Was feiern wir an Pfingsten? Welchen Geist feiern wir da? – Von Thomas Pichel

A.
Wir haben heute etwas zu feiern.

Wir feiern die Ausgießung des Heiligen Geistes. Wir feiern, dass durch den Heiligen Geist der Glaube an Gott möglich ist. Wir feiern den Heiligen Geist.

Wir feiern, dass die Ankündigung Jesu eingetroffen ist. Jesus hatte seinen Jüngern in Apg 1,8 versprochen: Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.

Wir hören dazu Apg 2,1-13. 1 Als nun die Zeit erfüllt und der Tag des Pfingstfestes gekommen war, waren sie alle beisammen an einem Ort. 2 Da entstand auf einmal vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen; 3 und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich zerteilten, und auf jeden von ihnen ließ eine sich nieder. 4 Und sie wurden alle erfüllt von heiligem Geist und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie der Geist es ihnen eingab.5 In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. 6 Als nun jenes Tosen entstand, strömte die Menge zusammen, und sie waren verstört, denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden. 7 Sie waren fassungslos und sagten völlig verwundert: Sind das nicht alles Galiläer, die da reden? 8 Wie kommt es, dass jeder von uns sie in seiner Muttersprache hört? 9 Parther und Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, von Judäa und Kappadokien, von Pontus und der Provinz Asia, 10 von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem kyrenischen Libyen, und in der Stadt weilende Römer, 11 Juden und Proselyten, Kreter und Araber – wir alle hören sie in unseren Sprachen von den großen Taten Gottes reden. 12 Sie waren fassungslos, und ratlos fragte einer den andern: Was soll das bedeuten? 13 Andere aber spotteten und sagten: Die sind voll süßen Weins.

 

B.

Die Predigt geht über das Thema: Der Heilige Geist im Alten Testament. Ich verdanke sie Siegfried Zimmer.

Für mich ist dieses Thema eine Entdeckung. Ich habe diesen Zusammenhang gewusst, aber nicht richtig gesehen. Wir können den Heiligen Geist nur verstehen, wenn wir begreifen, was das Alte Testament über ihn sagt, was Israel im Laufe seiner Geschichte über den Geist Gottes gelernt hat. Mich haben diese Entdeckungen froh gemacht! Deshalb sage ich jetzt: Frohe Pfingsten. Der Geist ist ausgegossen. Er ist wahrhaftig ausgegossen.


I.
Wie heißt das hebräische Wort für Geist und was bedeutet es?

Das Wort für Geist heißt Ruach.
Es kommt knapp 390x im AT vor.
Ca. 140x wird es auf Gott bezogen.
Ca. 110x auf den Menschen.
Ein paar wenige Male auf Tiere.
Und über 100x auf bestimmte Naturphänomene.

Das Wort Ruach kann man nicht eins zu eins ins Deutsche übersetzen. Ruach hat drei Grund-Bedeutungen:
1. Atem;
2. Wind (alle Formen von Wind, von der Brise bis zum Sturm),
3. Lebensenergie, Lebenskraft.

Ruach wird aber auch völlig zu Recht mit Geist übersetzt.

Für den Hebräer sind Atem und Wind vom Lebensgefühl das Gleiche. Der Atem wird als kleiner Wind verstanden, der Wind als großer Atem. Beides wird als Luft in Bewegung oder als bewegte Luft aufgefasst.

Wir lernen aus diesem Vergleich zwei Dinge über den Heiligen Geist.

Es ist so wie bei der Luft. Wir können sie nicht abschaffen. Sie ist nicht greifbar für uns. Sie ist überall da. So ist es beim Heiligen Geist. Wir können ihn nicht abschaffen. Aber er ist unverfügbar. Wir sind der Luft und des Windes nicht mächtig. Wir sind auch des Heiligen Geistes nicht mächtig.

Die drei stärksten Bedürfnisse des Menschen sind erstens das Atmen, zweitens Essen und Trinken und drittens das Schlafen. Wenn der Heilige Geist mit Atem verglichen wird, heißt das für uns: Der Geist Gottes ist so wichtig wie Atemluft. Gott ist so wichtig wie Atemluft.


II.
Der Geist Gottes kommt im Alten Testament  beim Thema Schöpfung vor.

Es heißt in 1 Mose 1,2: Und die Erde war Wüste und Leere. Und Finsternis lag auf den Chaoswassern, und die Ruach Gottes (der Geist Gottes) bewegte sich über dem Wasser. Da sprach Gott: Es werde Licht.

In Ps 33,6 heißt es: Durch das Wort des Herrn sind die Himmel gemacht und durch die Ruach seines Mundes (durch den Hauch seines Mundes) ihr ganzes Heer.

Und in dem großartigen Schöpfungspsalm 104 heißt es: In 3-4: Der im Wasser seine Gemächer baut, der Wolken zu seinem Wagen macht, auf Flügeln der Ruach (des Sturmes) dahinfährt, der Ruach (Winde) zu seinen Boten bestellt, zu seinen Dienern lohendes Feuer. In 29-30: Verbirgst du dein Angesicht, erschrecken sie, nimmst du ihre Ruach (ihren Atem) weg, kommen sie um und werden wieder zu Staub. 30 Sendest du deine Ruach (deinen Atem) aus, werden sie erschaffen, und du erneuerst das Angesicht der Erde.

Wir erkennen: Es gibt bei der Schöpfung die Verbindung, die Zusammenarbeit zwischen Geist und Wort Gottes. Eine Verbindung, die wir interessante Weise im Neuen Testament im Blick auf die Bibel lesen. „Denn alle Schrift, von Gott eingehaucht, ist nütze…“ (2 Tim 3,16)

Interessant auch: Das Wort für Geist ist im Hebräischen weiblich. In der hebräischen Sprache wird das Geschlecht eines Wortes bewusst gewählt. Wir ahnen, begreifen, erkennen, warum das so ist: Es geht beim Heiligen Geist immer um Leben, um neues Leben.

Wir sehen das auch in dem berühmten Text aus Hesekiel 37, in dem 9x (!) das Wort ruach vorkommt.

Ich lese zunächst Hes 37,11: Und er sprach zu mir: Du Mensch, diese Gebeine sind das ganze Haus Israel! Sieh, sie sagen: Unsere Gebeine sind vertrocknet, und unsere Hoffnung ist dahin. Wir sind abgeschnitten.

1 Die Hand des HERRN war auf mir, und durch die Ruach (den Geist) des HERRN führte er mich hinaus, und mitten in der Ebene ließ er mich nieder, und diese war voller Gebeine. 2Und er führte mich an ihnen vorbei, rings um sie herum, und sieh, in der Ebene waren sehr viele, und sieh, sie waren völlig vertrocknet. 3 Und er sprach zu mir: Du Mensch, werden diese Gebeine wieder lebendig werden? Und ich sprach: Herr, HERR, du weißt es. 4 Und er sprach zu mir: Weissage über diese Gebeine und sprich zu ihnen: Ihr vertrockneten Gebeine, hört das Wort des HERRN! 5 So spricht Gott der HERR, zu diesen Gebeinen: Seht, ich lasse Ruach (Geist) in euch kommen, und ihr werdet leben. 6 Und ich gebe euch Sehnen und lasse Fleisch wachsen an euch, und ich überziehe euch mit Haut und lege Ruach (Geist) in euch, und ihr werdet leben, und ihr werdet erkennen, dass ich der HERR bin. 7 Und ich weissagte, wie es mir geboten worden war, und als ich geweissagt hatte, war da ein Lärmen, und sieh, ein Beben, und Gebeine rückten aneinander, eines an das andere. 8 Und ich schaute hin, und sieh, auf ihnen waren Sehnen, und Fleisch war gewachsen, und darüber zog er Haut, Ruach (Geist) aber war nicht in ihnen. 9 Und er sprach zu mir: Weissage über die Ruach (den Geist), weissage, Mensch, und sprich zur Ruach (zum Geist): So spricht Gott der HERR: Ruach (Geist), komm herbei von den vier (Ruach) Winden und hauche diese Getöteten an, damit sie leben. 10 Und ich weissagte, wie er es mir geboten hatte, und die Ruach (der Geist) kam in sie, und sie wurden lebendig und stellten sich auf ihre Füße, ein sehr, sehr großes Heer.

Das Judentum legt diesen Text als Hoffnungstext für unser normales Leben aus. Ein Einzelner, eine Gruppe, ganz Israel, ist abgeschnitten vom Leben und hat alle Hoffnung verloren. Die Menschen dürfen aufgrund dieses Text auf einen Neuanfang hoffen. Denn der Geist Gottes ermöglicht das Unwahrscheinliche, das Unmögliche. Der Geist Gottes ermöglicht Leben, schafft Leben, bewirkt Leben.


III.
Der Geist Gottes kommt im AT beim Thema Neuschöpfung vor 

Wir könnten Hes 37 auch bei diesem Thema lesen.

Ich will eine andere Hesekiel-Stelle uns vorlesen: Es heißt in Hes 36,26: Und ich will euch ein neues Herz und eine neue Ruach (einen neuen Geist) in euch geben und will das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben. Ich will meine Ruach (meinen Geist) in euch geben und will solche Leute aus euch machen, die in meinen Geboten wandeln und meine Rechte halten und danach tun.

 

IV.
Der Geist Gottes kommt im AT in Texten vor, die den Messias ankündigen und beschreiben.

1.
Der erste Text steht in Jes 11,1-5: 1 Und aus dem Baumstumpf Isais wird ein Schössling hervorgehen, und ein Spross aus seinen Wurzeln wird Frucht tragen. 2 Und auf ihm wird die Ruach (der Geist) des HERRN ruhen, die Ruach (der Geist) der Weisheit und der Einsicht, die Ruach (der Geist) des Rates und der Kraft, die Ruach (der Geist) des Wissens und der Furcht des HERRN. 3 Und er wird die Furcht des Herrn atmen, und er wird nicht richten nach dem, was seine Augen sehen, und nicht entscheiden nach dem, was seine Ohren hören: 4Den Machtlosen wird er Recht verschaffen in Gerechtigkeit, und für die Elenden im Land wird er einstehen in Geradheit. Und mit dem Knüppel seines Mundes wird er das Land schlagen und mit dem Hauch seiner Lippen den Frevler töten. 5Und Gerechtigkeit wird der Schurz an seinen Hüften sein und Treue der Gurt um seine Lenden.

Ohne den Text jetzt auszulegen, fällt auf:
(1) Der Geist ruht auf dem Messias. Das wird sonst von niemanden im AT gesagt. Der Messias ist der Geistträger.
(2) Der Heilige Geist schenkt Gotteserkenntnis und Lebensweisheit.
(3) Der Geist Gottes steht für Recht und Gerechtigkeit. Er sorgt für Recht und Gerechtigkeit.

2.
Der zweite Text steht in Jes 42,1-4: 1 Seht meinen Diener, ich halte ihn, meinen Erwählten, an ihm habe ich Gefallen. Ich habe meine Ruach (meinen Geist) auf ihn gelegt, das Recht trägt er hinaus zu den Nationen. 2 Er schreit nicht und wird nicht laut und lässt seine Stimme nicht hören auf der Gasse. 3 Das geknickte Rohr zerbricht er nicht, und den verglimmenden Docht löscht er nicht aus, treu trägt er das Recht hinaus. 4 Er erlischt nicht und wird nicht geknickt, bis er das Recht in Kraft gesetzt hat auf der Erde; auf seine Weisung warten die Inseln.

Ohne den Text wiederum tiefer zu besprechen, fällt auf:
(1) Der Messias ist der Geistträger.
(2) Der Heilige Geist ist ein Geist der Barmherzigkeit. Er steht für Barmherzigkeit.
(3) Der Messias ist aufgrund des Geistes Gottes nicht aufzuhalten und nicht abzuschaffen. Er wird siegen.

3.
Der dritte Text steht in Jes 61,1-2: Die Ruach (der Geist Gottes) des Herrn ruht auf mir. Denn der Herr hat mich gesalbt, um den Elenden frohe Botschaft zu bringen, er hat mich gesandt, um die zu heilen, die gebrochenen Herzens sind, um Freilassung auszurufen für die Gefangenen und Befreiung für die Gefesselten.

Wir sehen:
(1) Der Messias ist der Geistträger.
(2) Der Geist Gottes ist der Befreier. Deshalb ist der Messias der Befreier.
(3) Der Geist Gottes ist der Tröster. Deshalb ist der Messias der Tröster.

Mit diesen drei messianischen Texten sind wir schon beim letzten Themenfeld des Heiligen Geistes im Alten Testament.

 

V.
Der Geist Gottes sorgt für Gotteserkenntnis und für vollkommen andere soziale Beziehungen

Ich lese uns Joel 3,1-2: 1 Und danach werde ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch, und eure Söhne und eure Töchter werden weissagen, eure Alten werden Träume und eure Jungen werden Visionen haben. 2 Und auch über die Diener und die Dienerinnen gieße ich in jenen Tagen meine Ruach (meinen Geist) aus.

Petrus zitiert in der ersten christlichen Predigt der Weltgeschichte, in seiner Pfingstpredigt (siehe Apg 2,14ff) diese Joel-Stelle.

Was sagt uns diese Prophetie des Joel?

Der Heilige Geist wird beiden Geschlechtern geschenkt.

Der Heilige Geist wird allen Altersgruppen geschenkt.

Der Heilige Geist wird allen Gesellschaftsgruppen geschenkt. Hier wird mit den Sklaven bzw. Knechten und Mägden die Unterschicht erwähnt, also die gesellschaftlichen Gruppen, die sonst nicht gesehen, nicht beachtet, nicht genannt werden, weil sie nicht zählen, weil auf sie nicht Rücksicht genommen wird. Normalerweise wird auf ihre Kosten gelebt.

Der Heilige Geist richtet sich nicht nach der Hierarchie der Geschlechter, nicht nach der Hierarchie des Alters, und nicht nach der Hierarche der gesellschaftlichen Gruppen, des Aufbaus der Gesellschaft.

Aber der Text redet auch nicht pauschal. Es heißt nicht: Ich gieße meinen Geist über jeden aus. Nein der Text differenziert. Er hat eine sehr differenzierte Sicht der damaligen Gesellschaft.

Was bedeutet das für uns heute?

Der Heilige Geist lehrt uns, alle Gruppen einer Gesellschaft anzuschauen. Wir dürfen keine übergehen. Wir müssen versuchen, den einzelnen Gruppen gerecht zu werden.

Der Heilige Geist wirkt eine völlig neue Gesellschaft. Es gibt bei ihm keine Privilegierten! Es gibt bei ihm keine Diskriminierten!

 

C.
Ich komme zum Anfang der Predigt zurück.

1.
Was feiern wir (heute) an Pfingsten?

Wir feiern die Ausgießung des Heiligen Geistes. Wir feiern, dass durch den Heiligen Geist der Glaube an Gott möglich ist. Wir feiern den Heiligen Geist.

Wir feiern den Geist Gottes, der Leben schafft und ermöglicht, der uns neues, ewiges Leben schafft und ermöglicht.

Wir feiern den Geist der Erkenntnis Gottes, den Geist der Weisheit, den Geist des Rechts und der Gerechtigkeit, den Geist der Barmherzigkeit, den Geist der Gemeinschaft.

Wir dürfen ihn glauben. Wir dürfen Gott dafür danken. Wir dürfen um sein Wirken bitten.

2.
Wie kommen wir an den Geist Gottes heran? Wie können wir uns ihm gegenüber richtig verhalten?

Dazu gibt es einige Bibelstellen. Heute nur so viel: Indem wir Jesus suchen und uns mit Jesus befassen und mit Jesus leben. Denn Jesus ist der Geistträger. Amen!