Markus 6,30-43 – Aus guten Gründen ohne Themenfestlegung – Von Thomas Pichel

A.
Einleitung zu Erntedank: Was haben wir in diesem Jahr alles bekommen, was „geerntet“?

An Lebensmitteln. Sagen wir Gott Danke dafür!

An Worten der Wertschätzung, an Freundschaftserfahrungen, an Liebe, an Hilfe… Sagen wir Gott Danke dafür!

An Bibeltexten, an Bibelworten, an Gottesworten, an Glaubenserkenntnissen, an Erfahrungen mit Gott, an Glaubensnahrung. Sagen wir Gott Danke dafür!

 

B.

 30 Und die Apostel kamen bei Jesus zusammen und verkündeten ihm alles, was sie getan und gelehrt hatten. 31 Und er sprach zu ihnen: Geht ihr allein an eine einsame Stätte und ruht ein wenig. Denn es waren viele, die kamen und gingen, und sie hatten nicht Zeit genug zum Essen. 32 Und sie fuhren in einem Boot an eine einsame Stätte für sich allein. 33 Und man sah sie wegfahren, und viele merkten es und liefen aus allen Städten zu Fuß dorthin zusammen und kamen ihnen zuvor. 34 Und Jesus stieg aus und sah die große Menge; und sie jammerten ihn, denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben. Und er fing eine lange Predigt an. 35 Als nun der Tag fast vorüber war, traten seine Jünger zu ihm und sprachen: Es ist öde hier und der Tag ist fast vorüber; 36 lass sie gehen, damit sie in die Höfe und Dörfer ringsum gehen und sich Brot kaufen. 37 Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Gebt ihr ihnen zu essen! Und sie sprachen zu ihm: Sollen wir denn hingehen und für zweihundert Silbergroschen Brot kaufen und ihnen zu essen geben? 38 Er aber sprach zu ihnen: Wie viel Brote habt ihr? Geht hin und seht! Und als sie es erkundet hatten, sprachen sie: Fünf und zwei Fische. 39 Und er gebot ihnen, dass sie sich alle lagerten, tischweise, auf das grüne Gras. 40 Und sie setzten sich, in Gruppen zu hundert und zu fünfzig.41 Und er nahm die fünf Brote und zwei Fische und sah auf zum Himmel, dankte und brach die Brote und gab sie den Jüngern, damit sie unter ihnen austeilten, und die zwei Fische teilte er unter sie alle. 42 Und sie aßen alle und wurden satt. 43 Und sie sammelten die Brocken auf, zwölf Körbe voll, und von den Fischen. 44 Und die die Brote gegessen hatten, waren fünftausend Mann.

 

Eine Vorbemerkung:

Die Nicht-Überschrift ist kein Gag. Ich habe nichts gegen Themen-Gottesdienste oder Themen-Überschriften für Bibeltexte. Aber ich glaube, dass jedes Thema auch eine Brille für einen Bibeltext bedeutet. Ich sehe dann diesen Bibeltext mit einer bestimmten Brille. Mit dieser bestimmten Brille sehe ich manches sehr gut, aber manches vielleicht auch gar nicht.

Der obige Predigttext soll anlässlich von Erntedank ein Feld sein, das wir ernten dürfen. Es ist eine reiche Ernte. Meine Predigt ist selbstverständlich nur eine Teilernte. Ich lasse aus Zeitgründen z.B. den Punkt aus, dass dieser Text eine jüdische Erzählung ist. Es wimmelt von Anspielungen auf die Geschichte Israels und Texte aus dem sog. Alten Testament.

 

I.
Eine Geschichte über uns Menschen und unser Leben

1.
Da ist das Thema Stress: Stress in der Arbeit, zuhause, in der Mitarbeit in der Gemeinde.

Es heißt im Text: Die Jünger „hatten nicht Zeit genug zum Essen“.
Die Arbeit frisst die Jünger auf. Nachfolge und Mitarbeit bedeuten Stress.

Jesus, aber auch seine Jünger erleben eine Zeit höchster Beanspruchung. Jeder will etwas. Sie sind pausenlos mit Anfragen und Erwartungen konfrontiert.

Es ist eine sehr gespaltene Zeit. Einerseits haben die Jünger Erfolg. (Sie verkündeten ihm alles, was sie getan und gelehrt hatten). Andererseits eine Zeit des Fragens und der Trauer. Sie müssen den Mord an Jesus den Täufer verkraften und verarbeiten (siehe Mk 6,14-29).

Aber wir sehen: Jesus, der selbst immer wieder in solchen Zeiten das Alleinsein, die Ruhe, die Erholung und das Gebet sucht, spürt hier, dass seine Leute dringend eine Pause brauchen. Seine Fürsorge gilt seinen Männern.

2.
Da ist das Thema Hunger.

Es geht um den körperlichen Hunger von Menschen. Es wäre gut, wenn die Leute etwas essen könnten, bevor sie sich auf den Heimweg machen.

Es geht um den Hunger in einem übertragenen Sinn, um den Hunger des inneren Menschen, um den Hunger unsere Seele.

So unterschiedlich der leibliche Hunger und der Hunger unserer Seele auch sind, so gleich können wir die beiden Hungergefühle beschreiben. Ich leihe mir die Definition von Patrick Todjeras: Hunger ist dieses zehrende Gefühl, das nicht eher Ruhe gibt, bis es gestillt ist.“

Viele, viel zu viele Menschen leiden an körperlichen Hunger! Da wäre es nicht nur gut, sondern da ist es lebensnotwendig, dass sie etwas zu essen bekommen.

Viele, viel zu viele leiden am Hunger der Seele!

Todjeras schreibt: Hunger nach Nähe. Hunger nach Anerkennung. Hunger nach Sinn. Hunger nach Befreiung. Hunger nach dem Ende der Tränen. Hunger nach einem Wort unter den vielen Worten. Ein Wort, das uns satt machen kann in dem vielen, was uns auszehrt“.

 Ich verdanke einige Gedanken meiner Predigt Patrick Todjeras. Gefunden bei Patrick Todjeras, greifbar, Predigt über Mk 6,30-43, Thema: Außenorientierung, zuletzt aufgesucht am 24.9.2020. Ich verdanke viele Gedanken Herrn Todjeras.

 

II.
Eine Geschichte über Jesus und Gott

Wir entdecken in dieser Geschichte Jesus. Wir entdecken in dieser Geschichte Gott. Wir erfahren Entscheidendes über ihn.

1.
Jesus kann Wunder. Er tut Wunder.

Wie es Jesus getan hat, das wird nicht erzählt, das bleibt unanschaulich und unvorstellbar. Aber es wird als Ereignis erzählt. Für uns heißt das ganz realistisch: Wir dürfen mit Wundern rechnen.

2.
Jesus ist unser Lehrer. Es heißt wörtlich: Er begann, sie ausgiebig zu lehren.

a.
Lehre – das ist das, was ich nicht wissen kann, aber wissen muss.
Lehre – das ist das, was ich glauben darf und wie ich leben darf.

b.
Jesus weiß etwas von uns, weiß etwas über uns, was wir vielleicht selbst gar nicht wissen.

Hier sagt Jesus, dass wir Menschen Schafe sind, dass wir wie „Schafe ohne Hirten“ sein können. D.h. auf uns allein gestellt, mit uns allein; bedroht, in Gefahr; ohne Gottes Versorgung; ohne Gottes Schutz; ohne Gottes Richtungshinweise.

Themenanzeige:
Gute und richtige Lehre versorgt, schützt, führt und leitet. Schlechte bzw. falsche Lehre lässt verhungern bzw. gibt Mangelnahrung oder Gift; gefährdet, nimmt Schutz; führt in die Irre.

3.
Jesus ist der, den es jammert, der für uns Barmherzigkeit empfindet.

Jesus empfindet die Menschen nicht als Störenfriede. Ihre Situation und ihre Erwartung bewegen ihn sehr. Luther übersetzt die Reaktion Jesu mit dem Ausdruck es jammerte ihn. Wörtlich heißt dieser Ausdruck: Es dreht ihm die Eingeweide um. Seine Zuwendung kommt also aus dem Bauch heraus. Wir würden heute sagen: Es geht ihm unter die Haut. Es geht ihm an die Nieren. Es dreht ihm das Herz im Leib herum.“ (Patrick Todjeras)

Jesus schaut jeden von uns mit dem Blick dieser Barmherzigkeit an.

Und wir sehen die Weite dieser Barmherzigkeit. Jesus sorgt für Leib und Seele. Es gibt bei ihm keine Alternative zwischen den Bedürfnissen unseres Körpers, unserem Bedürfnis nach Ruhe und Regeneration und dem Bedürfnis nach Glaubensnahrung.

 
Themenanzeige: Was ist mit dem Zorn Gottes?
Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen Gottes Eigenschaften und Gottes Zorn. Gott ist barmherzig, gütig, gnädig. Gottes Zorn ist etwas Momentanes. Es ist ein Verhalten zu etwas, was seinem Wesen widerspricht, wo etwas der Barmherzigkeit, der Güte, der Wahrheit, der Treue, der Liebe, der Gerechtigkeit widerspricht.

 

III.
Eine ermutigende und verheißungsvolle Geschichte für MitarbeiterInnen

Jesus macht aus 5 Broten und 2 Fischen, dass alle satt werden.
Jesus hätte die Leute auch ohne die 5 Brote und 2 Fische satt machen können.
Er hätte das Essen aus nichts machen können. Er tut es nicht.
Er hätte aus Steinen Brot machen können. Er tut es nicht.
Er hätte einen himmlischen oder irdischen Lieferservice einsetzen können. Er tut es nicht.

Er macht es mit dem, was die Jünger haben. Was die Jünger haben, ist viel zu wenig. Es ist ein Tropfen auf dem heißen Stein. Es ist ein Mangel. Es ist tatsächlich zu wenig.

Jesus fordert die Jünger auf: Gebt es mir! Gebt mir, was da ist! Gebt mir, was ihr habt! Legt es in meine Hände! Empfangt es wieder!

Darin stecken 3 Ermutigungen für uns!

(1)
Das ist eine Verheißung für jede Gemeinde, für die Kirche!

„Die Zukunft der Kirche, der Anfang allen Dienstes beginnt nicht im Warten auf größere Gaben, größere Fähigkeiten, nicht im Warten, das sich die Umstände verändern, sondern in der Hingabe des Vorhandenen an Jesus.“ (Patrick Todjeras)

Wir müssen nicht auf die große, übergroße, viel zu große Aufgabe starren, vor der wir stehen! Wir für uns sind überfordert!
Wir müssen nicht auf unsere Mängel, Unmöglichkeiten und leeren Hände starren!
Wir dürfen uns auf Jesus konzentrieren und mit ihm rechnen!

Jesus sagt auch zu uns: Legt das, was ihr habt, das Wenige, das Nichtausreichende, das viel zu Wenige in meine Hände.

Vertraut mir Eure Fakten an: Wir sind so wenige! Wir sind so alt! Wir haben keine Vollmacht! Wir haben keinen Einfluss! Wir haben kein Charisma! Wir haben kein Geld! Wir wissen nicht, wie wir die Menschen ansprechen sollen!

Machen wir das, was die Jünger getan haben! Sie legen ihre bescheidenen Eigenmittel in die Hände Jesu. Jesus gibt es ihnen zurück. Die Jünger geben es ein zweites Mal her. Diesmal den Menschen. Und sie erleben das Wunder, dass es andere satt macht.

(2)
Das ist eine Verheißung und eine neue Sicht für jeden von uns.

Wir dürfen uns „im Dankeschön Jesu sehen“ lernen. „Wer sich im Dankeschön Jesu sehen lernt, der kann nicht mehr gering von sich denken. Das Dankeschön, mit dem Jesus uns sieht, das er seinem Vater zuruft, ist wie eine Brille, mit der wir uns und unsere Gaben sehen lernen“.

„Das ist das Geheimnis der Berufung in den Dienst Jesu“ (Patrick Todjeras). Jesus dankt dem Vater für uns, für unsere bescheidenen Gaben, für unseren Einsatz, für die Zeit, die Dienste, die wir ihm schenken, die wir anvertrauen…

(3)
Es gibt eine weitere Verheißung. Wir gehen nicht leer aus. Für die 12 Jünger bleiben 12 Körbe voll übrig. Für jeden Jünger ein Korb. Schon essensfertig zubereitet!

Diese Körbe stehen gegen unsere Angst, dass wir durch die Mitarbeit in der Gemeinde zu kurz kommen… Wir dürfen gewiss sein. Wir bekommen unseren gut gefüllten Korb! Wir werden satt!

 

IV.
Eine herausfordernde und anspruchsvolle Geschichte für MitarbeiterInnen

(1)
Die Einöde unserer Zeit (Es heißt im Text: Der Tag ist fast vorüber. Es ist öde hier)

Wir Christen sind eine Minderheit in Deutschland. Für die meisten in unserem Land ist ein Leben ohne Gott selbstverständlich geworden. Sie verschwenden an Gott keinen Gedanken mehr. Glaube ist eine „terra incognita“, ein unbekanntes Land. Sie leben eine große Gleichgültigkeit oder eine große Scheu oder eine Ablehnung, die sich allergisch oder aggressiv gebärden kann. Viele fürchten Bevormundung, Vorschriften, den Verlust der Freiheit.

(2)
Jesus sagt: Gebt ihr ihnen zu essen!

Jesus sagt den Jüngern und damit uns: Ich sehe, dass ihr den Hunger der Menschen wahrnehmt. Aber ihr müsst euch dem Hunger auch stellen. Ihr dürft die Lösung des Problems nicht auf die abschieben, die hungern.

Jesus lässt es nicht zu, dass wir die Not der anderen nicht zu unserer Not machen!

Jesus sagt zu jedem von uns: Geh hin! Du bist verantwortlich. Du bist so satt, so gesegnet, so reich… Mach! Die Not der anderen ist Deine Not. Die Not der anderen ist Deine Aufgabe!

Wir sind als Kirche nicht nur für uns da, sondern für andere. Wir sind Kirche, indem wir für andere da sind. Die anderen sind uns nie gleichgültig. Wir müssen konsequent fragen: Was sollen wir den anderen geben?

Die Frage an uns lautet: Wollen wir das? 

Die Frage an uns lautet: Wollen wir Handlanger Jesu sein?

Die Frage an uns lautet: Wollen wir Handlanger Jesu sein?
Auf der Ebene des körperlichen Hungers. – Spenden wir Geld und Lebensmittel.
Auf der Ebene des seelischen Hungers. – Spenden wir Freundschaften, Wertschätzung, der Liebe.
Auf der Ebene des Glaubens. – Spenden wir unser Bibelwissen, unsere Gotteserkenntnisse, unsere Erfahrungen mit Jesus.

(3)
Jesus zerbricht die Brote. Bevor die Brote vermehrt werden, bevor sie satt machen, werden sie zerbrochen. Darin besteht die zweite Herausforderung für uns!

 Bevor wir fruchtbar für andere werden, zerbricht Gott. Was heißt das?

Vielleicht unser Minderwertigkeitsgefühl, wo wir sagen: Ich bin nichts. Ich kann nichts. Ich bringe es nicht. Du darfst entdecken, dass Du anderes etwas geben kannst.
Vielleicht unseren Stolz: Schaut her, was ich alles kann!
Vielleicht unsere Selbstgenügsamkeit. Dass es uns z.B. immer nur darum geht, dass wir erbaut werden.
Vielleicht unsere Begabungen durch die Erfahrung von Ohnmacht und Misserfolg.
Vielleicht unsere Phantasien von moralischer Überlegenheit, von Größe und Erfolg, von Reinheit, von Heiligkeit.
Vielleicht unsere Träume von unserer so besonderen Gemeinde.

 

C.
Meine Hoffnung ist, dass diese Geschichte uns verwandelt!

In der Geschichte werden ja 5 Brote und die 2 Fische verwandelt.

Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass auch die Jünger verändert worden sind. Meine Hoffnung ist, dass diese alte, bekannte Geschichte uns in unserer Situation verändert

Wir haben wenig. Aber es gibt die Hände Jesu! Das kann uns verändern.
Wir haben viel zu wenig. Aber es gibt die Hände Jesu! Das kann uns verändern.
Wir sind wenige. Aber wir haben Jesus! Das kann uns verändern.

Wir sind Jesu Handlanger. Wir sind Jesu Helfershelfer!