Luk 2,1-21 – Weihnachten 2024 – Worum geht es an Weihnachten? – Von Thomas Pichel

A.
Das Weihnachtsfest ist tückisch. Ich meine nicht den Stress der Vorbereitungen. Ich meine auch nicht, dass wir in der Gefahr sind, zu viel zu essen und zu trinken. Ich meine die Forderungen, die mit Weihnachten verbunden sind, die aber ohne den göttlichen Hintergrund von Weihnachten erhoben werden.

Be merry! Sei fröhlich! Freue dich! – Diese Forderung ist nur vernünftig, wenn man einen guten Grund hat, fröhlich zu sein.

Sei voller Liebe! Liebe deine Familie! Liebe die Armen! Liebe… Liebe! – Diese Forderung ist berechtigt und vernünftig. Die Frage ist aber, ob wir den Willen und die Kraft zum Lieben haben!

Beim christlichen Weihnachtsfest geht es um etwas. Es geht um gute Gründe, sich freuen zu können. Es geht um die Kraft, lieben zu können! Und weil diese Gründe und diese Kraft von Gott kommen, geht es um die Frage, ob unsere Beziehung zu Gott vorhanden und gut ist.

 

B.

I.
Teil 1: Die Weihnachtsgeschichte: Der offene Himmel trifft auf offene Menschen

1.
Gottseidank! Es gibt nicht nur diese Erde! Es gibt den Himmel! Es gibt den lebendigen Gott! Es gibt seine Liebe. Es gibt seine Macht. Wir Menschen sind in diesem Riesen-Weltall und in diesem Riesen-Schlamassel auf der Erde nicht allein! Der Himmel ist der unsichtbare Teil der Schöpfung, der für uns unzugänglich ist und in dem wir Menschen nichts anstellen können.

2.
Gottseidank! Es gibt die Weihnachtsgeschichte: In der Nähe des Dorfes Bethlehem öffnet sich plötzlich und unerwartet der Nacht-Himmel. Hirten, die ihre Schaf- und Ziegenherden hüten, sehen etwas Faszinierendes und zugleich Furchterregendes.

Die Hirten hören als erste Menschen die Weihnachtsbotschaft: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.

Es geht an Weihnachten um die Identität und Aufgabe Jesu. Der Himmel verrät, wer Jesus ist. Der Engel gibt Jesus die zwei Titel, die der Kaiser Augustus in Rom für sich beanspruchte:

Heiland, griechisch soter, das heißt Wohltäter, Helfer und Retter, der vor Feinden schützt, der Frieden garantiert, der alles und jeden in eine gute Zukunft führt

Herr heißt Herr aller Völker, Herr der Welt, der Herr aller Herren und Mächte.

Und der Engel gibt Jesus den jüdischen Titel Messias, auf Griechisch Christos, was bei uns zum Eigennamen Christus wurde. Messias – das ist der verheißene Sohn Davids, der König Israels, der Befreier aus aller Not, von allem Leid, von Unfreiheit und Unterdrückung…

Ausgerechnet die Hirten hören als erste Menschen diese Herrscher-Titel für Jesus. Die Hirten sind arme und einfache Leute! Sie sind schlecht bezahlte Schichtarbeiter. Wer sein Geld nachts und im Freien verdienen muss, hat es nötig. Und sie stehen – zurecht und zu Unrecht – in Verruf. Man sagt ihnen kleinkriminelle Dinge nach. Ausgerechnet diese Männer hören als erste Menschen die paradoxe Botschaft von Gottes gewaltiger Kleinigkeit. Gott versteckt seine Kraft und Macht in einem Säugling, dem Sinnbild von Abhängigkeit und Ohnmacht.

Die Hirten sind offen und empfänglich für die Botschaft, die sie hören. Sie besitzen die Demut, ihren Verstand nicht zum Maßstab für Gott zu machen. Als die Engel wieder weg sind, schauen sie nach, ob das stimmt, was Gott ihnen anvertraut hat. Und sie machen die Erfahrung, dass es stimmt.

3.
Jesus ist weder für Maria noch für Josef ein Wunschkind, sondern eine Belastung!

Neun Monate vor der Geburt Jesu bekommt Maria Besuch von einem besonderen Boten des Himmels namens Gabriel. Der himmlische Nachrichtensprecher überbringt Maria eine belastende Botschaft: Maria, du wirst ohne Mann schwanger werden. Du wirst einen Sohn gebären. Du sollst ihn Jesus nennen. Maria ist ganz Ohr. Maria lässt sich auf das Gehörte ein. Sie besitz die Demut, ihren Verstand nicht als letzten Maßstab zu nehmen. Sie besitzt den Mut, die möglichen Konsequenzen der Schwangerschaft zu bejahen.

Josef, Marias Verlobter, reagiert schockiert. Er glaubt, dass Maria ihn betrogen hat. Was für ein demütigender Vertrauensbruch! In einer Nacht schenkt Gott Josef einen Traum. Damit holt Gott ihn aus seiner Verzweiflung heraus: Hab keine Angst vor einer Zukunft mit Maria! Das Kind ist wirklich von Gott. Josef hört diese Botschaft. Auch er ist ganz Ohr. Auch er besitzt Demut und Mut. Er ist bereit, dieses Kind, das nicht von ihm ist und nicht zu seinen Wünschen und Vorstellungen passt, als Adoptivkind anzunehmen und für den Jungen zu sorgen.

 

II.
Teil 2: Worum geht es an Weihnachten?

1.
Worum geht es an Weihnachten? Es geht zunächst um die Bestätigung von etwas, das wir alle wissen: Wir leben alle von der Liebe anderer! 

Ich staune: Gott vertraut seinen Sohn zwei Teenagern an. Jesus ist als Baby und Kind abhängig von Maria und Josef. Sie ernähren, versorgen und beschützen Jesus. Sie verzichten seinetwegen auf vieles! Sie nehmen seinetwegen Risiken und Schwierigkeiten in Kauf. Maria und Josef schenken Jesus ihre Liebe!

Wir sehen an Maria und Josef etwas über unser Leben, das leicht in Vergessenheit gerät: Wir alle sind angewiesen auf den Schutz und die Versorgung durch andere Menschen! Wir alle leben von der selbstlosen dienenden Liebe anderer!

2.
Worum geht es an Weihnachten? Es geht um den Glauben an die Liebe Gottes, die uns zum Lieben fähig macht.

Die Liebe Marias und Josefs ist ein Zeichen für Gottes Liebe zu uns, für die Liebe, die der erwachsene Jesus gelebt hat. Gott kommt auf die Welt. Er selbst wird Mensch. Höchstpersönlich. Der Gott des Alten Testaments outet sich „endgültig als liebender Gott, als ein Gott der uneingeschränkten, verlässlichen, geduldigen Liebe“ (Manfred Lutz). In Jesus wird Gottes Liebe nahbar, greifbar und erlebbar, hörbar, sichtbar und fühlbar. In Jesus wird es so anschaulich, was der 1 Joh-Brief auf die Formel bringt: Gott ist die Liebe! (1 Joh 4,16) Der erwachsene Jesus ist die Liebe Gottes in Person.

Wir alle leben von der selbstlosen dienenden Liebe Gottes! Glauben wir diese Liebe! Glauben wir: Jesus ist, weil er uns liebt, zum Beispiel ganz Ohr für uns. Jesus hat alle Zeit des Himmels, um uns zuzuhören, um zu hören, was wir ihm anvertrauen wollen. Glauben wir es! Wir sind nicht mit uns allein!

Die Liebe ist der Grund und das Ziel und die Mitte des Lebens. Der Sinn des Lebens ist es, geliebt zu werden und zu lieben. Woher kommt die Kraft zum Lieben? Sie kommt aus der Erfahrung, von Menschen geliebt zu sein. Wer echte Liebe von Menschen erfährt, bei dem kann es zum Lieben kommen. Und sie kommt aus der Erfahrung, von Gott geliebt zu sein. In Jesus wird uns die selbstlose dienende Liebe Gottes so zuteil, dass sie uns zum Lieben reizt und befähigt!

3.
Worum geht es an Weihnachten? Es geht um die Hoffnung auf Jesu Macht!

Ohne Gottes Wort käme man nicht darauf! Dieses Kind aus dem Stall ist der König dieser Welt! Gott lässt es uns sagen: Die Herrschaft ruht auf seiner Schulter (Jes 9,5). Ihm ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden (Mt 28,18). Eines Tages werden alle Menschen und alle sichtbaren und unsichtbaren Mächte ihre Knie vor Jesus beugen und seine Herrschaft anerkennen (Phil 2,10).

Wir alle leben von der guten Macht Jesu! Hoffen wir auf diese Macht! In jeder Situation! Bei jedem Thema! In jeder Not!

Und vergessen wir es nie! Wir sind Wartende! Wir warten auf die Zukunft Jesu! Der gekreuzigte und auferstandene Jesus ist die Zukunft für jeden von uns. Er ist die Zukunft der schuldigen und leidenden Menschheit, die Zukunft der erschütterten Welt, die Zukunft der seufzenden Schöpfung.

 

III.
Teil 3: Wie wir auf die Weihnachtsbotschaft reagieren können

1.
Die Weihnachtsbotschaft gilt uns persönlich!

Es heißt: Euch ist der Retter geboren. Weihnachten geschah für uns, um unsertwillen, zu unseren Gunsten. Alles, was in der Bibel mit Jesus zu tun hat, ist eine Liebeserklärung Gottes an Dich und ein Werben Gottes um Dich.

Es heißt: Heute. Es bedeutet: Weihnachten ist von bleibender Gültigkeit und Aktualität. Auf dieses Heute kommt es an. Jesus ist heute als auferstandener Herr hier – mitten in unserem Leben, mitten in unserem Glück, mitten in unseren Krisen.

2.
Also: Wie reagieren wir auf die Botschaft?

(1)
Sind wir offen für Gottes Reden. Sind wir ganz Ohr für ihn!

Gott will uns heute mit Weihnachten beschenken und erfreuen! Aber wie Wasser geschlossene Gefäße nicht füllen kann, so kann Gott uns nicht segnen, wenn wir uns gegen ihn verschließen.

Ehren wir Gott, indem wir offen und empfänglich, indem wir ganz Ohr sind für sein Reden.

Wir sehen das an Maria und Josef. Wir sehen das an den Hirten. Gott konnte mit ihnen reden, weil sie hörten. Und sie ließen sich auf das ein, was sie hörten. Auch wenn das im Fall von Maria und Josef ihr Leben belastete!

Ziehen wir die Konsequenzen aus Weihnachten! An Weihnachten eröffnet Gott uns seine Liebe! Das, was unser Herz für Gott öffnet, ist unser Glaube an Gott und unsere Hoffnung auf ihn!

(2)
Glauben wir, dass Er bei uns ist, dass Er regiert, dass Er ganz Ohr ist für uns!

Vertrauen wir uns ihm an! Das Gebet (von bzw. nach Thorsten Dietz) könnte ungefähr so lauten:

„Herr Jesus, ich danke Dir für die Weihnachtsbotschaft. Ich will mich öffnen für Dich. Und merke, dass ich das gar nicht gut kann. Hilf mir dazu durch Deinen guten Geist!

Ich schütte dir mein Herz aus, auch wenn ich gar nicht genau weiß, was da alles drinsteckt:
Ich gebe dir meine Freuden und mein Glück, indem ich Dir danke.
Ich gebe dir meine Freudlosigkeit, meine Resignation.
Ich gebe dir meine Ängste und Sorgen, meine Fragen und Zweifel.

Ich gebe dir mein Gedächtnis, alles, was mir anhängt, was mich quält. Ich gebe dir meine Schuld, meine Lieblosigkeiten, mein Misstrauen, meine Gereiztheit, meinen Unfrieden, alles, worin ich gefangen bin, alles, womit ich meine Beziehungen belaste und ruiniere. Ich gebe dir auch meine Verletzungen.

Ich gebe dir meine Wünsche, meine Sehnsüchte, wie peinlich oder verwegen sie auch sind.

Ich bitte Dich um Dich, um Deine Nähe. Ich bitte Dich, dass du in mein Herz kommst. Dass Du Dich ganz klein machst, wie damals in der Krippe, und in mich hineinkommst.

Ich bitte dich um Liebe, Vertrauen und Hoffnung. Und es ist genug!

Gib mir Deine Liebe und es ist genug. Gib mir Deine Liebe, die mich hört und sieht. Gib mir Deine Liebe, die mich umgibt und schützt. Gib mir Deine Liebe, die mich berührt und erfüllt. Gib mir Deine Liebe, die mich gelassen und getröstet macht. Gib mir Deine Liebe, die mich umgibt wie ein wärmender Mantel, egal, wie kalt es wird. Gib mir Deine Liebe. Sei Du mein Gott! Und ich will Dein Kind sein!“

(3)
Machen wir mit beim Lob Gottes! 

Die Engel lobten Gott. Die Hirten lobten Gott.

(4)
Geben wir die empfangene Liebe weiter! Sind wir z.B. offen für die Nöte unserer Mitmenschen! Sind wir z.B. ganz Ohr für unsere Mitmenschen!

Schenken wir den Menschen unsere Zeit, unser Zuhören, unser Interesse, unser Einfühlungsvermögen, unser Mitleiden, unser Mittragen, unser Herz, unsere Liebe!

(5)
Werden wir zu Verkündigern und Verkündigerinnen der Botschaft! Erzählen wir von diesem Gott, von diesem König!

Machen wir es wie die Hirten. Von ihnen heißt es: Da die Hirten das Kind gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, welches zu ihnen von diesem Kinde gesagt war.

Die Hirten sehen Jesus, sehen Maria und Josef. Sie machen die Erfahrung, dass Worte des Himmels stimmen. – Aber die Hirten werden auch ein Segen für Maria und Josef, die ja von dem offenen Himmel nichts mitbekommen haben. Was für eine Stärkung des Glaubens ist es doch, wenn Menschen zusammenkommen und von ihren gleichen oder zusammen passenden Erfahrungen erzählen können!

Und versuchen wir, die Botschaft des Engels unseren Mitmenschen vorzuleben und verständlich zu machen, die leider Gott nicht kennen, die die Erfahrung von Gottes Liebe und Gottes Macht noch nicht gemacht haben!

Denn auch ihnen gilt die Weihnachtsbotschaft: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr!