A.
Als Einleitung vier Fragen
1.
Wie mag es Euch gehen?
2.
Welche Erfahrungen macht Ihr in Zeiten von Corona mit Euch?
Ich las diese Tage, in solchen Zeiten würden wir uns zu einer verstärkten Ausgabe unserer Persönlichkeit verwandeln.
Könnt Ihr das bestätigen?
3.
Welche Erfahrungen macht Ihr mit anderen Menschen?
Ich hörte diese Tage, Zeiten wie Corona brächten das Schlechteste und das Beste im Menschen zu Tage;
beides zeige sich: der selbstsüchtige Egoismus und die selbstlose Liebe der Menschen.
4.
Welche Erfahrungen macht Ihr mit Gott? Wie geht es Euren Glauben an Gott?
Unser Vertrauen zu ihm bleibt ja nicht unberührt von all dem, wofür Corona steht:
Zahlen, Fakten, Behauptungen.
Veränderung, Verzicht, Verlust.
Unsicherheit und Angst.
Das konkrete menschliche Leid.
Die Toten.
B.
Christsein in Zeiten von Corona
Ich möchte mit Euch nachdenken über unser Christsein in Zeiten von Corona, über unseren Glauben in dieser Ausnahmezeit.
Was ich sage, galt auch vor Corona und gilt auch ohne Corona. Aber es gilt jetzt verstärkt und erst recht.
Ich verdanke die Idee zu dieser Predigt und manche Einsicht Michael Herbst.
Machen wir eine kleine Fantasie-Übung! Stellt Euch folgendes vor:
Ihr steht vor einem großen dreiteiligen Gemälde. Die Bilder sind miteinander verbunden. Sie gehören zusammen.
Das mittlere Bild ist das größte und wichtigste. Links und rechts vom Hauptbild gibt es zwei Seitenbilder.
Das Bild in der Mitte zeigt Gott, es sagt uns einiges, mit welchem Gott wir es zu tun haben.
Das linke Bild zeigt uns, wer wir sind, was wir über uns lernen können.
Das rechte Bild zeigt uns, was wir tun sollen, welche Aufgaben wir haben.
I.
Das linke Bild: Was lernen wir gerade durch Corona über uns und unser Leben?
1.
„Wir sind zerbrechlich, verletzlich und ohnmächtig“ (Michael Herbst),
zerbrechlicher, verletzlicher, ohnmächtiger, als wir es vielleicht wahrhaben wollen.
Wir besitzen unsere Gesundheit nicht, wir haben unser Leben nicht unter Kontrolle,
Ich z.B. sehe meine Endlichkeit und Sterblichkeit klarer und bewusster.
2.
„Wir sind als Christen nicht gegen Leid gefeit,
wir werden nicht herausgenommen aus den Geschehnissen.“ (Michael Herbst)
Der Glaube ist keine Versicherungspolice für Leidfreiheit.
Was andere trifft, kann uns treffen:
in Quarantäne zu müssen, infiziert zu werden;
den Tod eines geliebten Menschen erleben zu müssen;
vielleicht selbst an Corona zu sterben.
Oder wie so viele weniger, viel zu wenig Geld zu haben, arbeitslos zu werden.
3.
Wir können jetzt besser sehen, wie wichtig und wertvoll unsere Beziehungen sind.
Wir sind Beziehungswesen – angelegt auf soziale Kontakte und Freundschaften.
Es ist nicht gut, wenn wir isoliert und vereinsamt leben müssen.
Das bedeutet: Wir haben Gott so viel zu danken:
für unsere wichtigsten Menschen, unsere Familien, Freunde, Glaubensgeschwister
für alle Anteilnahme, für alle hilfreichen Gespräche…
4.
Wir können jetzt klarer sehen, dass wir einen unendlichen Hunger nach Freude haben.
Wir brauchen etwas zum Lächeln und Lachen.
Humorvolles tut gut, weil es uns einen Abstand zu den Dingen verschafft,
so dass wir freier atmen können.
Auch dafür will ich Gott danken.
5.
Wir können jetzt deutlicher sehen, dass nichts im Leben selbstverständlich ist.
Das gilt für alles, worauf wir jetzt verzichten müssen.
Und dennoch haben wir auch jetzt Gott für sehr viele kostbare Dinge zu danken:
Für unser Gesundheitssystem in Deutschland.
Für den Einsatz der Menschen in system-relevanten Berufen.
Für die technischen Möglichkeiten, Kontakt zu halten.
Und, und, und…
II.
Das Hauptbild in der Mitte: Wer ist Gott? Was lerne ich über ihn? Was darf ich glauben?
1.
Gott ist ein verborgener Gott!
Es heißt in Jes 45,15: „Tatsächlich, du Gott Israels, du bist ein verborgener Gott.“
Verborgen heißt nicht, Gott sei nicht da, er wirke nicht.
Verborgen heißt: Ich weiß nicht, was ich denken soll. Ich verstehe ihn nicht (mehr).
Gottes Handeln verunsichert. Seine Führungen machen Angst. Seine Fügungen tun weh.
Sätze, die ich bei Thorsten Dietz und Martin Schleske gefunden habe, helfen mir:
Der Gott in unseren Köpfen ist niemals Gott.
Wer an den lebendigen Gott der Bibel glaubt, findet ihn immer wieder auch fremd,
irritierend, ja verstörend, der bekommt Fragen, der kennt Zweifel.
Gott ist unergründlicher, ja auch abgründiger, als wir es uns wünschen.
Ich weiß, dass Corona irgendwie mit Gott zu tun hat
und dass Jesus „das Haupt aller Mächte und Gewalten ist“ (Kol 2,10) ist.
Er hat alles im Griff, unter Kontrolle, in der Hand. Auch diesen Virus.
Er regiert. Auch alle Krisen-Probleme und Corona-Folgen.
Das sind große Aussagen. Wohltuend und doch herausfordernd.
Ich empfinde darüber tiefe Geborgenheit; und bin doch beunruhigt, wenn ich an die wirtschaftlichen Folgen denke.
Und doch schmerzt das unglaubliche Leid auf dieser wunden, kranken Erde sehr stark.
Ich will immer wieder die Gegenwart Gottes suchen und so beten:
Allmächtiger Vater, ich schaue voller Ehrfurcht auf Dich.
Ich schweige vor Dir, weil vieles, was ich so gerne sage,
mir jetzt zu glatt, zu selbstsicher, zu dürftig und zu ungenügend vorkommt.
Ich frage Dich: Was willst Du MIR (nicht den anderen) sagen?
2.
Dieser verborgene Gott hat ein liebendes und leidendes Herz!
Gott ist aus der Verborgenheit herausgetreten. Er hat sich geoutet.
Er hat uns in Jesus Christus sein Gesicht und sein Herz gezeigt.
Durch Jesus wissen wir, dass das Wesen Gottes Liebe ist (1 Joh 4,16b).
Natürlich: Gott ist auch allmächtig, heilig und gerecht. Völlig klar: Gott kann auch zornig sein.
Aber das sind Eigenschaften seiner Liebe. Das ist die Pointe der Bibel.
Gott ist die Liebe.
Weil er liebt, ist Er ein leidensfähiger und leidensbereiter Gott.
Gottseidank!
Hebr 2,18 sagt: Jesus hat selbst gelitten, deshalb kann er uns helfen.
Hebr 4,15 sagt: Er leidet mit uns mit.
Michael Herbst sagt: “Jesus ist der Gott, der selbst an allen Orten des Leidens war.
Wo wir auch hinkommen mögen. Jesus war schon dort.”
Das heißt: Jesus ist der Gott, der jedes Leiden persönlich kennt,
der alles Leiden, das uns treffen kann, selbst durchgemacht hat:
Hunger und Durst, Obdachlosigkeit, Misserfolg, Einsamkeit, Unrecht, Gewalterfahrung, Todesängste,
ein schreckliches Sterben mit Atemnöten und Erstickungstod.
Ich will immer wieder mit diesem liebenden und leidenden Gott reden und so beten:
Herr, Dir gehört mein Vertrauen, meine Liebe. Ich mache mich in Dir fest.
Herr, ich danke Dir, dass wir wissen dürfen: Du leidest mit jedem leidenden Menschen mit.
3.
Dieser liebende und leidende Gott ist unser Retter.
Schon im AT wird Gott Retter genannt (Jes 43,11; Jes 45,15; Jes 45,21).
Dieser Retter-Gott Israels ist Mensch geworden.
Wir singen an Weihnachten: „Christ, der Retter ist da!“.
Sein Name ist Programm: Jesus heißt: Gott hilft. Gott heilt. Gott rettet.
Die Logik ist immer:
Es gibt eine schwere Not, eine ernste Gefahr.
Die Betroffenen können die Gefahr nicht abwenden, die Not nicht beheben.
Sie müssen gerettet werden, weil sie sich selbst nicht helfen können.
Lesen wir die Bibel als Wimmelbuch der göttlichen Rettungsaktionen und Rettungsstories!
Gott rettet sein Volk aus der ägyptischen Zwangsarbeit.
Jesus rettet uns aus unserem negativen, kaputten, verlorenen Gottesverhältnis.
Jesus rettet uns vor unserem Hass oder vor unserem Selbsthass.
Jesus rettet uns aus unserer Enttäuschung oder aus unserer Verzweiflung.
Jesus rettet uns…
Ich will immer wieder mit diesem rettenden Gott reden und so beten:
Herr Jesus, ich bete Dich an: Du bist der Unmöglichkeiten-Möglichmacher!
Du bedeutest für jeden Menschen Hoffnung.
Wir hoffen auf Dich, wo wir nichts tun können.
Rette Du die Menschen, an die wir gerade denken, die in der Gefahr sind zu versinken.
III.
Das rechte Bild: Was sind unsere Aufgaben? Was sollen wir tun?
1.
Lasst uns unsere Nächsten lieben! Das gilt grundsätzlich. Aber jetzt erst recht!
Zurzeit heißt zu lieben, Abstand halten.
Wir haben ein gemeinsames Ziel. Wir wollen niemanden unnötig gefährden.
Wir wollen die Zahl der Infizierten auf die Monate verteilen.
Zu lieben heißt, WhatsApps oder Mails schreiben, Briefe versenden, anrufen.
Vielleicht heißt zu lieben, sich als Helfer melden, wo Menschen gebraucht werden.
Vielleicht heißt zu lieben, die Menschen finanziell unterstützen, die durch Corona in Not geraten sind.
2.
Lasst uns Zeugen für Jesus sein! Das gilt immer. Aber jetzt erst recht!
In der Art und im Geist jenes 75 Jahre alten italienischen Priesters, der mit Atembeschwerden ins Krankenhaus kam. Diagnose Corona.
Er hatte seine Bibel bei sich. Er las anderen Kranken und Sterbenden daraus vor, betete mit ihnen, segnete sie, hielt ihre Hände.
Die Ärzte, Schwestern, Pfleger – müde, ausgelaugt, gestresst – hörten ihm zu, redeten mit ihm.
Nun starb der Priester an Corona. Ein Arzt ist durch ihn zum Glauben gekommen. Dieser Mediziner schreibt:
Der Priester hat es geschafft, trotz seines Zustands und unserer Schwierigkeiten uns das zu geben, was wir verloren hatten: Kraft und Frieden.
3.
Nehmen wir uns viel Zeit für das Gespräch mit Gott! Das gilt immer. Aber jetzt…
Vertrauen wir uns Ihm an! Beten wir Ihn an! Loben und danken wir Ihm!
Hören wir seine Stimme in den Geschichten und Texten des göttlichen Wimmelbuchs namens Bibel!
Bitten wir Ihn für uns – z.B. für Geduld und langen Atem.
Bitten wir Ihn – für die Kinder, die Familien, die Risikogruppen.
Bitten wir Ihn – für die Infizierten, die Schwerkranken, die Sterbenden.
Für die vielen Menschen, die uns allen dienen, indem sie für uns arbeiten.
Für die vielen, die ihren Arbeitsplatz oder ihre Firma verlieren.
Für einen Impfstoff.
Vergessen wir die Ärmsten dieser Welt nicht,
deren ohnehin schwierige Lage noch komplizierter und schwerer wird.
C.
Die Rückseite des dreiteiligen Gemäldes steht zur Verfügung.
1.
Wer will, kann – bildlich gesprochen – auf die Rückseite des dreiteiligen Gemäldes
Bibelverse ‘schreiben’, die ihm helfen, in dieser “bösen” Zeit Gott zu vertrauen.
Vielleicht Ps 3,4: Aber du, Herr, bist der Schild für mich.
Vielleicht Psalm 23, 5: Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht von Corona und den Folgen.
Vielleicht Joh 10,28: Meine Schafe werden nie umkommen. Niemand wird sie aus meiner Hand reißen.
2.
Wer will, kann – bildlich gesprochen – auf die Rückseite des Bildes
seine biblische Geschichte ‘malen’, die ihm hilft, Jesus mit den Augen des Herzen zu sehen.
Die Geschichte, mit der ich lebe, steht in Mt 14,22-33:
Die Jünger nachts auf dem See Genezareth. Hin und her geworfen von den Wellen wie ein Spielball.
Aber:
Gerade das Unheilvolle bringt Jesus zu den Jüngern.
Gerade die bedrohliche Situation lehrt die Jünger, wer Jesus ist.
Besonders eine Szene gibt mir sehr viel: Jesus und Petrus auf den Wellen.
Petrus, der in den Wellen zu versinken droht, streckt einen Arm aus dem Wasser.
Er schreit: Herr, rette mich!
Jesus steht auf dem Wasser. Souverän. Irgendwie stark und ruhig.
Er greift sofort nach der Hand des Untergehenden.
Er zieht ihn heraus. Er rettet ihn. Er zieht ihn zu sich.
Er bewahrt ihn vor dem “Absaufen”. Er hält ihn über Wasser.
Er wird es auch bei uns tun!
Amen!