Mk 14,12-25 – Das Abendmahl ist eine Stiftung und ein Sakrament Jesu – Von Thomas Pichel

A.
Einleitung: Was ist eine Stiftung?

Wenn man googelt, kann man folgende kurze Erklärung lesen: Eine Stiftung ist eine Einrichtung, die mit Hilfe eines Vermögens einen vom Stifter festgelegten Zweck verfolgt. Die Stiftung legt das ihr übertragene Vermögen sicher und gewinnbringend an. Die so erwirtschafteten Überschüsse werden für den gemeinnützigen Zweck ausgegeben.

Das Abendmahl ist eine Stiftung. Jesus ist der Stifter. Bei jeder Feier des Abendmahl bekommen wir aus dem Vermögen Jesu die Summe ausgezahlt, die wir brauchen, um mit Jesus fröhlich und getrost leben zu können.

 

B.
Teil 1: Die erste Abendmahlsfeier

1.
12 Und am ersten Tage der Ungesäuerten Brote, da man das Passalamm opferte, sprachen seine Jünger zu ihm: Wo willst du, dass wir hingehen und das Passalamm bereiten, damit du es essen kannst? 13 Und er sandte zwei seiner Jünger und sprach zu ihnen: Geht hin in die Stadt, und es wird euch ein Mensch begegnen, der trägt einen Krug mit Wasser; folgt ihm, 14 und wo er hineingeht, da sprecht zu dem Hausherrn: Der Meister lässt dir sagen: Wo ist die Herberge für mich, in der ich das Passalamm essen kann mit meinen Jüngern? 15 Und er wird euch einen großen Saal zeigen, der schön ausgelegt und vorbereitet ist; und dort richtet für uns zu. 16 Und die Jünger gingen hin und kamen in die Stadt und fanden’s, wie er ihnen gesagt hatte, und bereiteten das Passalamm. 

Am Vortag, dem sog. Rüsttag des Passafestes (hebr. Pessach) bzw. des Festes der Ungesäuerten Brote (hebr. Mazzot) wurden die Pessach-Lämmer geschlachtet und alle Festvorbereitungen (Herrichten des Raumes, Besorgen der Speisen und Getränke, Bereitung der ungesäuerten Brote) verrichtet.

Da das Passamahl nur in Jerusalem gefeiert werden durfte, fragen die Jünger Jesus nach dem Ort der Feier. Die Szene erinnert an die Besorgung des Esels als Reittier für Jesus und an die Vorbereitungen des Einzuges in Jerusalem in 11,1-6. Jesus macht eine Weissagung, die eindeutiger ist, als man zunächst denkt. Ein Mann, der nach Art der Frauen einen Wasserkrug auf dem Kopf trägt und nicht in Schläuchen auf der Schulter, ist auffällig und identifizierbar.

Die präzise Vorhersage Jesu erfüllt sich. Die Jünger finden den Mann und fragen nach dem Raum für die Feier des Meisters. Der geeignete Saal (Stichwort Polster) wird Jesus anstandslos zur Verfügung gestellt.

Wie in 11,1-6 sehen wir das Vorherwissen und die Verlässlichkeit Jesu, seine Souveränität und Autorität. Wie in 11,1-6 begreifen wir, dass die wunderhaften Ereignisse von Gott vorbereitet und geführt sind.

2.
17 Und am Abend kam er mit den Zwölfen. 18 Und als sie bei Tisch waren und aßen, sprach Jesus: Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch, der mit mir isst, wird mich verraten. 19 Da wurden sie traurig und sagten zu ihm, einer nach dem andern: Bin ich’s? 20 Er aber sprach zu ihnen: Einer von den Zwölfen, der mit mir seinen Bissen in die Schüssel taucht. 21 Der Menschensohn geht zwar hin, wie von ihm geschrieben steht; weh aber dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird! Es wäre für diesen Menschen besser, wenn er nie geboren wäre. 

Jesus prophezeit den Verrat. Das in v18 stehende griechische Wort heißt wörtlich „übergeben“ und „ausliefern“. Bei einem Verrat gibt es immer eine Dreiecksbeziehung zwischen dem Verräter, dem Verratenen und den Profiteuren des Verrates, im Fall von Jesus dessen Gegner (siehe 14,10-12). Da Jesus der Gastgeber der Feier ist, stellt der Verrat eine schwerwiegende Verletzung der Gastfreundschaft dar. Da Jesus der Lehrer und Freund des Judas ist, ist der Verrat ein schwerer Bruch von Loyalität und Treue, von Vertrauen und Freundschaft. Ps 41,10 erfüllt sich: Auch mein Freund, dem ich vertraute, der mein Brot aß, tritt mich mit Füßen. Der Verrat ist aber auch der Bruch mit den anderen Jüngern.

Obwohl Jesus den Namen des Judas nicht ausspricht, reagieren die anderen Jünger nicht, wie man es erwarten würde. Sie fragen nicht nach dem Verräter, sondern stellen in v19 traurig die Frage: „Bin ich es?“ Bevor Jesus in den Versen 20-21 den Hinweis auf Judas gibt, der an diesem Abend gegenüber Jesus zu Tisch lag und deshalb mit Jesus Brotstücke in die mit Fruchtmus gefüllte Schüssel tauchen konnte, und bevor Jesus die individuelle Schuld des Verräters und dessen Zerbrechen unter der Schwere seiner Schuld festhält, konfrontiert Markus seine Leser mittels der Jünger-Frage mit der dunklen Möglichkeit, dass jeder gläubige Mensch zum Verräter werden kann.

 

B.
Teil 2: Worin besteht der gemeinnützige Zweck der Stiftung Jesu?

22 Und als sie aßen, nahm er das Brot, dankte und brach’s und gab’s ihnen und sprach: Nehmet; das ist mein Leib. 23 Und er nahm den Kelch, dankte und gab ihnen den; und sie tranken alle daraus. 24 Und er sprach zu ihnen: Das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird. 25 Wahrlich, ich sage euch, dass ich nicht mehr trinken werde vom Gewächs des Weinstocks bis an den Tag, an dem ich aufs Neue davon trinke im Reich Gottes. 26 Und als sie den Lobgesang gesungen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg. 

 

1.
Die in v22 verwendeten Verben Nehmen, Danken, Brechen und Austeilen geben die vertrauten Handlungen eines Gastgebers bei einem gemeinsamen Essen wieder (6,41). Die Rollen sind damit klar: Beim Abendmahl waren die Jünger und sind wir heute die Gäste und Jesus ist der Gastgeber, der Geber der guten Gaben. Was aber sind die Gaben?

2.
Die zwei Deute-Worte umschreiben das Geheimnis Abendmahl. Jesus kann sie nicht aus der jüdischen Bibel haben. Sie sprengen die jüdische Pessachfeier. Sie beziehen sich auf seine Kreuzigung und seine Auferstehung. Diese beiden Worte geben uns die Antwort auf die Frage: Was schenkt uns Gott im Abendmahl?

(1) Jesu Worte geben dem Brot einen unglaublichen und doch zu glaubenden Mehrwert: Das ist mein Leib. Leib ist in der Bibel die Person als Ganzes in ihrem Verhalten und in ihrer Beziehung zu anderen. Jesus sagt also: Dieses Brot, das bin ich, das ist mein Leben, meine Einstellung und Zuwendung, meine Treue und Liebe, die ich für euch habe und lebe.

(2) Jesu Worte geben ebenso dem Wein einen unglaublichen und doch zu glaubenden Mehrwert: Das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird. Blut meint das freiwillige Leiden und den gewaltsamen Tod Jesu aufgrund seines Machtverzichtes. Jesus sagt uns also: Dieser Wein, das bin ich, das ist mein freiwilliges Leiden, meine Feindesliebe, mein Sterben für euch.

Was also ist das Geschenk des Abendmahls? Das Wunder der Gemeinschaft mit dem gekreuzigten und auferstandenen Jesus?

3.
An wen denkt Jesus im Abendmahl?

Er sagt: „Für viele“. „Für viele“ ist eine Anspielung auf Jes 53,12. Dort geht es darum, wem der Kreuzestod Jesu zugutekommen soll. Das Wort „viele“ meint im Hebräischen „alle“. Das heißt, dass Jesus alle meint, alle beschenken will. Wir kommen am Ende noch einmal darauf zurück.

4.
Was sagt Jesus im Abendmahl „den vielen“ zu? Was verspricht er?

(1)
Das Wort „Bund“ ist eine Anspielung auf Jer 31,31-34, wo der „neue Bund“ Gottes mit Israel, aber auch mit der Menschheit verheißen ist. Die Botschaft ist Evangelium pur. Gott geht einen Bund mit uns ein. Er verbündet sich mit uns. Wir bekommen Jesus geschenkt und durch und mit Jesus die Rettung unserer Gottesbeziehung. Wir bekommen die Zusage geschenkt, dass wir „berechtigt“ sind, von Gottes Liebe und Treue leben zu können.

(2)
Dass das Abendmahl im Rahmen einer Passafeier stattfand, bedeutet für uns, dass wir durch Jesus drei zusammenhängende Dinge zugesagt bekommen:

die vergewissernde Zusage der Verschonung im Gericht;

die Zusage der Vergebung unserer Sünden;

und die Zusage der Freiheit, aus unserem Ägypten herauszukommen. Was ist unser Ägypten? Dass wir frei werden können von uns selbst, weil jeder, der sein eigener freier stolzer Herr sein will, sein eigener elender Knecht sein muss (nach Eberhard Jüngel)

(3)
Ein Ausleger fasst das Ganze so zusammen: Das Abendmahl ist „die Zusage, mit dem dreieinigen Gott verbunden zu sein und dadurch Vergebung der Sünden und Kraft zu einem Leben nach dem Willen Gottes zu empfangen“.

 

C.
Teil 3: Das Abendmahl entdecken, bedanken und feiern!

1.
Das Abendmahl hat zuerst und entscheidend mit Jesus bzw. Gott zu tun. Gott liebt es, Gäste zu haben und Gäste zu beschenken. Gott ist immer der großherzige und großzügige Geber aller guten Gaben. Gott wünscht sich die Gemeinschaft mit uns! 

2.
Im Abendmahl wird meine Identität als Christ deutlich. Ich bin immer ein Gast Jesu, der die Gemeinschaft mit ihm geschenkt bekommt. Ich weiß mich eingeladen und herzlich willkommen. In jedem Abendmahl sagt Jesus, dass er mich will. Gott liebt mich – nicht als Idealmenschen, sondern mich, wie ich bin. Ich muss Gott nicht beeindrucken. Ich muss ihm nicht beweisen, dass ich seine Liebe verdiene. Im Abendmahl wird deutlich, welche Menschen wahrhaftig zu Gott gehören. Es sind die, die Jesu Einladung glauben und annehmen.

3.
Stellen wir uns ein Abendmahl vor! Ich schaue mich um. Die anderen rechts und links von mir sind auch Gäste Jesu, sind auch Eingeladene und Herzlich-Willkommene, mit denen Gott sich Gemeinschaft wünscht. Er liebt auch sie nicht als Idealmenschen, sondern so, wie sie sind. Auch sie hören Worte der Akzeptanz und Integration. Sie bekommen das Gleiche wie ich. Keiner bekommt mehr, keiner weniger. Und keiner kann dabei stolz sein, dass er dabei sein darf, dass er Brot und Wein empfangen kann.

Dass alle Gäste sind, dass alle dasselbe bekommen, stiftet Gemeinschaft, ist die Voraussetzung und Grundlage der Gemeinschaft untereinander.

4.
Das Abendmahl gibt uns das Evangelium anders als die Worte der Bibel. Es gibt uns nichts Anderes, aber eben anders. Es gibt die unsichtbare Gnade mit Hilfe der sichtbaren Zeichen von Brot und Wein. Brot und Wein sind Zeichen des Evangeliums, denn das Evangelium ist für unseren Glauben das Grundnahrungsmittel und das Medium der Freude und des Friedens. Jesus vermittelt uns also im Abendmahl das Evangelium nicht nur über unseren Verstand, sondern auch über unsere Sinne. Ein Theologe sagt es so: „Sakramente sind sichtbare Zeichen, die von Jesus Christus eingesetzt sind, damit Menschen das Heil ganz persönlich und leibhaft spürbar wahrnehmen und empfangen können“

5.
Das Abendmahl hat eine faszinierende Weite.

(1)
Es schaut zurück in die Vergangenheit. Mein kleines Leben wird hineingestellt in die Geschichte Israels, in die Geschichte Jesu, in die Geschichte Gottes mit dieser Welt. Diese Geschichten sind das Licht für meinen Lebensweg.

(2)
Es schaut in die Zukunft, in die Zeit der vollendeten Erlösung. Es gibt mir die gewisse Hoffnung, mein unglückliches und negatives Potenzial eines Tages endlich los zu sein und mich ewig an Gott zu freuen.

25 Wahrlich, ich sage euch, dass ich nicht mehr trinken werde vom Gewächs des Weinstocks bis an den Tag, an dem ich aufs Neue davon trinke im Reich Gottes. 

Wir bekommen Zukunft zugesagt. In v25 geht der Blick Jesu in die Zukunft. Jesus verspricht den Jüngern, dass er mit ihnen zusammen im vollendeten Reich Gottes wieder „vom Gewächs des Weinstocks“ trinken werde. Wir können fragen, ob Jesus das bildlich oder wörtlich meint. Klar ist aber, dass Jesus damit auf die Verheißung aus Jes 25,6-8 anspielt: Gott wird allen Völkern ein Freuden- und Friedensmahl bereiten, bei dem wir die vollendete Gemeinschaft mit ihm und unsere vollendete Erlösung feiern werden.

(3)
Es schaut in die Gegenwart. Es lädt mich ein zur Gemeinschaft mit dem Auferstandenen.

Das Abendmahl zeigt uns Gott als den, der sich unbedingt mit uns Gemeinschaft wünscht. Wenn aber ein Mensch Gott nicht kennt, wenn ein Mensch diesen Wunsch nicht erwidern möchte oder nicht erwidern kann, dann macht die Teilnahme am Abendmahl keinen Sinn.

Die Teilnahme an einer Abendmahlsfeier ergibt keinen Sinn, wenn man nicht an die Auferstehung glaubt.

Damit das klar und deutlich ist: Gott will keinen ausschließen. Aber Gott respektiert unser Nein. Aber er wirbt darum, dass das Nein eines Menschen überwunden wird.

 

D.
Teil 4: Das Abendmahl ist ein Sakrament

Das Abendmahl ist nicht nur eine Stiftung, sondern auch ein Sakrament. Das lateinische Wort sacramentum hat die Hauptbedeutung in „Fahneneid“, „Treueeid“, „Gelöbnis“ und „Bekenntnis“.

Der Clou ist nun, dass wir nicht zuerst und in erster Linie an unser Bekenntnis zu Gott denken sollen, sondern an das Versprechen Jesu. Er gibt im Abendmahl ein Sakrament ab, ein Bekenntnis, ein Gelöbnis, einen Treueid.

Wir sind eingeladen, an das Sakrament Jesu zu glauben! Der Auferstandene schenkt uns sich selbst im Abendmahl und verspricht uns seine Nähe und seine Treue und seine Vergebung.

Wir haben so viel zu feiern beim und im Abendmahl! Halleluja!