A.
Als Vorbemerkung eine kurze Erinnerung: Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde
I.
Da gibt es die Elefanten in unserem Leben, die Rahmenbedingungen unseres Lebens
Da gibt es die großen Rahmenbedingungen unserer Zeit, denen wir uns nicht entziehen können, innerhalb derer wir uns zurechtfinden müssen: Kriege, Klima, wirtschaftliche Probleme, gesellschaftliche Spannungen…
Da gibt es die privaten Rahmenbedingungen, mit denen wir klarkommen müssen: Sorgen, Ängste, Krankheiten, Beziehungsgeschichten…
II.
Da kann es Menschen geben, die uns bedrängen, die uns Angst machen…
Menschen, die eine Bedrohung für uns darstellen, die verborgen oder offen gegen uns agieren, die uns seelisch verletzen, die uns körperlich verletzen… Wie schützt man sich vor solchen Menschen? Wie wehrt man sich, wenn man das überhaupt kann?
B.
I.
Teil 1: Im Angesicht meiner Kritiker und Ankläger
1.
Die Gottesdienstbesucher sahen an dieser Stelle eine kleine fahrbare Zuschauertribüne. Drei Reihen mit je sechs Sitzplätzen.
Was meint dieser Bildvergleich? Jeder von uns lebt mit einer unsichtbaren Tribüne, auf der unser Publikum, unsere Jury sitzt, auf der unsere Kritiker, Ankläger und Richter sitzen.
Dieses Kritiker-Gremium schaut uns bei allem zu und nimmt unser Denken, Reden und Handeln unter die Lupe.
Diese Kritiker verteilen Smileys bzw. Sterne. Sie sind unsere Preisrichter. Sie arbeiten wie Preisrichter im Eiskunstlauf.
Diese Kritiker entscheiden über angemessen oder nicht angemessen, richtig oder falsch, gut oder böse. Sie heben den Daumen nach oben oder senken ihn nach unten. Sie arbeiten wie Geschworene in amerikanischen Prozessen. Sie erheben die Anklage. Sie klären die Schuldfrage.
Wir halten fest: Diese Jury schreibt uns unser Verhalten vor. Sie bewertet uns, beurteilt uns, spricht uns frei, lobt uns, sie klagt uns an, sie verklagt uns, sie verurteilt uns. Und in uns läuft fast pausenlos ein Kopfkino: Was denken andere über mich? Wie stehe ich vor anderen da?
Eine Fußnote als Problemanzeige: Jeder, der verantwortlich lebt, muss Urteile über andere fällen. Eltern müssen über Kinder urteilen, Lehrer über ihre Schüler. Das Problem ist die fließende Grenze zwischen dem Beurteilen eines Verhaltens und der Verurteilung einer Person.
2.
Was bewirkt Kritik in unserem Leben? Wir unterziehen kurz die Kritik unserer Kritiker einer Kritik!
Kritik kann sehr viel ausrichten! Sie kann, auch wenn sie zunächst unangenehm ist, guttun. Sie kann das eigene Leben zum Guten verändern. Sie kann uns bewahren und retten.
Kritik kann sehr viel anrichten! Sie kann fertig machen, verletzen, zerstören. Da kann sehr viel zu Bruch gehen.
3.
Jetzt stellt sich die Frage: Wer sitzt auf dieser Tribüne? Wer sind die Kritiker?
(1)
Bei Christen sitzt Gott auf dieser Bühne. Diese Wahrheit stellen wir zurück. Im dritten Teil der Predigt kommen wir auf Gott zu sprechen.
(2)
Menschen: Ehepartner, Eltern, Kinder, Freunde, Chefs, Kollegen, unsere Idole und Influencer, andere Christen, anonyme Richter in den sozialen Medien!
(3)
Wir selber. Jeder von uns. Wir beobachten und beurteilen uns ständig! Wir sprechen uns frei, rechtfertigen uns, loben uns, kritisieren uns, machen uns Vorwürfe, klagen uns an.
(4)
Es gibt noch jemanden. Eine dunkle unheimliche Figur. Die Bibel nennt sie Satan oder Teufel. Der Teufel kann auf allen drei Reihen sitzen. Er kann mitten unter unseren Mitmenschen sitzen, ohne dass sie es merken. Er kann neben uns sitzen, um auf Influencer zu machen. Und er versucht immer, uns die Sicht auf Gott zu versperren und unser Vertrauen zu Gott zu zerstören!
Die Bibel stellt uns den Satan im Hiobbuch vor. Er ist dort eine Art Chef-Ankläger. Er schnüffelt nach der Schuld von Menschen. Ist er fündig geworden, präsentiert er Gott seine Recherche-Ergebnisse, um gnadenlose Anklagen zu erheben: Diese Menschen, diese Typen haben Deine Liebe, Gott, nicht verdient. Sie sind es nicht wert. Sie meinen nie dich, sondern immer sich: ihr Glück, ihr Wohlergehen, ihr Rechthaben. Du kannst sie nicht segnen. Du darfst ihnen nicht vergeben. Du musst sie leiden lassen.
II.
Teil 2: Wie gehen wir mit Kritik um? Wie gehen wir mit unseren Kritikern um?
Dazu Tipps aus der Bibel bzw. der jüdisch-christlichen Weisheitskiste.
1.
Wie mit dem Satan?
Glauben wir dem, was uns das Neue Testament über den Satan sagt!
Wir lesen in Luk 10,18: Jesus sprach aber zu ihnen: Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz. Und in Joh 12,31: Nun wird der Fürst dieser Welt ausgestoßen werden.
Das Kommen Jesu, sein Leben, sein Kreuzestod und seine Auferstehung haben zum Rausschmiss des Satans aus dem Himmel geführt. Der Satan hat nichts mehr zu melden. Er darf uns nicht mehr kritisieren und anklagen. Selbst wenn er in der Sache Recht hätte. Selbst wenn er die Wahrheit über uns sagen würde. Es wäre falsch, unberechtigt und illegal.
Wie ist hier die Logik? Was ist das Problem des Satans? Bonhoeffer sagt: Der Satan kann nur „Satanswahrheiten“ sagen! Satanswahrheiten sind Wahrheiten, die nicht aus Liebe und nicht mit Barmherzigkeit gesagt werden, sondern aus Neid und Hass. Satanswahrheiten leben vom Hass auf das Leben, auf das Gute und Schöne, auf die Menschen. Satanswahrheiten nehmen keine Rücksichten auf die Situation des Menschen, auf seine Schwächen und Nöte. Satanswahrheiten sind immer zerstörerisch. Deshalb lässt Gott sie nicht gelten!
Deshalb lasst uns danken und uns freuen über die Botschaft von Offb 12,10: Und ich hörte eine große Stimme, die sprach im Himmel: Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich unseres Gottes geworden und die Macht seines Christus; denn der Verkläger unserer Brüder und Schwestern ist gestürzt, der sie verklagte Tag und Nacht vor unserm Gott.
2.
Wie mit unseren menschlichen Kritikern?
Dazu wäre viel zu sagen. Ich beschränke mich auf einen Gedanken. Die Jahreslosung von 2025 wird 1 Thes 5,21 sein: Prüft aber alles und das Gute behaltet!
Prüfen wir die Kritik, die wir erfahren! Ist sie berechtigt oder nicht? Ist sie wahr oder nicht? Was ist das Motiv seiner Kritik? Rechthaberei? Besserwisserei? Rache? Neid? Oder Liebe?
Manchmal ist es wichtig und nötig, zu einem Kritiker zu sagen: Du hast Recht. Es ist meine Schuld, nicht deine! Wenn wir das nicht sagen, verletzen wir unsere Seele, weil wir sie nicht durch die Bitte um Vergebung von Schuld befreien!
Manchmal ist es wichtig und nötig, zu einem Kritiker zu sagen: Es ist nicht meine Schuld, sondern deine. Wenn wir das nicht tun, verletzen wir auch unsere Seele, denn sie kann krank werden, zugrunde gehen, wenn wir reflexartig jede fremde Schuld auf uns nehmen und uns damit belasten.
3.
Wie mit uns als Kritiker?
Auch darüber wäre viel zu sagen. Ich beschränke mich wieder auf einen Impuls.
Unser Umgang mit uns selbst ist eine Gratwanderung. Da gilt es, wachsam zu bleiben. Auf beiden Seiten droht ein Abgrund. Zur Rechten ist es die Selbstbeschwichtigung, in der wir immer alles an uns entschuldigen. Zur Linken ist es die Selbstanklage, in der wir uns stets und prinzipiell an- und verklagen.
Gott sagt aber zu uns: „Sei sanft mit dir, dass du dich nicht verurteilst; sei streng mit dir, dass du dich nicht beschwichtigst… Sei weder hart noch weich zu dir, sondern suche mein Angesicht“. Gehe deinen Weg nie ohne Vergebung! (Martin Schleske, WerkZeuge, S.294)
III.
Teil 3: Der göttliche Sünder-Freund.
1.
Jesus ist der göttliche Sünder-Freund. Er verkörpert die Vergebungsbereitschaft, das Erbarmen und die Liebe Gottes.
Aber! Gott bestätigt uns nicht immer! Er gibt uns nicht immer Recht! Er kann uns hart kritisieren. Das ist in der ganzen Bibel so! Das ist auch bei Jesus so. Wir brauchen nur an die schwere Kritik Jesu an bestimmten Verhaltensweisen seiner Jünger oder seiner religiösen Gegner denken!
Aber ich behaupte, dass die Kritik Gottes, die Kritik Jesu uns dient. Sie dient der Dekonstruktion unserer Selbsttäuschung, sie dient unseren Beziehungen zu Gott, zu anderen Menschen, zu uns selbst, sie dient unserer Erlösung, Rechtfertigung, Heiligung…
Gottes Kritik kann unangenehm sein, kann weh tun, aber sie ist nie eine eiskalte Satanswahrheit, die uns zerstört. Sie ist nie eine Wahrheit ohne Barmherzigkeit. Und sie ist von großem Nutzen. Jesus, der göttliche Sünder-Freud, dient uns, wenn er uns kritisiert.
2.
Im Gottesdienst sahen die Besucher an dieser Stelle ein Bild von Roland Peter Litzenburger (1917–1987). Das Bild ist eine ungewöhnliche Kreuzesdarstellung. Der Künstler hat das Wesentliche im Blick.
Litzenburger malt Jesus, den Gekreuzigten, der am Kreuz ist und doch vor einigen Menschen kniet, um ihnen zu dienen. Der Gekreuzigte ist als Schutzmantel-Christus gemalt. Wobei er gar keinen Mantel braucht. Er selbst ist der Schutz. Er gibt der Menschengruppe Geborgenheit. Aus der Seite Jesu strömen Zuwendung, Erbarmen, Liebe…
Hören wir die biblische Botschaft über Gott, was das Thema Kritik angeht. Gott wird niemals unser Feind sein. Aber er kennt auch nie die Feigheit vor dem Freund, die schlimmer sein kann als die Feigheit vor dem Feind. Wenn ich einen guten Freund habe, dann erweist sich diese Freundschaft unter anderem darin, dass er den Mut hat, mir die Wahrheit zu sagen. Wenn ich ein guter Freund bin, dann erweist sich meine Freundschaft darin, dass ich den Mut habe, einem Freund zu sagen, was ich denke und fühle.
3.
Ich könnte Euch jetzt einige Beispiele aus meinem Leben erzählen, wo ich Gottes harte Kritik erlebt habe, die aber auf lange Sicht gesehen mir sehr geholfen hat. Ich denke, jeder von uns könnte das. Ich will auf etwas anderes aufmerksam machen: In Konfliktsituationen kann es sein, dass Gott ausgerechnet meine Gegner als meine Lehrer benutzt, dass ausgerechnet sie, mit denen ich im Clinch lebe, mir zeigen, was ich an mir nicht wahrhaben will, dass ausgerechnet sie etwas berühren, was Gott bei mir nicht gut findet.
4.
Zurück zum Evangelium! Gott wird niemals unser Feind sein! Deshalb ermutige ich uns: Fürchten wir uns nicht, Gott zu vertrauen, auf ihn zu hören! Fürchten wir uns nicht vor seiner Kritik! Fürchten wir uns nicht vor seinen Wahrheiten über uns! Gott hat keine Satanswahrheiten! Seine Wahrheiten sind nie ohne Liebe! Nie ohne Barmherzigkeit! Fürchten wir uns nicht: Wir werden von ihm nicht vernichtet, sondern befreit! Denn Jesus ist der ziemlich beste Sünder-Freund!
IV.
Teil 4: Im Gottesdienst haben wir Abendmahl gefeiert
1.
Wir hören das Evangelium für Sünder mit Worten nach Ps 23.
Jesus sagt jetzt zu jedem von uns: Komm, es ist alles bereit! Siehe, ich habe den Abendmahls- Tisch vor dir und für dich im Angesicht deiner Kritiker und im Angesicht deiner Schuld bereitet. Ich habe dich erwählt. Ich schenke dir voll meine Vergebung ein. Gutes und Barmherzigkeit folgt deinem Schuldigwerden dein Leben lang. Du darfst bei mir in meinem Hause bleiben.
2.
Lasst uns antworten mit Zeilen aus dem Lied über Ps 23, das wir im Gottesdienst am 15. September von Arthur und Inge Korinek gehört haben.
„Wenn ich schuldig bin vor dir Herr. Fürchte ich doch nicht, dich zu verlieren, denn du bist bei mir! Dein Kreuz tröstet mich, das Zeichen, dass du mich liebst. Der Herr ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln. Hat er nicht gesagt: „Nimm hin und iss!“? Gab er nicht den Becher und sprach: „Nimm hin und trink! Trink meine Liebe, mein Opfer für dich!“?
3.
Lasst uns nun in der Stille Gott unsere Schuld bekennen, die wir heute Morgen im Gewissen als Last erkennen.
Lasst uns das in dem Glauben tun, dass bei unserem Gott „alle Sünder willkommen“ sind.
4.
Danach hörten alle anwesenden Sünder den Zuspruch der Vergebung. „Dir sind deine Sünden vergeben! Dir geschehe, wie du glaubst! Geh hin im Frieden des Herrn“.
Amen!