Der geheimnisvolle Name Gottes (Über Gott Basics I) – Von Thomas Pichel

Einleitung

Ich starte heute eine Predigtreihe. Sie heißt neudeutsch „Die basics des Glaubens“. Das englische Wort ist super. Denn es sagt sehr gut aus, worum es geht: Basics meint „Grundbegriffe“ im Sinn von „Das Wesentliche“. Das Wort meint aber auch „Grundlagen“, „Grundausstattung“ und „Grundversorgung“. Gemeint ist das, was wir selbst nicht machen, herstellen, basteln, produzieren müssen. Gemeint ist der ‘Gegenstand’ unseres Glaubens, nicht unsere Gläubigkeit. Gemeint ist das, was uns von Gott her geschenkt ist. Wir beginnen deshalb auch mit Gott, genauer gesagt: mit dem Namen Gottes.

 

I.
Der geheimnisvolle Name Gottes in der jüdischen Bibel: JHWH (ca. 6700x)

Was ist der Unterschied zwischen einem Rätsel und einem Geheimnis? Wenn wir ein Rätsel lösen, hat es seine Rätselhaftigkeit verloren. Dann ist alles klar. Ein Geheimnis aber knackt niemand. Wir können nicht von außen in es eindringen. Die Türen eines Geheimnisses müssen sich uns öffnen. Wenn es sich öffnet, beginnen wir, das Geheimnis zu verstehen. Aber wenn wir es verstehen, hört es nicht auf, geheimnisvoll zu sein. Das Gegenteil ist der Fall. Je besser wir es verstehen, desto geheimnisvoller, größer und schöner wird es.

1.
Die historische Situation, in die Gott selbst dem Volk Israel seinen Namen gibt

13 Mose sprach zu Gott: Siehe, wenn ich zu den Israeliten komme und spreche zu ihnen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt!, und sie mir sagen werden: Wie ist sein Name?, was soll ich ihnen sagen? 14 Gott sprach zu Mose: Ich werde sein, der ich sein werde. Und sprach: So sollst du zu den Israeliten sagen: »Ich werde sein«, der hat mich zu euch gesandt. 15 Und Gott sprach weiter zu Mose: So sollst du zu den Israeliten sagen: Der HERR, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks, der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt. Das ist mein Name auf ewig, mit dem man mich anrufen soll von Geschlecht zu Geschlecht. (aus 2 Mose 3,1-15)

Ich lege jetzt diesen Text nicht im Einzelnen aus. Ich möchte nur auf zwei Dinge aufmerksam machen.

a.
Gott macht den Mose mit einem brennenden Dornbusch neugierig und aufmerksam. Alles beginnt mit einem Staunen, mit einem staunenden Menschen.

b.
Es geht in 2 Mose 1-15 um die Befreiung Israels aus Ägypten. Das ist bemerkenswert.

Gott erschließt, verrät seinen Namen in einer Situation der Not. Gott erschließt, verrät seinen Namen und es geht um das Thema Befreiung und Freiheit.

2.
Aus der Schatzkammer dieses Namens.

Mose, der nach dem Namen Gottes fragt, bekommt diese merkwürdige, ungewöhnliche und befremdende Antwort, bei der die Ausleger herumrätseln. Der Name ist nicht exakt zu definieren. Er ist kaum zu übersetzen. Die hebräischen Wörter sind kaum in ihrer Bedeutungsfülle zu erschließen.

Ich bin der Ich bin da.
Ich bin, der ich bin. Ich werde sein, der ich sein werde.
Ich bin tätig als der, der sich wirksam erweist und erweisen wird.

(1)
Das hebräische Verb ist etwas Besonderes.

Es gibt Verben, die in sich geschlossen und verständlich sind. Ich jogge. Ich lese.

Es gibt Verben, bei denen das anders ist. Ich küsse. Ich hasse. Man fragt sich automatisch. Wen küsst Du denn? Wen oder was hasst Du denn?

Wir begreifen: Das hebräische Verb verlangt einen Adressaten. Ja, für wen bist Du denn da? Die Richtung ist eindeutig: Ich bin für dich da. Ich handle entsprechend meinem Namen für dich.

(2)
Hier nun drei Übertragungen, die Botschaften an uns sind:

Martin Buber sagt: „Ich werde es sein, der dir begegnet – in welcher Erscheinungsform auch immer“: Hier im Dornbusch, später in der Wolken- u. Feuersäule, bei Elia in einem leisen, feinen, sanften Wind, als Engel des Herrn wie bei Abraham, als Mensch in Jesus, meinem Sohn, in vielen Menschengestalten, als Schriftsteller in einer Büchersammlung namens Bibel, in Zufällen, in Wundern und Zeichen, in ganz normalen und unscheinbaren Fügungen.

Ich werde (in hilfreichen Machterweisen) auftreten, wie ich es mir vorbehalte (Benno Jakob)

Ich werde so sein, wie ich es dir versprochen habe. Ich werde so handeln, wie ich bin: aufmerksam, mitfühlend, mächtig, entschlossen zu retten, an deiner Seite, unsichtbar zwar, verborgen oft, manchmal kaum wahrnehmbar, aber ich werde da sein. (Michael Herbst)

 

II.
Was hat Israel im Laufe der Zeit über Gott mit Hilfe dieses Namens gelernt?

1.
Gott ist und bleibt ein Geheimnis.

Diesen Gedanken leihe ich von Gerhard Lohfink.

Es ist eigenartig. Gott sagt seinen Namen und doch auch nicht.

Gott sagt zu Mose und zu den Israeliten: Ich sage euch keinen Namen. Ihr braucht nur eins: Genau hinsehen, was geschehen wird. Was sich jetzt an euch und an Ägypten ereignen wird, wird euch zeigen, wer ich bin. Wer ich in Wahrheit bin, wird sich erweisen.

Gottes Name bleibt ein Geheimnis. Gott wahrt sein Geheimnis. Er hält sich zurück. Er verbirgt sich. Uns bleibt der Zugriff auf Gott verwehrt. Gott ist nicht verfügbar in unserer Hand.

Aber Gott gewährt Blicke durch eine geöffnete Tür. Gottes Wesen zeigt sich in seinem rettenden Handeln. Sein innerstes Wesen zeigt sich, wenn er das Elend seines Volkes nicht mehr erträgt, wenn er hilft, wenn er rettet.

Es geht also um einen aktiven, engagierten, am Ergehen seiner Leute teilnehmenden Gott, um einen geschichtsmächtigen Gott, um einen in der Geschichte handelnden Gott, um den Gott, der sich zu den Menschen herablässt, der sich des Schicksals seines Volkes annimmt.

2.
Israel hat gelernt, dass Gott kein Traummöbelstück ist, an dessen Ecken und Kanten man sich nie weh tun kann. Israel hat im Laufe der Zeit gelernt, dass Gott zornig handeln kann, z.B., wenn sie mit ihrem Verhalten wie kleine oder große Pharaos auftreten, z.B. wenn sie ihre Beziehungen kaputtmachen.

Aber Israel hat gelernt, dass Gott mit diesem geheimnisvollen Namen wie durch eine geöffnete Tür Blicke gewährt. Israel hat mit diesem Namen das Wesen Gottes erkannt. Gottes Wesen zeigt sich in seinem rettenden Handeln. Sein innerstes Wesen zeigt sich, wenn er das Elend seines Volkes nicht mehr erträgt, wenn er hilft, wenn er rettet.

Es geht also um einen aktiven, engagierten, am Ergehen seiner Leute teilnehmenden Gott, um einen geschichtsmächtigen Gott, um einen in der Geschichte handelnden Gott, um den Gott, der sich zu den Menschen herablässt, der sich des Schicksals seines Volkes annimmt.

3.
Israel hat auch mit Hilfe des Namens Gottes gelernt, dass es absolute Sicherheit im Blick auf Gott nicht gibt, sondern dass es um Vertrauen geht.

Ich möchte das an einem seelsorgerlichen Beispiel beleuchten und darlegen, das ich mir von Ulrike Bittner leihe.

Ein Mann steckt in einer Glaubenskrise. Durch bestimmte Umstände ausgelöst, sind bei ihm Zweifel auf allen Ebenen aufgetaucht. Es geht bis zu einer grundlegenden Infragestellung der Existenz Gottes. Er hat sich überall, in Büchern, in Predigten, in Talkshows, auf die Suche nach den besten Argumenten begeben. Er sagt: Wenn ich schon alles auf eine Karte setze und mich wieder neu für den Glauben entscheide, dann möchte ich auch ganz sicher sein, dass er stimmt.

Man kann diese Einstellung auf den ersten Blick teilen und verstehen. Ich bin auch überzeugt, „dass der christliche Glaube wie keine andere Religion mit der Vernunft ergründet und erfasst werden kann. Oder wie es… Edith Stein einmal formulierte: «Wer die Wahrheit sucht, der sucht Gott, ob es ihm klar ist oder nicht.» Aus dieser Einstellung heraus beunruhigt mich ehrlicher Zweifel keine Sekunde.

 Dennoch steckt in dieser Einstellung ein Problem. Es ist gut, wenn wir unseren Glauben auf gute Gründe stellen wollen. Es gibt auch gute Argumente für den Glauben. Aber das Ganze kann kippen. Wenn wir eine totale Sicherheit wollen und voraussetzen, dann vergessen wir schlicht, dass es die nicht gibt, und dann vergessen wir, dass unser Glaube an Gott eine Beziehung ist und dass es entscheidend ist, an welchen Gott wir glauben sollen bzw. dürfen.

 Was kann man dem Mann in seiner Not sagen? Wir Christen „glauben an einen Gott, dem so viel an Beziehung gelegen ist, dass er selbst Mensch wurde und alles in die Waagschale warf, um die Beziehung zu uns wiederherzustellen. Der Faktencheck kann helfen, den Weg für eine echte Begegnung freizumachen. Um in Glaubensdingen kein ewiger Single zu bleiben, muss aber der Punkt kommen, an dem wir die Kontaktaufnahme wagen.

Man müsste ihm auch sagen: Wenn du 100% sicher sein willst, wenn du totale Sicherheit möchtest, wenn du deine Entscheidung für Gott oder einen anderen Menschen auf erwiesene Fakten abstützen möchtest, dann wird die Beziehung nicht zustande kommen, nicht klappen, sondern erkalten.“ (Ulrike Bittner)

4.
Israel hat gelernt, dass Gott um seines Namens willen handelt. Und das ist Evangelium pur!

a.
Der Ausdruck kommt im AT ein paar Mal vor.

Ps 23,2: Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.

Ps 25,11: Um deines Namens willen, HERR, vergib mir deine Schuld, die so groß ist.

Ps 31,4: Denn du bist mein Fels und meine Burg, und um deines Namens willen wollest du mich leiten und führen.

Psalm 79,9: Hilf du uns, Gott, unser Helfer, um deines Namens Ehre willen! Errette uns und vergib uns unsre Sünden um deines Namens willen!

Psalm 109,21: Aber du, Herr, sei du mit mir um deines Namens willen.

Ps 143,11: Um deines Namens willen halte mich am Leben.

Jes 48,9: Um meines Namens willen halte ich lange meinen Zorn zurück.

Jer 14,21: Um deines Namens willen verwirf uns nicht.

Dazu kommen noch drei erklärende Aussagen:

In Ps 6,5 und 44,27: Um Deiner Güte willen.

In Ps 54,7 und Ps 143,1: Um Deiner Treue willen.

In Ps 143,1.11 auch: Um Deiner Gerechtigkeit willen.

b.
Was heißt diese Formulierung? Was wird uns damit gesagt?

Diese Gedanken leihe ich mir von Thorsten Dietz. Die Zitate sind von Thorsten Dietz.

(1)
Diese Formulierung bedeutet, dass Gott selbstlos ist und selbstlos handelt.

 Wir kennen das ja. Da sagen Christenmenschen: Alles für Gott. Alles um Gottes willen. Alles für den Glauben. Alles für die Sache. Aber man merkt am Ende: Es geht am Ende doch um sich. Auch der fromme Mensch schafft die Selbstlosigkeit nicht. Gott ist so ganz anders als wir!

C.S. Lewis sagt einmal: In Gott ist kein Hunger, der gestillt werden muss, nur Fülle die schenken will.

 „Gott allein ist schlechthin selbstlos, weil er alles in sich hat, weil er die Fülle ist, weil er alles umfasst, weil er alles umfüllt. Darum geht es ihn nicht um sich selbst, wie es unsereins immer wieder um sich geht und leider viel zu viel um sich geht. Gott hat sich radikal für uns entschieden. In Israel. In der Geschichte dieses Volkes. In Jesus von Nazareth. Er hat sich in diesen Namen übersetzt. Immanuel. Gott mit uns. In diesen Namen stellt sich Gott ganz an unsere Seite und muss dabei nichts für sich herausholen.“

(2)
Diese Formulierung bedeutet, dass der Grund dafür, wie Gott mit uns umgeht und verfährt, wie er uns behandelt, nicht in uns liegt, sondern allein in Gott.

„Dass Gott für uns handelt, das hat keinen Grund in uns, sondern ganz allein in ihm.“

(3)
Diese Formulierung bedeutet deshalb, dass Gottes Treue nicht daran hängt, ob und dass ich funktioniere.

Das heißt: Auf dem Weg mit Gott hängt seine Treue nicht daran, dass ich funktioniere. Seine Begleitung hängt nicht daran, dass ich etwas bringe, dass ich durch irgendetwas – und sei es durch bloßes Dasein – seinen Ruhm mehre. Braucht es nicht. Der kann nicht gemehrt werden. Ist unendlich.

 Keine Leistung, kein Funktionieren, kein Auf-der-Linie-Bleiben, nichts, was ich leisten… kann, ist irgendwie nötig. Der Grund, der Zweck, die Funktion, dass Gott sich das antut, liegt nicht in mir. Und es ist nie so, dass Gott sich nach anderen umschaut, die es bringen für ihn, wenn ich nicht (mehr) funktioniere.

Das erleben wir ja so oft. Deshalb liegt es so nah, dass sich Misstrauen in unser Gottvertrauen einschleicht. Wir merken, dass wir das 100%ige Gottvertrauen nicht schaffen, dann macht man sich so enttäuschungsanfällig“.

„Gott ist vertrauenswürdig und vertrauenseinflößend. Er ist das große Du, das unbedingt Ja sagt, das absolute Ja sagt… Er ist da. Das große Du ist da.“

 Ich fasse zusammen:

 „Um seines Namens willen. D.h. aus Gnade. Es ist ein Geschenk. Es ist eine Gabe. Du musst nichts dazu tun. Nichts leisten. Nicht funktionieren.

 Es reicht. Es reicht immer schon. Dass er da ist. Deshalb kannst du da sein. Deshalb kannst du auf dem Weg bleiben. Deshalb kannst du den Weg mitgehen.“

An diesen Gott dürfen wir glauben. „Wir vertrauen“, sagt C.S. Lewis, „nicht weil es einen Gott gibt, sondern weil es diesen Gott gibt“.

 

III.
Zum Schluss stellt sich nun eine Frage: Was ist mit Jesus?

 In 2 Mose 3 hat Gott seinen geheimnisvollen Namen gelüftet. In Jesus wurde er Mensch. Thorsten Dietz sagt es so: Gott „hat sich in diesen Namen übersetzt“.

Das Erstaunliche ist, dass im NT das „Ich bin, der ich bin“ aus 2 Mose 3 immer wieder auftaucht.

Das möchte ich uns allen nun mitgeben in unsere Woche, in unseren Alltag.

Jesus sagt zu uns, zu Dir:

Ich bin das Brot des Lebens (Joh 6,35.48.51). Ich bin für dich da als Brot des Lebens.

Ich bin das Licht der Welt (Joh 8,12). Ich bin da für dich als Licht der Welt.

Ich bin die Tür (Joh 10,7.9). Ich bin da für dich als Tür.

Ich bin der gute Hirte (Joh 10,11.14). Ich bin da für dich als Hirte.

Ich bin die Auferstehung und das Leben (Joh 11,25). Ich bin da als der, der dir Auferstehung und Leben gibt.

Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben (Joh 14,6). Ich bin da als Weg und Wahrheit und Leben.

Ich bin der Weinstock (Joh 15,1.5). Ich bin da für dich als Weinstock.

Seid getrost, ich bin’s. Fürchtet euch nicht! (Mt 14,27)

Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende (Mt 28,20)