Worum geht es im Christsein? – Um ein Belonging, behaving und believing – Von Thomas Pichel

A.
Einleitung

1.
Die Jahreslosung von 2025 „Alles aber prüft! Das Gute behaltet!“ stammt aus dem 1. Thessalonicherbrief des Apostels Paulus. Um sie besser verstehen zu können, ist es hilfreich, wenn wir versuchen, drei zusammenhängende Dinge zu erfassen:

Wie sah die geschichtliche Situation aus?

Worum geht es im 1 Thessalonicher-Brief?

Worum geht es in dem näheren Zusammenhang, in dem sie steht?

2.
Was war damals los? Worum geht es im 1. Thessalonicherbrief?

Paulus hat die kleine Hauskreisgemeinde in der damals bedeutenden Stadt Thessaloniki (heute Saloniki) gegründet. Wir wissen aus dem Bericht der Apostelgeschichte (17,1-10), dass Paulus mit mindestens zwei Begleitern (Silas und Timotheus) mehrere Monate in der Stadt lebte und evangelisierte, dann aber von einer aufgehetzten und feindseligen Menschenmenge aus Thessaloniki vertrieben wurde.

Paulus schickt seinen Mitarbeiter Timotheus von Athen aus nach Thessaloniki, um in Erfahrung zu bringen, wie es der Gemeinde gehe. Timotheus bringt die erfreuliche Nachricht zurück, dass die junge Gemeinde trotz Schwierigkeiten und Anfeindungen sich nicht vom Glauben hat abbringen lassen.

In dieser Situation schreibt Paulus den ersten 1. Thessalonicherbrief. Aus dem Inhalt des Briefes heute nur zwei Dinge: (1.) Wir lesen von der Freude des Paulus über die Gemeinde (1 Thes 3,9). Er lobt die Christen in Thessaloniki: Ihr seid „ein Vorbild“ „für alle Gläubigen in Mazedonien und Achaja“ (1 Thes 1,7) in dem „Werk im Glauben“, in der „Arbeit in der Liebe“ und in der „Geduld in der Hoffnung auf unseren Herrn Jesus Christus“ (1 Thes 1,3). (2.) Wir spüren die Sorge des Apostels, dass die kleine Gemeinde in den anhaltenden Widerständen und Angriffen im Glauben treu bleibt und dass sie als Gruppe zusammenbleibt und ihre Mitglieder sich gegenseitig stärken und unterstützen.

3.
Worum geht es in dem näheren Zusammenhang, in dem die Jahreslosung steht?

Der Abschnitt 5,12-18 bildet den Briefschluss des 1. Thessalonicherbriefes. Paulus macht den Sack zu. Er schreibt, was er für hilfreich und nötig hält. Damit die Christen aus Thessaloniki im Glauben treu bleiben und sich gegenseitig unterstützen können. Er gibt konkrete Anweisungen. Ich lese uns den Briefschluss des Paulus vor.

12 Wir bitten euch aber, Brüder und Schwestern: Respektiert und erkennt die an, die sich unter euch mühen, die für euch im Auftrag des Herrn sorgen und euch den rechten Weg zeigen. 13 Ehrt und wertschätzt sie umso höher mit Liebe aufgrund ihres Tuns.

14 Wir ermahnen euch aber, Schwestern und Brüder: Weist die Unordentlichen zurecht, tröstet die Kleinmütigen, tragt die Schwachen, seid geduldig mit jedermann. 15 Seht zu, dass keiner dem andern Böses mit Bösem vergelte, sondern jagt allezeit dem Guten nach, füreinander und für jedermann.

16 Freut euch allezeit, 17 betet unaufhörlich, 18 in allen Dingen seid dankbar; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch.

19 Den Geist löscht nicht aus! 20 Prophetische Rede verachtet nicht. 21 Alles aber prüft, das Gute behaltet, 22 von jeder Gestalt des Bösen haltet euch fern.

23 Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist samt Seele und Leib unversehrt, untadelig für das Kommen unseres Herrn Jesus Christus.
24 Treu ist er, der euch ruft; er wird’s auch tun.

25 Brüder und Schwestern, betet auch für uns. 26 Grüßt alle Schwestern und Brüder mit dem heiligen Kuss.

27 Ich beschwöre euch bei dem Herrn, dass dieser Brief vorgelesen wird allen Brüdern und Schwestern. 28 Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch!

 

B.

Ich stelle jetzt eine grundlegende Frage des Christseins. Die vorgelesenen Verse sind natürlich keine allumfassende Antwort auf diese große Frage. Aber diese wichtige Frage bildet den Hintergrund des Briefschlusses. Sie lautet: Worum geht es im Christsein?

Die dreifache Antwort lautet: Es geht um ein Belonging, ein Behaving und ein Believing.

 

I.
Belonging – Es geht um unser Dazugehören, um unser Zusammengehören!

Paulus redet von Brüdern und Schwestern. Das heißt: Die Christen in Thessaloniki, aber auch wir heute Morgen, und alle Christen zu allen Zeiten und an allen Orten gehören zu einer neuen Familie.

Diese Familie hat nichts zu tun mit einer ethnischen Gruppe, mit einer sozialen Klasse, mit einem Verein, mit einer Partei, mit einer Interessengruppe. Diese Familie ist etwas ganz Neues und Einzigartiges.
In ihr sind die Unterschiede zwischen Juden und Nichtjuden, zwischen Sklaven und Freien, zwischen Männern und Frauen aufgehoben (siehe Gal 3,28).

Bitte schaut Euch einmal um! Wir gehören zu Gottes Familie dazu! Wir gehören zusammen!

 

II.
Behaving – Es geht um unser Verhalten, um bestimmte Verhaltensweisen!

1.
Es geht im Christsein um ein Verhalten, das Jesus uns gelehrt und gezeigt hat, das Paulus und die anderen Apostel uns gelehrt und gezeigt haben.

Ich kann jetzt nicht alle Verhaltensvorschläge ansprechen. Zumal einzelne Anweisungen diskutabel sind, d.h. man muss über sie miteinander ins Gespräch kommen, weil sie so steil sind. Ich denke z.B. an den Verse 16-18: Freut euch allezeit, betet unaufhörlich, in allen Dingen seid dankbar; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch.

2.
Ich möchte heute Morgen auf eine einzige Anweisung eingehen. Es ist der Aufruf des Paulus: Tröstet die Kleinmütigen! Die englischen Bibeln haben hier den Ausdruck „Encourage the fainthearted“.

Ermutigt die, die ein mutloses Herz haben. Stärkt die, die leicht den Mut verlieren, die schnell das Schlimmste befürchten, die mit ihrer Unsicherheit nicht fertigwerden. Ermutigt und tröstet die, die unter ihrer Hilflosigkeit leiden.

Im Griechischen steht nicht das normale Wort für Trösten, sondern es meint ein Trösten durch eine Geschichte, ein Trösten durch ein Narrativ. Und es meint ein Trösten durch Gespräche.

Fußnote: Was ist ein Narrativ?

Ein Narrativ ist eine sinnstiftende Erzählung, die Einfluss hat auf die Art, wie ich das Leben wahrnehme. Ein Narrativ schenkt Werte und Kraft.

Ich möchte Euch eine meiner Geschichten kurz vorstellen, die mir in meinen Unsicherheiten, in meinen Befürchtungen hilft. Sie begleitet mich, seitdem ich in Unterweissach im Studium war. Das lag an meinem Studienkollegen Berthold Rath, der an der Decke seines Zimmers genau über seiner Couch ein großes Poster hängen hatte. Dieses Poster zeigte Karl Barth, den großen Schweizer Theologen. Neben dem Kopf von Barth konnte man einen einzigen kurzen Satz lesen. „Es wird regiert!

Die Geschichte dieses Satzes ist legendär: In der Nacht vor seinem Tod (10.12.1968) sagte der Schweizer Theologe Karl Barth zu seinem Freund Eduard Thurneysen am Telefon: „Ja, die Welt ist dunkel… Nur ja die Ohren nicht hängen lassen. Nie! Denn es wird regiert, nicht nur in Moskau oder in Washington oder in Peking, sondern es wird regiert, und zwar hier auf Erden, aber ganz von oben, vom Himmel her. Gott sitzt im Regimente! Darum fürchte ich mich nicht… Gott lässt uns nicht fallen, keinen einzigen von uns. Es wird regiert!“

Ich weiß heute nicht mehr, warum mein Studienfreund Berthold das Poster mit Barth und dem Glaubenssatz „Es wird regiert!“ ausgerechnet an der Decke aufgehängt hatte. Aber es war genau der richtige Ort. Ich lag da ein paar Mal auf der Couch unter dieser Zusage.

Gottseidank: Es gibt den Himmel. Gottseidank: Ich liege unter seinem Schutz. Gottseidank: Meine Zeit steht in seinen Händen! Gottseidank: Mein Leben ist in seiner Hand. Die ganze Welt ist in seiner Hand.

 

III.
Believing – Es geht um ein Glauben, um unseren Glauben.

1.
Paulus lehrte die Gemeinde in Thessaloniki bestimmte Dinge. „Jesus lehrte seine Jünger wesentliche Dinge. Sie sollten das Evangelium zu den Menschen bringen, Glauben stärken, das Gottesreich ausweiten. Sie sollten Kranken heilen, Schwache segnen, Menschen von belastendenden und verletzenden Kräften lösen. Und sie sollten das Zeugnis materieller Bescheidenheit leben, sollten Gastfreundschaft in Anspruch nehmen.“ (Martin Schleske, WerkZeuge, 18.2.)

Doch als erstes ist bei beiden, bei Jesus und Paulus von etwas Wichtigerem die Rede. Es heißt in Mk 3,14: „Und Jesus setzte zwölf ein, die er auch Apostel nannte, dass sie bei ihm sein sollten“. Und es heißt in 1 Kor 1,9: „Gott ist treu, durch den ihr berufen seid zur Gemeinschaft seines Sohnes Jesus Christus, unseres Herrn.“

Es geht im Christentum um die Gemeinschaft mit Jesus, mit Gott, mit dem Heiligen Geist. Und deshalb geht es im Christentum um ein bestimmtes Believing. Es geht um die Frage: Mit welchem Gott darf ich leben? Was darf ich im Glauben wissen und leben?

2.
Es gibt dazu wertvolle Antworten im 1 Thessalonicherbrief. Ich lese uns die Aussagen langsam vor:

Gott ist unser Vater (1,1). – Jesus ist der Herr (1,1)

Dahinter steht der Kern des christlichen Gottesglaubens: Gott ist in Jesus Mensch geworden. Der Schöpfer der Welt, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs; der Gott Moses; der Gott Davids hat sich in Jesus Christus geoutet.

Wir sind von Gott erwählt, geliebt und berufen in sein Reich (1,1; 1,12). – Der Vater hat Jesus von Toten auferweckt (1,10). – Der Herr wird herabkommen vom Himmel (4,16). – Gott ist der Gott des Friedens, er wird uns bewahren und durchbringen (5,23). – Gott ist treu. Alles, was er verheißen hat, wird er auch tun (5,24).

Mit diesem Gott dürfen wir leben! Mit diesen Gewissheiten dürfen wir leben! In diesem Vertrauen dürfen wir unser Leben leben! Gottseidank! Halleluja!