Gott dient uns mit den Worten der Bibel – Krisenliteratur IV – 15.10.2023

A.
Als Einleitung eine Hommage an die Bibel und ein Dank an Gott

In der heutigen Predigt in unserer kleinen Reihe Krisenliteratur geht es um das Geheimnis, dass Gott uns mit Bibelworten dient.

Weil Gott selbst hinter den biblischen Texten, Geschichten, Bildern und Worten steht, können uns die Worte der Bibel sehr viel geben.

Gott steht aber nicht nur hinter der Bibel, er geht sogar auf geheimnisvolle Weise in die Bibel hinein, um mit ihrer Hilfe zu uns zu kommen.

Wir lesen dieses Geheimnis in 2 Tim 3,16: Die Schriften der Bibel sind, so sagt es Paulus, theo-pneustos. Das ist ein phantastisches Wort. Theo-pneustos ist gleichzeitig passiv- und aktiv. Es heißt gleichermaßen: gott-gehaucht oder gott-geatmet, gott- hauchend oder gott-atmend, von Gott inspiriert und göttlich inspirierend. Deshalb noch einmal: Gott steht nicht nur hinter der Bibel und zur Bibel, sondern Gott gibt seinen Geist in die Bibel hinein, in die Texte, in die Geschichten, in die Verheißungen, in die Gebote. Und deshalb kommt uns aus der Bibel der Geist Gottes entgegen.

Es geht deshalb heute um die millionenfachen Erfahrungen von Christen, dass Gott uns durch Bibelworte versorgt, mit sich selbst und dadurch mit Orientierung, Kraft, Trotzkraft, Durchhaltevermögen, Mut, Trost, Halt, Ermutigung und Hoffnung. Die Bibel ist Gottes Lieblingswerkzeug, um uns durch unsere Krisen zu bringen.

Ich empfehle, dass wir eine Liste der Bibelworte führen, die uns in unseren Nächten, Anfechtungen und Krisen solche göttlichen Versorger sind. Ich empfehle auch, diese Worte auswendig zu lernen. Lasst uns Gott danken für diese Worte!

Ich möchte Euch ein Wort aus meiner Versorgungsliste vorstellen. Es ist aus Jes 41. Gott spricht es immer wieder in mein Leben hinein. Immer wieder gibt es mir etwas. Fürchte dich nicht, ich bin mit dir. Gib nicht auf, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich. Ich helfe dir auch. Ich halte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit… Denn ich bin der Herr, dein Gott, der deine rechte Hand fasst und zu dir spricht: Fürchte dich nicht, ich helfe dir! (Jes 41-10.13).

 

B.

Wir könnten jetzt uns gegenseitig unsere Worte zusprechen, die uns in unseren Krisen helfen. Aber wir würden zum Schluss vor lauter Baumen den Wald nicht mehr sehen. Ich möchte etwas anderes machen. Ich will uns zwei Geschichten vorstellen, die uns helfen können, gute Bibelworte in Zeiten, wo es uns schlecht geht, auch wirklich zu hören und aufzunehmen.

I.
Die Geschichte vom Seil mit den Lumpen aus Jer 38,7-13
(nach Johann Georg Hamann)

7 Als aber der Kuschiter Ebed-Melech, ein Eunuch in des Königs Haus, hörte, dass man Jeremia in die Zisterne geworfen hatte, und der König gerade im Benjamintor saß, 8 da ging Ebed-Melech aus des Königs Haus und redete mit dem König und sprach: 9 Mein Herr und König, diese Männer haben übel gehandelt an dem Propheten Jeremia, dass sie ihn in die Zisterne geworfen haben; dort muss er vor Hunger sterben; denn es ist kein Brot mehr in der Stadt. 10 Da befahl der König dem Kuschiter Ebed-Melech: Nimm von hier drei Männer mit dir und zieh den Propheten Jeremia aus der Zisterne, ehe er stirbt. 11Und Ebed-Melech nahm die Männer mit sich und ging in des Königs Haus unter die Schatzkammer und nahm dort zerrissene, alte Lumpen und ließ sie an Stricken hinab zu Jeremia in die Zisterne. 12 Und der Kuschiter Ebed-Melech sprach zu Jeremia: Lege diese zerrissenen, alten Lumpen unter deine Achseln um die Stricke; und Jeremia tat so. 13 Und sie zogen Jeremia an den Stricken herauf und holten ihn aus der Zisterne. Und so blieb Jeremia im Wachthof.

1.
Kurz zur geschichtlichen Situation. Wir sind im Jahr 587, 586 vor Christus. Jerusalem wird von den Babyloniern belagert. Die Eroberung steht kurz bevor. Gegner des Jeremia schwärzen ihn beim König an. Der redet nur negativ. Der entmutigt die Kämpfer. Der schwache, mit allem vollkommen überforderte König erlaubt, dass man Jeremia in eine Zisterne wirft. Wir wissen nicht, wie viele Wochen Jeremia in der dunklen Zisterne gefangen war. Gott benutzt einen People-of-colour-Mann aus Afrika, um ihn zu befreien. Mittels eines Seiles wird er aus der Zisterne gezogen. Damit das Seil den Jeremia nicht wundreibt, werden Lumpen als Polster und Schutz benutzt. Was für eine Menschlichkeit! Was für ein Gespür für die Situation!

2.
Dieses Seil ist eine Metapher für die Kraft der Bibelworte

a.
Sie können uns, nein Gott kann uns mit Hilfe solcher Bibelworte herausziehen aus dem Loch der Resignation, der Verzweiflung, der Hoffnungslosigkeit.

Das ist mein Glaube: Dass Gott mich mittels Bibelworten aus meinen Zisternen herauszieht.

Das ist meine Motivation zur Fürbitte: Dass Gott andere mittels Bibelworten aus ihren Zisternen herauszieht.

Und die Lumpen sind die Menschlichkeit, die Liebe von Menschen, damit wir uns nicht wundreiben!

b.
Was ist aber, wenn es keine Veränderung gibt, kein happy-end, kein Wunder…? Was ist, wenn wir in der Zisterne, in unserem Loch bleiben?

Dann kommt mit Hilfe von Bibelworten mein Herr zu mir und schenkt mir in meinem dunklen Loch seine Nähe, seine Gegenwart, sein Mitleiden…

Auch das motiviert zur Fürbitte: Herr, komm du in die Zisterne meines Freundes, meines Kindes…

Diese Metapher aus dem Leben des Jeremia ist wie ein Rettungsanker, an den man sich klammern kann. Aber es ist ein spezieller Rettungsanker. Er hat die Kraft Gottes. Entweder zieht Gott uns damit heraus oder kommt damit zu uns! Vergessen wir Jer 38 nicht mehr! Vergessen wir dieses Bild nicht! Verinnerlichen wir es uns!

Ich erinnere an eine Verheißung, die Hanna Hümmer einmal so formuliert hat: Sein Wort wird nicht von Dir weiche, auch wenn du in Angst bist und Ihn nicht fassen kannst.

 

II.
Die Geschichte von den Eisschollen
(nach Thorsten Dietz bzw. Rudolf Bohren)

1.
Es ist eine Geschichte, die sich als tragfähig erweist. Es ist eine hilfreiche Geschichte, in Zeiten wie dieser, in denen so viel brüchig geworden ist…

Die Geschichte ist tatsächlich geschehen. Sie handelt von einem böhmischen Bruder, einem evangelischen Pfarrer, der sich 1540 selber den Namen Israel gab. Ich lese sie uns vor.

Als Jiri (Georg) Israel, einer der Stillen im Getümmel der Welt, vor Ostern im Jahre 1551 bei Torun über die gefrorene Weichsel ging, begann vor seinen Füßen plötzlich das Eis zu brechen.

Und Jiri Izrael sprang von Scholle zu Scholle und sang dabei den 148. Psalm 148:

Lobet im Himmel den Herrn. Lobet ihn in der Höhe. Lobet ihn all sein Heer! Von Scholle zu Scholle.

Lobet ihn Sonne und Mond, lobet ihn alle leuchtenden Sterne. Von Scholle zu Scholle.

Lobet ihn ihr Himmel aller Himmel und und ihr Wasser über dem Himmel. Von Scholle zu Scholle.

Lobet den Namen des Herrn alle Dinge, denn er gebot, da wurden sie geschaffen. Von Scholle zu Scholle.

Lobet den Herrn auf Erden, ihr großen Fische und alle Tiefen des Meeres. Von Scholle zu Scholle.

Lobet den Namen des Herrn, denn sein Name allein ist hoch, seine Herrlichkeit reicht, so weit Himmel und Erde ist.

Und so gelangte Jiri Israel aus der Strömung des Flusses glücklich ans Ufer.“

2.
Wir können jetzt billig einwenden: Der hatte Glück. Die Eisschollen waren groß und fest genug. Natürlich waren sie das.

Aber wir können auch fragen: Was lernen wir von Jiri Israel? Was hat er gemacht? Was hat ihm das Singen von Psalm 148 gebracht?

Eigentlich möchte ich mich gar nicht in die Situation hineinversetzen. Das ist für mich Horror pur! Versuchen wir es trotzdem! Ich stelle dazu drei Fragen.

a.
Was ist der größte Fehler, den man begehen kann, wenn man auf der ersten Scholle auf der Weichsel steht?

Man kommt ins Nachdenken. Ins Grübeln. Mist, ich brauche einen Plan! Mist, ich bin verloren! Das kann gar nicht gutgehen. Dadurch aber geht man unter!

b.
Was hat Jiri Israel intuitiv richtig gemacht?

Er wusste: Ich darf jetzt nicht stehenbleiben. Ich muss da jetzt durch. Ich muss schauen. Ich muss springen.

c.
Und was schenkt ihm der Psalm? Was leistet der Psalm? Was bewirkt der Psalm?

Der Psalm richtet ihn nach oben aus! Der Psalm hindert ihn daran, in die Grübelfalle zu stürzen. Der Psalm hält ihn davon ab, zu denken: Ich kann jetzt etwas planen, etwas machen. Nein. Er ist in Bewegung. Es geht nur noch ums Durchkommen, ums Ankommen. Der Psalm gibt ihm Halt. Der Psalm hindert ihn am Grübeln. Der Psalm hält ihn in Bewegung. Er springt über das brüchige Eis. Von Scholle zu Scholle“.

“Es geht manchmal im Leben nur noch von Scholle zu Scholle. Da hilft es nicht mehr zurückzuschauen: Vor ein paar Monaten war alles noch so schön, so sicher, so stabil. Auch nicht, wenn ich vom Sommer träume, also von besseren Zeiten: Dann könnte ich schwimmen. Es hilft auch nicht zu fragen, warum das jetzt alles so ist. 1000 Gedanken helfen nicht, helfen nichts. Manchmal ist Leben ein Von Scholle zu Scholle-Springen! Manchmal ist der Überlebensmodus der einzige, der noch angemessen ist.“ (Thorsten Dietz, Worthaus, Vortrag über Spiritualität, aufgerufen am 11.10.2023)

Vergessen wir Jiri Israel und seinen Schollen nicht mehr! Vergessen wir diese Geschichte nicht! Verinnerlichen wir sie uns! Und singen wir dann, wenn wir es brauchen, ein Lied oder den Psalm 148. Lobet den Namen des Herrn. Von Scholle zu Scholle.