Die Vergangenheit, das Heute und die Zukunft von Weihnachten – Von Thomas Pichel

A.
Einleitung

Bild 1 der Powerpoint-Präsentation, die während der Predigt gezeigt wird: Eine Frau schaut aus einem Zug. Sie sieht brennende Autos, brennende Häuser.
Für mich ist dieses Bild ein Symbol für unsere Zeit. Wir sitzen in unserem Lebenszug und sehen ständig Brandherde und Brennpunkte, globale und persönliche Probleme… Als ob die ganze Welt brennen würde. Die Frage ist: Was machen die Bilder, Erlebnisse und Erfahrungen mit uns?

Wolf Biermann hat 1977 das Lied „Du, lass dich nicht verhärten“ veröffentlicht. Es ist kein Weihnachtslied. Aber Biermanns Zeilen sagen uns etwas über uns, über unsere Gefährdung und über die Aufgabe, vor der wir alle stehen.

Du, lass dich nicht verhärten. / In dieser harten Zeit. / Die allzu hart sind, brechen / Die allzu spitz sind, stechen // Und brechen ab sogleich //

Du, lass dich nicht verbittern. / In dieser bitt′ren Zeit…

Du, lass dich nicht erschrecken. / In dieser Schreckenszeit…“

Ich bin davon überzeugt, dass uns Weihnachten bei dieser Aufgabe der Selbstseelsorge helfen kann.

 

B.

I.
Die Geschichte von Weihnachten.

Wir schauen jetzt zurück in die Vergangenheit. Wie begann das Weihnachtsfest? Was geschah damals? Welche Botschaften hörten die beteiligten Menschen?

Bild 2: Wir sehen eine schwer beschädigte Kirche. Überall liegen Trümmer herum. Gemeinde-Mitarbeiter haben das Jesus-Kind mit Maria und Joseph mitten in dieses Trümmerfeld gelegt.

1.
Maria und Joseph. Eine junge Liebe, die wegen Jesus fast in Trümmern lag. Weil ein uneheliches Kind für Maria eine ungeheure Belastung war. Weil die Schwangerschaft Marias für Joseph, der wusste: „Ich bin nicht der leibliche Vater des Kindes!“, eine einzige Katastrophe war. Gott hatte einiges zu tun, um Joseph zu überzeugen, bei Maria zu bleiben und Jesus zu adoptieren.

Dazu kam, dass die Beiden ein Spielball der Mächtigen waren. Augustus in Rom zog die Machtfäden. Es ging ums Geld. Natürlich. Rücksicht auf Menschen gab es natürlich nicht.

2.
In dieser Situation öffnet sich über einigen Hirten der Himmel. Ein Engel verkündigt das erste Mal die Weihnachtsbotschaft: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird: denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. (Luk 2,10f)

Wie haben die Hirten die Ankündigung: „Euch ist heute der Heiland geboren. Ihr findet das Kind in einer Futterkrippe“ verstanden? Wie mussten sie als jüdische Menschen diese Nachricht verstehen?

Dieses kleine (im Hebräischen heißt klein auch unbrauchbar) Kind ist die Zukunft. Diesem Kind gehört die Zukunft. Dieses Kind ist der kommende Herrscher. Gott wird dieses Kind, wenn es erwachsen sein wird, als Werkzeug benutzen. Die Hirten begriffen: Dieses Kind ist unser Hoffnungsträger. Gottes Macht wird durch dieses Wesen die Wende bringen und eine neue Zeit heraufführen.

Fußnote:
Die Weihnachtsgeschichte hat eine unglaubliche Spannung.
Da kommen zwei Dinge zusammen, die eigentlich nicht zusammenpassen: Die Vorstellung eines Säuglings und die Vorstellung einer ungeahnten Kraft. Die Vorstellung eines total abhängigen Kindes und die größte Macht im Himmel und auf Erden. Jesus ist die gewaltigste Unscheinbarkeit der Menschheitsgeschichte!

3.
Was haben die Hirten in dieser Nacht nicht begreifen können, was wir aber glauben dürfen?

Gott hält es nicht im Himmel. Gott wird in Jesus Mensch. Er wird einer von uns. Gott gibt sich zu erkennen. Er zeigt nicht nur, dass es ihn gibt, er zeigt, wer er ist. Er stutzt sich herunter – auf das einzige Maß, in dem er von uns begriffen werden kann, mit dem er unser Vertrauen und unsere Liebe gewinnen kann: Es ist das menschliche Maß, unser Maß. Gott begegnet uns auf Augenhöhe.

Wir feiern an Weihnachten Gott: Gott ganz unten. Gott ganz nah. Gott in Rufweite. Gott in unserer Haut. Gott in seiner einzigarten Menschlichkeit! Gott verletzlich.

Wir staunen über Weihnachten: Gott hält sich nicht heraus. Jesus ist mittendrin dabei. Er verbindet und verbündet sich mit uns.

Wir können dankbar sein für Weihnachten: Jesus ist mit uns in unserem Schlamassel, in unseren katastrophalen Situationen, in unseren Brandherden und auf unseren Trümmerhaufen, in unseren Krankenzimmern, an unseren Gräbern.

Jesus, der Herr, wird unser Bruder. Er sagt zu Dir: Du und ich! Wir Weinenden und Leidenden! Oder er sagt: Du und ich! Wir Fröhlichen und Lachenden!

 

II.
Das Heute von Weihnachten

Bild 3: Ein Gemälde-Ausschnitt. Kinder freuen sich über das Jesus-Baby. Weihnachten ist die Botschaft des Himmels für die Erde: Ihr habt gute Gründe, Euch zu freuen. Macht es wie die Kinder! Lasst euch beschenken.

1.
Was hat ein Heiland aus der Antike schon zu tun mit dem, was mich 364 Tage im Jahr auf Trab hält, was mir den Atem nimmt, was mich traurig macht, was mir Angst macht, was mich krank macht, was die Nachrichten berichten – und was sie verschweigen? Was hat mir ein Heiland aus der Antike heute zu bieten?“ (Reiner Braun, theologische beiträge, 6/2022, S.340)

2.
Die Antwort liegt im Clou des Weihnachtsfestes. Was ist der Clou von Weihnachten?

Wir feiern nicht den Geburtstag eines Menschen, der vor langer Zeit gelebt hat, der dann gestorben ist und an den man sich mit Jubiläumsfeiern erinnert. Ja, Jesus Christus hat einmal als Mensch auf dieser Erde gelebt. Er ist gestorben (und wie!). Aber er ist auferstanden von den Toten. Er lebt und regiert. Er ist hier. Er ist uns näher, als wir es uns selber sind!

3.
Deshalb gilt das „Heute“ der himmlischen Botschaft heute Abend uns Heutigen:

Ich mache ein Beispiel. Was geht uns die Futterkrippe Jesu an? Sie ist ein Hinweiszeichen dafür, dass wir Jesus geschenkt bekommen. Sie ist ein Hinweiszeichen dafür, dass wir uns – im Bild gesprochen – von Jesus ernähren.

Unsere Seele ernährt sich von dem, was sie erfreut (Augustinus), von dem, was ihr Trost und Hoffnung gibt.

Wir alle leben von der Liebe Gottes. Wir ernähren uns von dem, was Gott für uns empfindet. Von seiner Einstellung zu uns! Von seinem Mitgefühl!

Wir leben von seinem Segen, von seiner Güte, von seinem Sorgen. Von seiner Vergebung und Treue.

Wir alle leben von seiner Macht, von seinen Möglichkeiten. Denn Heiland ist in der Bibel der, der etwas kann, was ich nicht kann, der mir helfen kann, wo ich mir nicht helfen kann.

3.
Glaube es heute! “Gott will uns durch Jesus Christus froh machen. Er will uns nicht bedrücken, uns nicht Probleme aufgeben, er will uns nicht vor unlösbare Aufgaben stellen, sondern er will, dass wir uns an Jesus Christus und an seiner Herrschaft freuen… ” (Dietrich Bonhoeffer)

Glaube es heute! Jesus sitzt mit dir in deinem Lebenszug! Er ist „dein Heiland, also der, der es mit dir hält, der zu dir hält, der dich aushält, ganz ohne an sich zu denken“ (Karl Barth)

Glaube es heute! Jesus ist dein Heiland, d.h. dein Nothelfer in allen Unsicherheiten, in allen Sorgen, in allen Traurigkeiten, in aller Schuld. Von ihm darfst Du alles Gute erwarten! An Ihn darfst du dich in allen Nöten wenden!

Damit stellt sich eine Frage wie von selbst: Wie antworten wir auf die Weihnachtsbotschaft?

 

III.
Unsere Antwort auf Weihnachten (?!)

Bild 4: Zwei rote Herzen, in die auf Englisch Willkommen geschrieben steht. Das große Herz steht für Gottes Liebe. Das kleine für unsere mögliche Offenheit ihm gegenüber.

1.
Vertrauen wir uns Jesus an!

Weihnachten heißt: Gott lässt die frohe Botschaft verkündigen, um uns jede unnötige Angst zu nehmen, um unser Vertrauen zu wecken, um uns zum Gespräch mit ihm zu ermutigen, dass wir uns ihm gegenüber öffnen, uns ihm anvertrauen und ihm alles Gute zutrauen.

Weihnachten heißt: Es gibt für uns Jesus! Durch Jesus kann die Gottesbeziehung jedes Menschen gerettet werden. Durch Jesus können unsere Gottesbeziehungen gelingen. Deshalb rufe ich uns an diesem Weihnachtsfest ins Gebet.

Dich mit den Berührungsängsten Gott gegenüber rufe ich ins Gebet! Gib Jesus deine Angst vor seinem Willen! Mach Frieden mit Gott! Du musst den Glauben, die Bibel, Gott nicht auf Distanz halten, nicht boykottieren, nicht bekämpfen! Das ist ein fataler Irrtum. Fürchte dich nicht, Jesus zu vertrauen!

Dich mit dem schönen und guten Leben rufe ich ins Gebet! Frage Gott doch einmal, warum er dir so viel schenkt, so viel gelingen lässt!

Dich mit dem erschrockenen und sorgenden Herzen rufe ich ins Gebet! Jesus ist bei dir! Gib Jesus deine Überforderung mit unserer Zeit! Deine Überforderung mit deiner persönlichen Situation. Mach nicht auf stark und autark! Vertraue den Kräften und Möglichkeiten des Auferstandenen! Jesus ist deine Zukunft! Er sorgt für dich!

Dich mit dem verhärteten Herzen rufe ich ins Gebet! Gib Jesus alles, was Dich hart gemacht hat. Und lass ihn dein weiches Herz berühren, das hinter aller Herzenshärte sich nach Befreiung sehnt!

Dich mit dem müden Herzen rufe ich ins Gebet! Gib Jesus Deine Erschöpfung! Wenn es sein muss, such Hilfe! Wie es ein von mir geschätzter Mensch gerade tut, der in eine Klinik geht, um seine unguten Denk- und Verhaltensmuster behandeln zu lassen.

Dich mit dem verbitterten Herzen, weil andere dich unglaublich gestochen, d.h. schwer verletzt haben, rufe ich ins Gebet. Gib Jesus deine Erschütterung… Sei mit ihm wütend und mit ihm traurig! Bitte ihn, dass er deine Bitterkeit behandle und dich vor Verzweiflung bewahre.

Dich mit dem bösen Gewissen, weil du mit Worten und Taten andere gestochen, d.h. schwer verletzt hast…, rufe ich ins Gebet! Vertraue ihm deine Schuld an!

Sagen wir alle zum ehemaligen Christkind: Herr Jesus, schenke uns die Gemeinschaft mit Dir. Und schenke uns Deinen Frieden, der größer und mächtiger ist als alles, was wir durchmachen, als alles, was uns erschreckt, was uns hart und bitter machen will.

2.
Ein Geschenk für andere werden!

Bild 5: An einem verbrannten Holzpfahl schlängelt sich eine junge Efeu-Pflanze in die Höhe. Man sieht erstes Grün. Nur nebenbei bemerkt: Efeu galt und gilt als Heilpflanze, z.B. gegen Keuchhusten. Efeu galt und gilt als Wahrzeichen des ewigen Lebens, als Symbol für Liebe und Treue.

Ich gebe uns eine Hausaufgabe mit:

Überlegen wir, wie wir für andere ein Geschenk werden können!
Überlegen wir, wie die Weihnachtsbotschaft weitersagen und die Weihnachtsliebe weitergeben können!
Überlegen wir, wie wir auf unseren Beziehungsfeldern kleine Hoffnungspflänzchen einpflanzen können!

 

IV.
Die Zukunft von Weihnachten

Bild 6: Wir sehen ein Bild von Sieger Köder. Es zeigt den Propheten Jesaja. Es illustriert die Friedensvisionen aus Jesaja 9 und 11. Das sind keine Bilder bei Jesaja. Das ist die Zukunft hier auf Erden. Auch wenn wir uns das nicht vorstellen können.

Weihnachten ist noch nicht am Ziel! Weihnachten ist noch unvollendet!

Vergessen wir es nie! Das ehemalige Christkind, der Jude Jesus, der Sohn Gottes ist die Zukunft der Welt, die Zukunft der Menschheit, die Zukunft der Erde. Jesus wird die Zukunft dieser Erde retten!

Jesus wird Frieden schaffen! Er hat die Macht Gottes dazu!

Jesus wird jeden Soldatenstiefel und jeden Soldatenmantel verbrennen (Jes 9,4). Jesus wird alle Schwerter, Kanonenrohre und Bomben abschaffen. Er wird Frieden schaffen innerhalb der Völker und Frieden zwischen den Völkern. Z.B. zwischen Russen und Ukrainern. Z.B. zwischen Israel und den muslimischen Staaten. Des Friedens wird kein Ende sein (Jes 9,6).

Jesus wird Frieden schaffen zwischen Mensch und Tier. Babys werden am Loch der Schlange spielen (Jes 11,8). Des Friedens wird kein Ende sein.

Jesus wird Frieden schaffen zwischen den Tieren. Kühe und Bären werden zusammen weiden (Jes 9,6). Alles Fressen und Gefressenwerden wird vorbei sein. Des Friedens wird kein Ende sein.

Alles, was uns hart macht, was uns bricht, was uns zum Stechen verführt, was uns bitter macht, wird von Jesus abgeschafft werden. Und den Tod wird das ehemalige Christkind auf die Müllhalde der Geschichte entsorgen! Halleluja!

Dann wird die Weihnachtsbotschaft vollendet sein: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens (Luk 2,14).