Herzens-Einstellungen gegenüber Gott und dem Beten – Von Thomas Pichel

A.

I.
Der für den 1. Advent in diesem Jahr offiziell vorgesehene Predigttext ist Psalm 24

1 Ein Psalm Davids. Die Erde ist des HERRN und was darinnen ist, der Erdkreis und die darauf wohnen. 2 Denn er hat ihn über den Meeren gegründet und über den Wassern bereitet.

3 Wer darf auf des HERRN Berg gehen, und wer darf stehen an seiner heiligen Stätte? 4 Wer unschuldige Hände hat und reinen Herzens ist, wer nicht bedacht ist auf Lüge und nicht schwört zum Trug: 5 der wird den Segen vom HERRN empfangen und Gerechtigkeit von dem Gott seines Heils. 6 Das ist das Geschlecht, das nach ihm fragt, das da sucht dein Antlitz, Gott Jakobs.

7 Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe! (wörtlicher: Ihr Tore, hebt hoch euer Haupt! Erhebt euch, ihr uralten Pforten! Dass Einzug halte der König der Herrlichkeit) 8 Wer ist der König der Ehre? Es ist der HERR, stark und mächtig, der HERR, mächtig im Streit. 9 Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe! 10 Wer ist der König der Ehre? Es ist der HERR Zebaoth; er ist der König der Ehre.

 

II.
Anmerkungen zu Psalm 24 bzw. zur Adventszeit

1.
Psalm 24 hat drei Teile:

Verse 1-2: Was ist das Wesen der Welt? Sie ist Gottes Schöpfung. Sie gehört Gott. Überall in der Schöpfung scheint Gottes Größe und Herrlichkeit auf.

Verse 3-6: Was ist die Berufung des Menschen? Er ist berufen zur Begegnung mit dem Schöpfer. Er steht unter der Forderung Gottes, aber auch unter den Verheißungen Gottes.

Vers 7-10: Was ist das Wesen Gottes? Der verborgene Gott will kommen und unter den Menschen wohnen. Er sucht nach offenen Toren und Türen. Deshalb gehört er unbedingt in die Adventszeit. Deshalb ist auch immer wieder ein Predigttext für die Adventszeit!

2.
Die Adventszeit hat eine dreifache Botschaft:

(1) Es geht im Advent um Jesu erstes Kommen. Gott ist in Jesus in diese Welt gekommen.

(2) Es geht im Advent um Jesu zweites Kommen. Jesus wird eines Tages wiederkommen, um Gericht zu halten, um die Erde zu heilen, um das Reich Gottes zu vollenden.

(3) Es geht im Advent um Jesu Nähe, um sein immer neues Kommen zu uns, um sein Mit-uns-Reden-Wollen. Der König der Ehren will immer wieder zu uns kommen, mit uns reden, mit uns zusammen sein, uns verändern, uns beschenken, uns beauftragen. Die alles entscheidende Frage lautet deshalb: Sind wir offen und empfangsbereit für Gott?

3.
Unser Herz ist der Ort, an dem wir mit unseren Gefühlen, mit unserem Verstand und mit unserem Willen entscheiden, ob wir unseren Mitmenschen (Nächsten, Allernächsten und Allerliebsten) gegenüber zu sind, dichtmachen, uns ihnen verweigern, von ihnen weglaufen, sie bekämpfen – oder ob wir uns für sie öffnen, sie an uns heranlassen, das Zusammensein mit ihnen wollen und das Gespräch suchen.

Unser Herz ist der Ort, an dem wir entscheiden, ob wir Gott gegenüber zu sind, dichtmachen, uns ihm verweigern, von ihm weglaufen, ihn sogar bekämpfen – oder ob wir uns für ihn öffnen, ihn an uns heranlassen, das Zusammensein mit ihm wollen und das Gespräch mit ihm suchen.

 

B.
Die Herz-Einstellungen gegenüber Gott und dem Gebet

 

I.
Ich sehe vier Grundeinstellungen.

(1) Die negative Erwartungshaltung

Man erwartet nicht nur nichts Gutes von Gott. Man ist voller Vorbehalte, Ressentiments und Misstrauen Gott, dem Glauben, der Bibel gegenüber. Man hält Gott für eine Bedrohung, für ein Problem. Man befürchtet Negatives. Man fürchtet den Willen Gottes. Man fürchtet Fremdbestimmung und Bevormundung. Man fürchtet um seine Freiheit(en). Deshalb bekämpft man den Gottesgedanken. Deshalb verjagt man alles und jeden, der einen an Gott erinnert.

Gott ist hier nicht der König der Ehren, sondern eine Problemfigur. Klar, dass man in dieser Einstellung nicht betet.

(2) Die Erwartungslosigkeit

Es kann sich um eine gleichgültige Erwartungslosigkeit handeln. Man verspricht sich nichts von Gott. Gott ist nicht der König der Ehren, sondern eine Märchenfigur bzw. eine Illusion. Klar, dass man mit diesem Gott nicht vertrauenden Glauben nicht betet.

Es kann sich aber auch um eine enttäuschte und resignative Erwartungslosigkeit handeln. Man hat einmal alle Hoffnung auf Gott gesetzt. Man hatte Erwartungen. Aber die Hilfe blieb aus, der Wunsch bliebt unerfüllt, es kam alles anders, als man es sich erträumt hatte. Jetzt betet man nicht mehr.

(3) Die Erwartungshaltung

und die (4) Haltung der Erwartung.

Die beiden letzten Herzens-Einstellungen wollen wir uns nun näher anschauen.

 

II.
Was ist der Unterschied zwischen einer Erwartungshaltung und einer Haltung der Erwartung?
(von und nach Guido Baltes)

1.
Gläubige Menschen können eine Menge an Erwartungen haben. Wir beten, weil wir Erwartungen, Anliegen und Wünsche an Gott haben.

Man kommt in den Gottesdienst und erwartet eine tolle Zeit des Lobpreises, eine tolle Predigt.

Man erwartet in der Stillen Zeit, dass Gott mir sagt, was ich nach meiner Vorstellung unbedingt brauche.

Man betet und erwartet, dass Gott schenkt, was ich mir wünsche.

Man denkt an sein Leben, man hat Pläne. Man erwartet, dass Gott alles so fügt, wie man es sich ausmalt.

Das ist gut so! Es ist vollkommen in Ordnung, dass wir Anliegen und Wünsche an Gott haben.
Die Frage lautet dabei immer wieder: Kommen unsere Erwartungen aus einer Erwartungshaltung oder aus einer Haltung der Erwartung?

2.
Was meint das Wort Erwartungshaltung?

Eine Erwartungshaltung ist eine problematische Denke, die sich in unserem Herzen breit und groß machen kann. Was ist das Problematische daran?

(1)
In einer Erwartungshaltung erwarte ich wie selbstverständlich und mit der Überzeugung, ich hätte ein Recht, einen Anspruch darauf, dass meine Mitmenschen meine Erwartungen und Vorstellungen erfüllen, dass auch Gott meine Erwartungen und Vorstellungen erfüllt. Meine Mitmenschen und Gott sollen sozusagen liefern.

Gott ist in dieser Einstellung nicht der König der Ehren, sondern der Weihnachtsmann, der dazu da ist, dass er Geschenke bringt und allen eine Freude macht. Oder Gott ist wie ein Geschäftsmann, bei dem ich etwas bestellt habe und der mir möglichst schnell die bestellten Sachen liefern soll.

(2)
In einer Erwartungshaltung bin ich fixiert auf das, was ich will, auf das, was ich als gut und schön empfinde. Eine Erwartungshaltung orientiert sich ausschließlich an dem, was uns bestätigt, was uns Recht gibt, was wir kennen und was wir mögen. Eine Erwartungshaltung wünscht sich die Bestätigung der eigenen Lieblingsgedanken. Wir wünschen uns diese Dinge immer wieder, wir wünschen uns noch mehr davon und, wenn möglich, alles noch besser.

Noch einmal: Wir dürfen Gott unsere Lieblingswünsche sagen! Aber wenn wir das in einer Erwartungshaltung tun, sind wir nicht offen für Gott, sondern beschränken ihn. Wir sind nicht offen für Unbekanntes, für Neues, für Überraschendes, für Anderes.

3.
Was ist mit der Haltung der Erwartung gemeint? Wie geht die Haltung der Erwartung mit Gott um?

Die Haltung der Erwartung sagt Gott die eigenen Anliegen und Wünsche. Noch einmal: Das darf ich. Und das soll ich. Ich bin ein Kind des himmlischen Vaters. Aber die Haltung der Erwartung gibt Gott frei. Sie verpflichtet Gott nicht, dass er mich immer und in allem bestätigt, dass er all meine Wünsche erfüllt. Die Haltung der Erwartung ehrt Gott, indem sie ihn wirklich König sein lässt.

Die Haltung der Erwartung ist offen und bereit, sich überraschen zu lassen.
Sie ist offen und bereit für etwas ganz Anderes, für andere Antworten Gottes.
Sie ist offen und bereit, sich auf das Unbekannte und Neue einzulassen.
Und sie ist bereit, die eigenen Erwartungen enttäuschen zu lassen.

Was könnte passieren, wenn wir wirklich offen sind für Gott, wenn Gott frei ist, uns zu geben, was er möchte?

Was wäre, wenn Gott etwas für dich hat, womit du nicht rechnest?
Vielleicht etwas, das du dir selber nie wünschen würdest?
Vielleicht etwas, was dir nicht in den Kram passt?
Vielleicht etwas, das du noch nie gemacht hast?
Aber vielleicht das Beste, was dir passieren kann, wenn du dich darauf einlässt?!

Es würde vielleicht dein Leben auf den Kopf stellen, aber dein Leben prägen und erfüllen!

 

C.
Wie kann diese Haltung der Erwartung praktisch aussehen?

I.
Wir stellen voller Hoffnung unseren Nikolausstiefel raus!

Der Nikolausstiefel kann ein Symbol sein für eine Erwartungshaltung sein. Wir legen einen vollen Bestellschein hinein. Gott soll liefern. Er darf nichts vergessen. Es muss genau so kommen, wie wir es uns vorstellen.
Der Nikolausstiefel kann aber auch ein Symbol für eine Haltung der Erwartung sein. Wir legen unseren Wunschzettel hinein. Aber wir vermerken deutlich:

Herr, ich sage dir meine Anliegen. Du kennst meine Wünsche!
Aber ich bin offen für Überraschungen, für Neues.
Du musst mich nicht immer bestätigen.
Du darfst meine Wünsche enttäuschen.
Ich bin offen für das, was du schenken willst.
Du darfst etwas haben für mich, womit ich nicht rechne, was ich mir nie wünschen würde, was mich unterbricht, was mein Leben ändert…
Ich will mich nicht an das klammern, was ich kenne, was mir vertraut ist.
Ich glaube nicht mehr an mich. Ich vertraue Dir.

Damit sind wir beim Schlussgedanken. Bei der eigentlichen Botschaft der Adventszeit!

II.
Wir machen etwas, was man beim Nikolaus oder beim Weihnachtsmann nicht tut. Wir laden das ehemalige Christkind zu uns ein. Wir wollen die Gemeinschaft mit Jesus. Wir suchen das Gespräch mit ihm.