Jes 43,1-7 – Unsere Erlösung – Von Martin Brendel

1 Und nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! 2 Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, und wenn du durch Ströme gehst, sollen sie dich nicht ersäufen. Wenn du ins Feuer gehst, wirst du nicht brennen, und die Flamme wird dich nicht versengen. 3 Denn ich bin der HERR, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland. Ich gebe Ägypten für dich als Lösegeld, Kusch und Seba an deiner statt. 4 Weil du teuer bist in meinen Augen und herrlich und weil ich dich liebhabe, gebe ich Menschen an deiner statt und Völker für dein Leben. 5 So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir. Ich will vom Osten deine Kinder bringen und dich vom Westen her sammeln, 6 ich will sagen zum Norden: Gib her!, und zum Süden: Halte nicht zurück! Bring her meine Söhne von ferne und meine Töchter vom Ende der Erde, 7 alle, die mit meinem Namen genannt sind, die ich zu meiner Ehre geschaffen und zubereitet und gemacht habe. (Jes 43,1-7)

 

Der erste Vers ist sehr bekannt, er ist gleichzeitig der Wochenspruch. Er wird oft für Taufen genommen. Auch ich habe ihn für mein Patenkind ausgesucht.

Die ersten beiden Verse sind vielen bekannt, ab dem dritten klingt es etwas fremd. Damit werden wir uns auch kurz befassen.

Das Hauptaugenmerk soll auf den ersten beiden Versen liegen. „Ich habe dich geschaffen!“ – Das gilt zunächst dem Volk Gottes. „Ich habe dich geschaffen, Jakob, und dich gebildet, Israel!“ (Vers 1)

Bibelkenner denken bei diesem Satz an die uralte Geschichte vom Kampf Jakobs am Jabbok (1. Mose 32,23-33). Eine Nacht lang ringt Jakob mit einem Unbekannten, von dem sich am Ende herausstellt, dass Gott selbst dieser Kämpfer ist. Weil der ihn auch bis zum Morgengrauen nicht überwinden kann, bittet er Jakob, von ihm abzulassen. Doch Jakob antwortet: „Ich lasse dich erst los, wenn du mich segnest!“ Daraufhin fragt der Unbekannte Jakob nach seinem Namen, und als er diesen Namen erfährt, sagt er: „Du sollst nicht mehr Jakob heißen, sondern Israel; denn du hast mit Gott und mit Menschen gekämpft und hast gewonnen.“ Israel, dieser neue Name, den Jakob bekommt und der zum Namen für ein ganzes Volk wird, dieser Name bedeutet „Gott streitet (für uns)“ oder „Gott möge (für uns) streiten“. Wenn Jesaja hier an diese Geschichte und an die Bedeutung dieses Namens „Israel“ erinnert, dann sagt er damit, dass dem auserwählten Volk Gottes auch nach vielen Jahren immer noch die besondere Aufmerksamkeit und Fürsorge Gottes gilt.

 

I.
Erlösung Teil 1:

Warum musste Gott sein Volk erlösen, das er erschaffen hat? Das Volk war nicht mehr frei.

Im dritten Vers fallen fremdartige Namen wie Kusch und Seba. Was meint der Prophet damit?

Ich gehe daher kurz auf die Situation ein, in der der Prophet aus dem Jesajabuch diese Worte im Namen Gottes spricht.

Das jüdische Volk war längst aus seiner Heimat vertrieben und lebte im babylonischen Exil. Schlimme Kriegszeiten, Deportationen, große Armut und Hungersnöte hatte es durchgemacht. Nun hatte es sich in der Fremde materiell einigermaßen eingerichtet. Zu mindestens das stimmte. Aber was gar nicht stimmte, war der Glaube an Jahwe, Israels Gott. Der bröckelte ganz gewaltig. Das ist ja auch irgendwie verständlich. Mitten in der Fremde als Minderheit seinen eigenen Glauben aufrecht zu erhalten, ist einfach schwierig. Der Glaube an Jahwe, den lebendigen Herrn und Gott, drohte unterzugehen. Damit drohte auch, dass die Menschen die eigene Herkunft und Identität verlieren. Genau dahinein sagt der Prophet: Das darf nicht passieren! Und das wird auch nicht passieren! Ihr werdet wieder gesammelt werden und ein Volk sein.

Das Volk kann ins Land zurückkehren. Die Verse 5-7 beschreiben diese Wiederherstellung.

Die Kapitel 40-55 werden das Trostbuch von der Erlösung Israels genannt.

Gott zahlt „Ägypten, Kusch und Seba“ als Lösegeld für Israel, aber nicht an den bisherigen, sondern an den künftigen Besitzer, an Kyros, den Eroberer Babylons.

Ich gebe Menschen“ – besser heißt es „ich gebe Länder“. Laut Erklärung ist es im Hebräischen der gleiche Wortstamm. Es geht nicht um Menschenopfer.

Am Untergang von Babylon und dem Aufstieg des Perserkönigs Kyros sollte Israel sehen, wie Gott am Werk ist. Er lenkt die persische Reichspolitik so, dass Israel frei werden wird.

Die erste Erlösung ist also die aus der babylonischen Gefangenschaft. Der Grund der Wende ist: Gott hat Israel die Schuld vergeben.

 

II.
Erlösung Teil 2:

Die Erlösung in Hinsicht auf Tilgung der Schuld. Drei Stellen aus dem Trostbuch:

Jesaja 41,14: Fürchte dich nicht, du Würmlein Jakob, du armer Haufe Israel. Ich helfe dir, spricht der HERR, und dein Erlöser ist der Heilige Israels.

Jesaja 43,25: Ich, ich tilge deine Übertretungen um meinetwillen und gedenke deiner Sünden nicht.

Jesaja 44, 22: Ich tilge deine Missetat wie eine Wolke und deine Sünden wie den Nebel. Kehre dich zu mir, denn ich erlöse dich!

Welch tolle Bilder hier verwendet werden! Das, was zwischen Gott und Israel steht, löst sich auf, wie Wolken, wie der Nebel.

Auf unserer Norwegenrundreise hatten wir ein tolles Erlebnis. Wir waren an einem Aussichtspunkt, von dem man eine wunderbare Sicht auf einen Fjord hatte. Leider war es total neblig und wir sahen nichts. Ein paar Minuten später hat sich der Nebel aufgelöst und wir hatten eine tolle Sicht! Der Nebel war einfach weg. So nimmt Gott weg, was zwischen uns und ihm steht, wir können nichts dazu tun. Er nimmt es weg.

Er tut es um seinetwillen. Sein Wille ändert sich. Wir lesen in Jes 43,24, dass das Volk Israel Gott Mühe gemacht hat mit seinen Sünden, mit seinem Abfall von Gott. Das Wegschaffen unserer Sünde belastet Gott, es macht ihm Mühe. Er ist gnädig. Das 43. Kapitel ist überschrieben mit Israels Rettung aus Gnade.

Wir können und dürfen den Text auch auf uns persönlich anwenden. Diese Zusage aus Vers 1: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!

Gott hat auch uns geschaffen, er kennt uns beim Namen und er ruft uns. Uns geht es wie dem Volk Israel. Auch uns muss er erlösen. Zum einen sind wir nicht frei, zum anderen sind wir getrennt von ihm durch die Sünde.

Wir sind gefangen in so vielem, z.B. darin, anderen zu gefallen; oder wir sind gefangen in unseren verschiedenen Rollen in unserem Leben; oder wir sind gefangen in den Aufgaben, die zu erledigen sind; oder wir sind gefangen im Freizeitstress, was mach ich mit meiner freien Zeit? Usw., usw. Mit diesen ganzen Dingen werden wir unser Leben lang zu kämpfen haben. Gott ist aber dabei! Er hilft uns und kann uns auch aus manchem befreien.

Das Wichtigste ist jedoch die Erlösung von der Sünde. Auch wir machen Gott Mühe und es hat ihm Mühe gekostet, uns zu erlösen. Er schickte seinen Sohn in diese Welt. Wir lesen in Matthäus 20,28: So wie der Menschensohn nicht gekommen ist, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben als Lösegeld für viele.

Wir kennen es aus den Krimis. Wird jemand entführt, fordern die Entführer Lösegeld. Wird das gezahlt, kommt der Entführte frei. Es findet ein Austausch statt.

Manchmal ist das Lösegeld auch ein anderer Mensch! Es findet ein Geiselaustausch statt. So wir 2018 in Südfrankreich bei einem Überfall auf einen Supermarkt. Ein Terrorist erschoss auf dem Weg dorthin schon Menschen und nahm in dem Supermarkt eine Frau als Geisel. Ein Polizist ließ sich gegen diese Frau austauschen. Er wurde später ebenfalls von dem Terroristen getötet. Er wurde und wird in Frankreich als Held gefeiert. Wie mag sich die Frau gefühlt haben? Wenn der Polizist nicht so gehandelt hätte, wäre sie von dem Terroristen erschossen worden. Sie wird ihm wohl unendlich dankbar sein. Sie darf leben, weil der Polizist ihre Notlage übernommen hat.

Barrabas wurde für Jesus frei gelassen. Wie mag er sich gefühlt haben? Er hatte den sicheren Tod vor Augen. Dann auf einmal ruft das Volk seinen Namen, er soll freikommen.

Erlöst vom Tod!

Wir brauchen den Tod nicht mehr zu fürchten, wir sind dann am Ziel, weil der Tod nicht das Ende ist.

Wir sind ihm so viel wert! Ich gehöre Gott, mitsamt meinen Problemen und Nöten! Er hat alles getan! Er spricht mir zu: Ich habe dich erlöst, du bist mein.

Bin ich mir dieser Tatsache bewusst? Oder denke ich, dass ich etwas dazu beitragen muss? Was ist mein Anteil an meiner Erlösung? Habe ich genug getan? Habe ich auch nichts vergessen? Habe ich zu vieles falsch gemacht?

Prof. Hans-Joachim Eckstein erzählte in einem Vortrag von seinen Erfahrungen mit Studenten. Gerade die besten Studenten waren vor einer Prüfung sehr aufgeregt und verunsichert. Warum? Weil sie befürchteten, nicht genug gemacht, nicht genug gelernt zu haben. So denken viele Christen, die perfekt sein wollen auch. Hoffentlich habe ich genug getan. Oder habe ich es schon so oft gehört, dass ich es vielleicht für selbstverständlich ansehe, gar nicht mehr dankbar dafür bin?

Man wird nie sagen können, man habe nun genug geliebt, genug gebetet, genug vergeben, genug geglaubt, genug gegeben. Was aber folgt daraus? Müssen wir bis zuletzt zittern und verzagen? Erfahren wir erst im Himmel, ob Gott uns wohlgesonnen ist?

Es gibt keinen eigenen Anteil an meiner Erlösung.

Zwei Beispiele aus der Tierwelt können uns helfen. Ich bin im Internet auf der Seite evangelischer Glaube darauf gestoßen.

Wenn eine Affenmutter eine Gefahr wahrnimmt und mit ihrem Jungen auf den Baum fliehen will – wie trägt sie dann ihr Kind? Die Affenmutter trägt ihr Kind am Bauch. Das Kind krallt sich mit Händen und Füßen in das Fell der Mutter fest. Die Mutter aber hat Arme und Beine frei, um in die Bäume zu steigen.

Katzen dagegen tragen ihre Jungen anders. Wenn in der Umgebung der Katzen eine Gefahr auftaucht und die Katzenmutter ihr Junges in Sicherheit bringen muss, packt sie es mit den Zähnen im Genick. Das Katzenjunge macht sich dann steif und tut gar nichts, die Mutter aber hat das Nackenfell fest im Maul und kann das Kleine davontragen.

Ob das Affenjunge gerettet wird, hängt zu 99% von der Schnelligkeit der Mutter ab. Es hängt aber wenigstens zu 1% auch davon ab, ob sich das Junge fest genug in das Fell der Mutter krallt. Indem es sich festhält, muss das Affenjunge einen Beitrag zu seiner Rettung leisten, denn wenn es nicht zupackt, fällt es herunter. So ähnlich sehen sich manche Christen. Sie meinen, sie müssten sich unermüdlich um persönliche Verdienste bemühen, weil sie anderenfalls das Wohlwollen Gottes verspielten und verlören. Ihre Rettung erscheint ihnen bis ans Ende ungewiss, weil sie nie wissen, ob sie „genug“ getan haben.

In Wahrheit gleichen Christen den Katzenkindern. Und ob ein Katzenjunges gerettet wird, hängt in keiner Weise von ihm selbst ab. Es tut nichts zu seiner Rettung und kann insofern auch nichts falsch machen. Es wird am Nackenfell aus der Gefahrenzone herausgetragen und könnte nur dann herunterfallen, wenn die Katzenmutter ihren Biss lockerte. Hier hängt alles zu 100% von der Mutter ab. Und ebenso hängt für den Christen alles zu 100% von Gott ab. Er kann und muss zu seiner Rettung keinen Beitrag leisten, sondern wird von Gottes Gnade getragen. Und gerade das macht ihm die Rettung gewiss.

Paulus drückt es im Brief an die Römer so aus: Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollen, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist (Rö 3,23f).

 

III.
Noch ein Blick auf Vers 2 des heutigen Textes: Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, und wenn du durch Ströme gehst, sollen sie dich nicht ersäufen. Wenn du ins Feuer gehst, wirst du nicht brennen, und die Flamme wird dich nicht versengen.

Was für ein Gott, was für Zusagen! Er ist Herr über die Naturelemente!

Denken wir an die Teilung des Meeres in 2 Mo 14: Als nun Mose seine Hand über das Meer reckte, ließ es der HERR zurückweichen durch einen starken Ostwind die ganze Nacht und machte das Meer trocken, und die Wasser teilten sich.

Denken wir an Daniel und seine Freunde im Feuerofen. Sie wurden bewahrt. Ein Wunder.

Auch in kleineren Dingen kann man es erfahren. Gott ist Herr über die Natur. Ich erinnere mich an ein Ereignis bei meiner Konfirmandenfreizeit. Es war nachmittags eine Aktion draußen geplant. Es regnete den ganzen Tag wie aus Kübeln. Nach dem Mittagessen betete der Pfarrer ein Dankgebet und bat darum, dass der Regen aufhöre und wir raus könnten. Mit einem Mal hörte der Regen auf. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Alle Teilnehmer staunten und lachten und freuten sich.

Der Vers Jes 43,2 macht deutlich, dass wir in schwierige und schlimme Situationen kommen können. Gott ist aber dabei und will uns bewahren. Wir können nur auf seine Zusagen und Verheißungen vertrauen. Das wird mir in letzter Zeit immer bewusster, dass es nicht nur um großartige Erfahrungen geht, sondern vielmehr darum, dass ich den Verheißungen Gottes vertrauen lerne.

Jeder hat bestimmt schon dieses Durchtragen in schwierigen Situationen erlebt.

Auch im Blick auf die kommende Zeit ist uns das ein Trost. Auf Bayern 2 habe ich einen Beitrag gehört. Da sagte ein Theologe, dass die Corona Krise nur eine Übung für kommende Krisen ist. Es werden weitere kommen. In der Bibel ist von Wehen die Rede, die kommen werden.

Bei diesem Vers Jes 43,2 ist ein Querverweis in meiner Bibel angegeben. Es heißt in Hiob 5,19: In sechs Nöten wird er dich retten und in sieben wird dich nichts Böses antasten. Sieben stellt den Höhepunkt einer Beispielkette dar und macht deutlich: Wenn die Not am größten ist, ist auch Gottes Hilfe am nächsten.

Gott wird uns durchtragen. Er kann uns auch von diesen Ängsten und Unsicherheiten befreien, erlösen. Wer als Christ lebt, hat die Zuversicht, dass diese Welt nicht alles ist, das es weitergeht. Das unser Leben weitergeht in Gottes neuer Welt.

So brauchen wir uns in zweierlei Hinsicht nicht zu fürchten.

Wir haben zum einen die Zusage Gottes, dass er immer bei uns ist, auch wenn es nicht so aussieht und wir es vielleicht nicht spüren.

Und wir brauchen uns zum anderen nicht zu fürchten, nicht erlöst zu sein. Wir sind es, ohne unser Zutun.

Lassen wir uns von Gott packen und tragen. Bis zum Ziel. Amen!