieben.

„In der Gemeinde Jesu kommt es nicht darauf an, dass einer der Beste und der strahlende Sieger ist, sondern dass alle gemeinsam das Ziel erreichen. Der eigentliche Glanz der Gemeinde ist ihre Liebe.“ (Autor mir unbekannt)

2.
Am Anfang sagte ich: Die Gemeinschaft der Gläubigen war ein Herz und eine Seele – nicht idyllisch, sondern, wie heute, reich an Zwistigkeiten und Konflikten, aber erfüllt von einer Liebe im christlichen Sinne: Die Gläubigen versuchten zusammen zu leben. Sie waren von der Einigkeit in Glaube, Hoffnung und Liebe erfüllt.
Wenn Herzen aus Liebe zu Jesus brennen, sind sie in einer innigen Beziehung zu ihm durch den heiligen Geist. Und die Herzen werden auch zur Liebe untereinander bewegt.

Es ist auch für jeden wichtig, dass er sich aufgehoben, angenommen fühlt in unserer Gemeinde. Dass jeder Unterstützung erhält, im geistlichen Sinn und auch ganz praktisch. Die Gemeinde ist wichtig, damit unser Glaube erhalten bleibt und wächst. Ein Ort, an dem ich sein kann, wie ich bin.

Wir sind uns bei aller Unterschiedlichkeit in einem einig: Gott und seine Botschaft sind uns wichtig!
Die Auferstehung Jesu ist das Entscheidende. Wenn das nicht wahr ist, ist unser Glaube nichts wert. Wir glauben daran, das eint uns. Das ist wichtig, das können wir bekennen.

3.
Was erwartet Gott von mir? Er möchte treue Leute haben! Treue zu Gott. Treu im Dienst, auch wenn es keiner merkt, oder der Erfolg nicht gleich sichtbar ist.

Bei mir persönlich geht es schon an mit der Treue im Gebet, beim Bibellesen, beim Gottesdienstbesuch, usw. Es kann oft ein Kampf sein zu beten, Zeit mit Gott zu verbringen, aufzustehen, um zum Gottesdienst zu gehen, oder sich zu überwinden, nach einem anstrengenden Tag noch zum Hauskreis zu gehen.

Die Treue im Kleinen hat auch Auswirkungen auf die Dienste in der Gemeinde. Da ist die Gefahr, dass alles nicht mehr aus Liebe zu Jesus gemacht wird, nicht mehr mit brennendem Herzen. Es muss halt gemacht werden, die Jungschar vorbereiten, die Andacht, der Jugendkreis, der Hauskreis, das Putzen, usw.

Pfarrer Johannes Busch sagt: „Unser Dienst fängt an mit der Treue im Kleinen, sonst fängt er überhaupt nicht an. Aus den unzähligen Bächlein dieser verborgenen Treue im Kleinen wird ein Strom des Segens.“

Treue im Kleinen, Treue im Dienst, aufeinander acht haben, Einheit leben. Mit großer Kraft die Auferstehung des Herrn Jesus bezeugen. Das hängt zusammen!

Unser Glaube an den Herrn Jesus, das, was wir für ihn tun, hat Auswirkungen auf die Menschen, hat Auswirkungen, wie wir als Gemeinde gesehen werden, wie wir als Gemeinde erlebt werden.

In Apostelgeschichte 2, 47 lesen wir über die erste Gemeinde: „Sie lobten Gott und waren im ganzen Volk geachtet und anerkannt. Die Gemeinde wuchs mit jedem Tag, weil der Herr viele Menschen rettete“.

Sie waren im ganzen Volk geachtet und anerkannt. Sie waren echt, sie lebten was sie glaubten. Das wünsche ich mir für unsere Kirchengemeinden, dass wir eine positive Wirkung nach außen haben.

„Wer euch hört, der hört mich“ lautet der Wochenspruch, den ich am Anfang gelesen habe. Ja, wir geben Zeugnis von Jesus ab in der Welt.

Ich wünsche mir, dass das mit großer Kraft geschieht.

Es kann von unserer Gemeinde eine Kraft ausgehen, von der andere angesprochen werden. Eine Gemeinde, in der man merkt, dass Jesus mitten drin ist.

Denn wenn wir untereinander eins sind, eben ein Herz und eine Seele, dann hat das Auswirkungen nach außen. Das ist es doch, was wir als Gemeinde wollen. Dass Menschen Jesus kennenlernen und einen lebendigen Glauben leben.