Zu beglückwünschen ist der Mensch, der… – Psalm 1 – Von Thomas Pichel

A.
Einleitung

Wir haben alle eine unglaubliche Sehnsucht nach Glück. Ich möchte uns heute einen Bibeltext vorstellen, der uns auf der Suche nach unserem Lebensglück wichtige Impulse geben kann.

1 Zu beglückwünschen ist der Mensch, der nicht geht im Rat der Frevler, der nicht steht auf dem Weg der Sünder, der nicht sitzt im Kreis der Spötter, 2 sondern seine Lust hat an der Tora Jahwes, und über seiner Tora murmelt Tag und Nacht. 3 Der ist wie ein Baum, gepflanzt an Wasserbächen (Wasserkanälen), der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, dessen Blätter nicht verwelken. Alles, was er tut, gedeiht. 4 Aber so sind die Frevler nicht, sondern sie sind wie Spreu, die der Wind verweht. 5 Darum werden die Frevler nicht bestehen im Gericht, noch die Sünder in der Sammlung der Gerechten.6 Denn Jahwe kennt den Weg der Gerechten. Der Weg der Frevler aber vergeht.

Es kann sein, dass wir uns nicht glücklich fühlen. Es kann sein, dass wir in mancher Situation kein Glück hatten.

Aber hören wir auf dieses Wort Gottes. Der Psalm 1 sagt uns: Zu beglückwünschen ist der Mensch, der sich so verhält, wie es die Verse beschreiben. Zu beglückwünschen ist er, weil Gott ihn sieht, ihn segnet, ihn bestätigt, ihn beschenkt.

(Ich möchte noch sagen, dass ich viele Gedanken dieser Predigt Siegfried Zimmer verdanke, der mir Psalm 1 geöffnet hat. Dafür bin ich sehr dankbar!)

 

B.

I.
Zu beglückwünschen ist der Mensch, der sich abgrenzen kann

Glücklich bzw. zu beglückwünschen ist der Mensch, der nicht geht im Rat der Frevler, der nicht steht auf dem Weg der Sünder, der nicht sitzt im Kreis der Spötter

Der glücklich zu preisende Mensch hat eine Kraft, sich abzugrenzen, Nein zu sagen, nicht auf jeden und alles zu hören; er kann sich vor gewissen Influencern und Meinungsmachern und Autoritäten abgrenzen.

Es geht um die Frage, von wem wir uns beraten und beeinflussen lassen auf unserem Lebensweg. Wessen Stimme geben wir z.B. unser Ohr und unser Vertrauen in der Frage: Welche Ziele lohnen sich?, Wie erreiche ich diese lohnenden Ziele?

Die Verben gehen, stehen und sitzen meinen unser gesamtes Leben mit allen Situationen, in denen wir Verhaltensweisen verneinen und ablehnen sollen, die uns von Gott wegziehen oder wegreißen wollen.

1.
Der nicht geht im Rat der Frevler.

Wir sollen aufpassen, dass wir nicht mitlaufen und mitmachen bei den Frevlern. Auch nicht 1 Meter! Wir sollen nicht ab und an, wo es uns nötig erscheint, uns die Dinge erlauben, die sich die Frevler herausnehmen, die sich die Frevler erlauben, die die Frevler anwenden, um ihre Interessen durchzusetzen, um ihre Ziele zu erreichen.

Wer sind die Frevler? Was tun sie? Die Übersetzung mit „Gottlose“ ist nicht falsch, aber zu oberflächlich. Das hebräische Wort rascha bzw. raschaim ist in den Psalmen ein sehr wichtiges Wort.

Der Frevler ist ein Mensch, der nur für sich selbst und seine Interessen lebt und für seine Ziele Böses zu tun bereit ist. Er arbeitet mit Lug und Trug. Er ist gewaltbereit und gewalttätig. Er liebt das Faustrecht. Er lebt das Recht des Stärkeren. Den Frevler kümmert Unrecht nicht.

Der Frevler ist der Mächtige, der Machtgierige, der seine Macht, seine körperliche Kraft, sein Geld, seinen Einfluss… rücksichtslos einsetzt. Er ist der Mensch des Machtmissbrauchs!

Der Frevler ist rücksichtslos gegenüber anderen. Er übergeht Menschen. Er kümmert sich einen Dreck um andere. Er benutzt Menschen. Er schiebt sie weg. Er lebt auf Kosten der anderen, besonders auf Kosten der Armen und Schwachen. Er geht zur Not über Leichen.

„Frevler kümmern sich nicht um die menschenfreundlichen Verhaltensregeln Gottes, der auch die Armen, Kranken, Elenden, Arbeitslosen, Witwen und Waisen schützt.“

Psalm 1 sagt uns: Glücklich ist der Mensch, der auf seinem Lebensweg nie beim Freveln mitmacht! Glücklich ist der Mensch, der sich im Blick auf seine Absichten, Pläne und Ziele nicht durch Frevler beraten und beeinflussen lässt, der die Methoden des Frevlers kategorisch ablehnt.

2.
Der nicht steht auf dem Weg der Sünder.

Stehen meint Meinung, Position und Gewohnheit. Stehen meint hier also die Meinung, die Grundansicht, die Grundhaltung, die Grundposition eines Sünders im Blick auf Gott.

Sünder sind Menschen, die sich für maßgeblich halten – auch in ihrer Meinung über Gott. Sünder sind Menschen, die nicht wollen, dass Gott Gott ist, dass Gott sie bestimmt. Sünder sind Menschen, die Gott missachten, die mit Gott nichts zu tun haben wollen, die nicht auf Gott hören wollen, die Gott los sein möchten.

Psalm 1 sagt uns: Glücklich ist der Mensch, der da nicht mitmacht, der darauf nicht hört, der diese Position nicht teilt, der im Blick auf Gott ganz anders denkt.

3.
Der nicht sitzt unter den Spöttern

Spötter setzen ihre Meinung, ihre Philosophie, ihren Lebensweg absolut, sie fühlen sich allen anderen Lebenskonzepten überlegen und überziehen Andersdenkende mit Geringschätzung und Verachtung.

Spötter sind Menschen, die für andere Lebenskonzepte, für Andersdenkende, z.B. für Gewissensmenschen, nur Spott und Hohn übrighaben. Den Glauben an Gott verspotten ist aber die intensivste Form der Ablehnung.

Wenn wir das in Betracht ziehen, wissen wir, was der Psalm mit dem Nicht-Sitzen unter den Spöttern meint! Sitzen meint, mit den Spöttern in vertrauter und geselliger Runde beieinander sein und beim Spott über Gott und den Glauben vielleicht nicht mitzumachen, aber zu schweigen, weil man die Ausgelassenheit der Runde nicht stören und die Freundschaften nicht gefährden möchte.

Psalm 1 sagt uns: Glücklich ist der Mensch, der in solchen Kreisen nicht daheim ist, der sich im Spott und Hohn über Gott, über Gläubige, über andere nicht einnistet.

4.
Eine Fußnote dazu: Die Abgrenzung nicht übertreiben und verfälschen!

Die dreifache Abgrenzung ist nicht so gemeint, dass wir Menschen vermeiden, dass wir immer und grundsätzlich den Kontakt abbrechen, dass wir aus Angst vor Frevlern, Sündern und Spöttern uns aus der Gesellschaft zurückziehen.

Wir sind nicht an den falschen Orten! Aber wir sind nicht nur unter uns! Wir ziehen uns nicht aus der Welt und von den Menschen zurück! Wir überziehen nicht alles und jeden mit einem abgrundtiefen Misstrauen.

Die Abgrenzung, die Psalm 1 empfiehlt, ist nicht gegenüber Menschen gemeint! Sondern gegenüber falschen Konzepten, falschen Strategien, falschen Zielen, falschem und destruktivem Tun!

Warum kann ich das so behaupten? Ich behaupte das aufgrund der Tischgemeinschaft Jesu mit Menschen. Jesus war ein geselliger Mensch. Jesus war ein kontaktfreudiger Mensch. Aber er hat sich nicht von Frevlern, Sündern, Spöttern Beratung geholt.

 

II.
Zu beglückwünschen ist der Mensch, der seine Lust hat an der Tora, an den lebensförderlichen Weisungen und Anweisungen Gottes, an der Bibel, der Tag und Nacht über der Bibel murmelt.

1.
Luther übersetzt Tora mit „Gesetz“. Leider! Tora meint Weisung, hilfreiche Weisung, lebensförderliche Unterweisung und Anweisung. Tora ist immer das, was meinem Leben guttut. Jes 48,17 fasst das gut zusammen: Ich bin der Herr, dein Gott, der dich lehrt, was dir hilft, und dich leitet auf dem Wege, den du gehst.

Lust meint Entdeckerfreude, Neugierde, Freude am Neuland, Lust am Lernen, Lust am Kennenlernen. Lust, die auf dem Weg wächst. Es ist ein Weg, auf dem uns unterwegs Welten aufgehen. Es kann uns nichts Besseres passieren.

Lust meint auch Dankbarkeit für Gottes Reden, Dankbarkeit für einzelne Bibelworte. Ich habe mir angewöhnt, dass ich Gott konkret Danke sage für einzelne Bibelworte, die segensreich in meinem Leben wirken.

2
Dazu eine Fußnote: Das gilt auch für die Wahrheiten, die sich gegen uns richten! Lasst uns Nein sagen zu einer Haltung, die kein Interesse an Wahrheiten hat, die sich nicht gegen uns richten dürfen. Lasst uns nicht unreif sein! Lasst uns nicht mitmachen bei dem Glauben, dass nur Wahrheiten, die uns bestätigen, interessante Wahrheiten sind!

3.
Eine zweite Fußnote: Psalm 1 gibt uns einen Hinweis, wie wir die Bibel lesen können. Der über der Tora Jahwes Tag und Nacht murmelt.

Das hebräische Wort gibt es im Deutschen nicht. Gemeint ist ein halblautes Vorlesen. Ich lese mir selbst den Text halblaut vor. Es ist sozusagen ein Vorlesen, das wir uns selbst schenken. Das mag uns fremd sein. Aber probieren wir es aus! Nur Mut! Lesen wir die Bibeltexte uns selbst laut vor, wenn wir allein sind!

 

III.
Zu beglückwünschen ist der Mensch, der gepflanzt ist an den Wasserbächen, der gut versorgt ist!

1.
Zwei Anmerkungen zum besseren Verständnis

Man kann das hebräische Wort für Wasserbäche auch mit Wasserkanäle übersetzen.

Wir müssen an den Negev, an den Süden Israels denken. Der Negev ist eine Steinwüste. Er hat in regenlosen Trockenzeit viele ausgetrocknete Wadi. Der Negev ist also eine Metapher für unsere Wüstenzeiten.

2.
Es ist ein Bild der Gewissheit, der Großzügigkeit, des Überflusses, des Wohlversorgtsein. Der Pflanzer hat den Baum an eine gute Stelle gepflanzt. Der Ort ist die Voraussetzung für alles Wachsen, Gedeihen und Fruchtbringen.

Es geht darum, dass wir geistlich gut versorgt sind. Wir werden von Gott gut versorgt, gerade in den Wüstenzeiten, wenn es uns nicht gut geht. Wir werden versorgt durch den Heiligen Geist mit Gottes Gnade, mit Gottes Segen, mit seinen Worten, mit seiner Kraft.

 

IV.
Zu beglückwünschen ist der Mensch, seine Frucht bringt zu seiner Zeit

1.
Unser Psalm bleibt nicht stehen bei dem Gedanken, sich abzugrenzen, sich zu unterscheiden, nicht alles mitzumachen. Der Glaube besteht nicht darin, ständig nichts falsch zu machen, sondern mutig in den Dingen zu leben, die uns wichtig geworden sind.

2.
Worum geht es beim Bild vom Fruchtbringen? Es geht darum, dass wir für andere ein Fruchtbaum sind.

Der Baum, heißt es, wird Frucht bringen. Frucht ist das, was für andere gedacht ist. Frucht ist das, was andere ernährt und erfreut.

Wir sollen und wir dürfen ein fruchtbarer Baum sein. Das ist unsere Lebensbestimmung. Wir kennen aus Gal 5 die Früchte des Heiligen Geistes: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit.

3.
Hier heißt es: Die Blätter verwelken nicht. Blätter haben im Orient zwei Funktionen.

Einmal sind Blätter Schattenspender. Die Blätter geben Schatten. Ein Baum mit Schattendach ist eine Wohltat, ein resting place. Das bedeutet, dass wir für andere eine Wohltat sein dürfen, ein Ort, wo sie entspannen und ausruhen können.

Zum anderen dienen Blätter als Medizin. Blätter haben heilende Wirkung. Man legte sie auf Körperstellen. Man nahm sie ein.

Das bedeutet, dass wir eine heilende Wirkung für Menschen haben dürfen. Dass wir eine Medizin sind für das Denken der Menschen über Gott, eine Medizin für ihr Gottesvertrauen, für ihr Beten, für ihre Hoffnung, für ihren Trost…

4.
Bild des Segens, des Selber-Gesegnetwerdens. Alles, was er tut, gedeiht. Es heißt nicht: Alles, was er tut, gelingt. Das wäre eine Erfolgsideologie. Gott sagt einem solchen Menschen Gedeihen zu! Gott schenkt einem solchen Leben Gedeihen.

Zu seiner Zeit, zu einer Zeit, die Gott festlegt. Gott überfordert uns also nicht.

 

V.
Zu beglückwünschen ist der Mensch, dessen Weg Gott kennt, dessen Weg nicht vergeht, sondern zum Ziel kommt

1.
Der Blick auf das Ende der Frevler, Sünder und Spötter ist dem Psalm wichtig.

Der Psalm sagt nüchtern, ohne es näher zu beschreiben.

Sünder fühlen sich nicht wohl in der Versammlung von gläubigen Menschen.

Frevler bestehen nicht im Gericht. Das wird gesagt. Ansonsten sagt der Psalm nichts über sie. Die Leser wissen es ja! Frevler sind wie Spreu, also vertrocknete Pflanzenteil, die keinen Nutzen haben. Sie haben keinen Halt. Ihr Leben hat keinen Wert, keine Frucht, keine Bestimmung. Sie werden „vom Winde verweht“. Dieser Filmtitel ist übrigens aus Psalm 1 entnommen.

Der Weg der Frevler vergeht. Was für ein Ende! Ihr Lebensweg verläuft sich. Er hinterlässt keine Segensspuren. Er verliert sich. Man braucht ihn nicht zerstören. Es geschieht von selbst.

2.
Dieses Kennen ist ein intimes Wort. Das Verb jada umfasst nicht nur den Bereich der intellektuellen Erkenntnis, sondern beschreibt darüber hinaus die sexuelle Begegnung zwischen zwei Menschen (vgl. Gen 4,1), die Annahme eines anderen, die Sorge für seine Mitgeschöpfe.

Gott kennt uns genau. Er leitet uns. Er behütet uns. Gott begleitet und sorgend und liebend. Er bringt uns zum Ziel. Er vollendet unser Leben im Gericht.

In dieser Geborgenheit können wir leben. In dieser Geborgenheit werden wir nicht immer maximal glücklich sein, aber wir werden ein geheimnisvolles Glück erleben! Amen!