A.
Einleitung: Jesus redete wenig über das Thema Liebe
Jesus verwendete 1x den Begriff Liebe Gottes. Das ist in Luk 11,42: Aber wehe euch Pharisäern! Denn ihr verzehntet die Minze und die Raute und alles Kraut übergeht das Recht und die Liebe Gottes; diese Dinge hättet ihr tun und jene nicht lassen sollen.
Übrigens: Der Begriff Liebe Gottes kommt insgesamt nur 10x im NT vor!
Jesus sagte nur 3x seinen Jüngern, dass er sie liebe. Das ist in Joh 13,34 und Joh 15,9 u 12.
Warum ist das so? Jesus war ein Jude. Und das Judentum weiß etwas Entscheidendes über die Liebe: Es ist noch keine Liebe, wenn man sie ständig behauptet und beteuert, wenn man große Liebesversprechen macht. Es kommt auf konkrete Taten an. Die Wahrheit über die Liebe liegt auf dem Platz der Verhaltensweisen. Das Motto lautet: Taten statt Worte. Wobei gute Worte Taten genannt werden können.
B.
Liebe im Neuen Testament
Eine kurze Vorbemerkung: Wir befassen uns heute schwerpunktmäßig mit Jesus in den Evangelien und dem 1. Joh-Brief. Die Aussagen von Paulus zur Liebe kommen in Liebe III am 25.2.2024.
I.
Jesus ruft zum Glauben an Gottes Liebe Gott ist die Liebe!“ (1 Joh 14,16b)
1.
Jesus selbst wusste sich von Gott geliebt. Wir lesen 5x davon, dass er sich von seinem Vater geliebt weiß (Joh 10,17; 15,9; 17,23; 17,24; 17,26).
Jesu Herzenswunsch war es, dass wir Menschen erkennen: Gott ist die Liebe. Jesus betete dafür, dass die Welt erkenne, dass du… sie liebst, wie du mich liebst (Joh 17,23).
2.
Den Satz ‚Gott ist die Liebe‘ “kann man nicht verbessern. Diesen Satz muss man nie zurücknehmen oder einschränken. In jeder Situation gilt dieser Satz. In keiner Situation gilt er nur zur Hälfte. Dieser Satz gilt auch im Gericht“.
“Gott ist die Liebe” heißt: “Gottes Wesen ist die Liebe”. „Das Wesen ist das letztlich Kennzeichnende. Das ist Gott wirklich. Das Wesen ist das Unverwechselbare, Charakteristische, letztlich Bestimmende. (von und nach Siegfried Zimmer)
3.
Wem verdanken wir diesen Satz? Wie kommen Menschen darauf, zu behaupten: „Gott ist die Liebe!“?
Wir verdanken diesen Satz schon der Geschichte Israels mit Gott, letztentscheidend aber Jesus. Der Satz „Gott ist Liebe“ ist Fleisch geworden. Er hat ein Gesicht bekommen, Hände und Arme, Beine und Füße.
Wir verdanken ihm dem Leben Jesu, seinem Umgang mit Menschen, mit Kindern, mit Frauen, mit Armen, mit Kranken, mit Menschen, die unentschuldbar schuldig geworden waren.
Wir verdanken ihm dem Sterben Jesu, seinen Umgang mit seinen Jüngern, die ihm in Stich ließen. Wir verdanken den Satz der Feindesliebe Jesu am Kreuz, dem Umgang Jesu mit seinen Mördern.
Exkurs: Viele Menschen, die Jesus begegneten, erkannten die Liebe zu sich oder zu anderen Menschen. Hier einige Stellen:
Der Jünger Johannes, von dem das Johannes-Evangelium stammt, sagt 4x, dass er sich von Jesus geliebt weiß. Er redet vom Jünger, den Jesus liebte (Joh 13,23; 19,26; 20,2; 21,20).
In der Geschichte vom reichen jungen Mann lesen wir: „Und Jesus sah ihn an und liebte ihn“ (Mk 10,21)
In der dramatischen Geschichte um den todkranken und dann verstorbenen Lazarus, den Jesus wieder auferweckte, gibt es drei Notizen über die Liebe Jesu: Freunde des Lazarus bitten Jesus: „Dein Freund, den du liebhast, ist krank!“ (Joh 11,3). Der Erzähler kommentiert: „Jesus aber hatte Marta lieb und ihre Schwester und Lazarus“ (Joh 11,5). Als Jesus am Grab weint, heißt es: „Da sagten die Juden: Seht, wie lieb er ihn gehabt hat“ (Joh 11,36)
Johannes sagt zu Beginn der Passionswoche zusammenfassend über Jesus: „Wie er die Seinen geliebt hatte…, so liebte er sie bis ans Ende.“ (Joh 13,1)
4.
Wir fassen zusammen: Es geht für uns und jeden Menschen darum, dass wir das glauben: Gott ist die Liebe! Liebe aber ist immer zu glauben. Nur wenn sie geglaubt wird, kann sie empfangen werden, kann sie beschenken. Nur wenn wir Gott seine Liebe zu uns glauben, können wir in dieser Wahrheit ruhen. Also: Gott ist die Liebe. Wir dürfen uns als Geliebte und als Beschenkte sehen, die von Gott Liebe um Liebe empfangen.
II.
Jesus beruft zum Lieben
1.
Einige Belegstellen dafür:
a.
Ein Schriftgelehrter kommt (siehe Luk 10,25-37) zu Jesus und fragt ihn, was er tun müsse, um das ewige Leben zu ererben. Daraufhin nennt Jesus ihn die zwei höchsten und wichtigsten Gebote Gottes: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft und deinem ganzen Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst« (5. Mose 6,5; 3. Mose 19,18).
Jesus beruft uns zum Lieben. Er ruft uns in die Liebe zu Gott (siehe auch Joh 21,15-21: Hast du mich lieb?), in die Liebe zu anderen und in die Liebe zu uns selbst. Zoomen wir uns etwas näher an diese Berufungen heran!
b.
Jesus beruft uns zum Lieben der Glaubensgeschwister. In Joh 13,34 sagt Jesus: Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander liebt. Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt. Und in Joh 15,12 sagt er: Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe. Siehe auch Joh 14,15 und 15,17!
c.
Jesus beruft uns zum Lieben bedürftiger und notleidender Menschen. Jesus sagt in Mt 25,35f: Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen.
Es gibt laut Fulbert Steffensky „keine Gottesliebe an den Hungernden, Dürstenden und Nackten vorbei“. Laut Emmanuel Levinas ist die “Verantwortung für den Anderen” „der harte Name für die Liebe“.
„Eine ‚Liebe zu Gott‘, getrennt von der solidarischen, aufopfernden, helfenden Liebe zu den Menschen, ist dem Neuen Testament zufolge… Heuchelei. ‚Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott, aber seinen Bruder hasst, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht‘ (1 Joh 4,20).“ (Tomas Halik, Ich will, dass du bist, 126)
2.
Die Begebenheit, als der Schriftgelehrte von Jesus wissen will, wie er leben soll, schauen wir uns näher an. Der Schriftgelehrte fragt, wer denn sein Nächster sei. Daraufhin erzählt Jesus das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter:
Es war ein Mensch, der ging von Jerusalem hinab nach Jericho und fiel unter die Räuber; die zogen ihn aus und schlugen ihn und machten sich davon und ließen ihn halb tot liegen. 31 Es traf sich aber, dass ein Priester dieselbe Straße hinabzog; und als er ihn sah, ging er vorüber. 32 Desgleichen auch ein Levit: Als er zu der Stelle kam und ihn sah, ging er vorüber. 33 Ein Samariter aber, der auf der Reise war, kam dahin; und als er ihn sah, jammerte es ihn; 34 und er ging zu ihm, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie ihm, hob ihn auf sein Tier und brachte ihn in eine Herberge und pflegte ihn. 35 Am nächsten Tag zog er zwei Silbergroschen heraus, gab sie dem Wirt und sprach: Pflege ihn; und wenn du mehr ausgibst, will ich dir’s bezahlen, wenn ich wiederkomme. 36 Wer von diesen dreien, meinst du, ist der Nächste geworden dem, der unter die Räuber gefallen war? 37 Er sprach: Der die Barmherzigkeit an ihm tat. Da sprach Jesus zu ihm: So geh hin und tu desgleichen!
Wir begreifen durch die Figur des Wirtes viel über unser Leben. Unser Leben funktioniert als Gemeinschaft des Gebens und Nehmens. Im Gleichnis wird das deutlich: Der Wirt bekommt Geld. Gegen eine angemessene Bezahlung versorgt er das Opfer. Er sorgt für Humanität, für einen guten Umgang mit menschlicher Not. Wir sehen: Unser Leben ist auf Tausch angelegt. Vieles im Leben läuft vertragsbasiert ab. Z.B. in einem Arbeitsverhältnis. Wir geben Zeit, Gaben und Kraft und bekommen Gehalt oder Lohn. Z.B. beim Einkaufen. Wir geben Geld und bekommen dafür eine Ware. Das Prinzip der Gegenseitigkeit gibt es, etwas gebrochen, auch in Freundschaften und Ehen.
Wir begreifen durch die Figur des Barmherzigen Samariters viel über die Liebe, die das NT agape nennt. Der Wirt liebt nicht risiko- und verlustbereit. Er ist auch nicht dazu verpflichtet. Der Samariter aber liebt risiko- und verlustbereit. Er riskiert freiwillig Leib und Leben, als er den schwer verletzten Mann hilft. Die Räuber könnten auch ihn überfallen. Und der Samariter ist bereit, für die Rettung des Mannes Geld herzugeben, dass er sehr wahrscheinlich nicht zurückbekommen wird. Seine Liebe zu dem Mann ist einseitig.
In dem Samariter lebt die Agape-Liebe, die wir in vollendeter Form bei Jesus sehen. Der Samariter ist eine Hinweisfigur auf Jesus. Es handelt sich um die Liebe, „die sich mitfühlend einem Menschen zuwendet, um sein Wohl zu fördern, und nicht um die leidenschaftlich begehrende Leibe, die bei und mit anderem Glück finden will.“ (Wilfried Härle, … und hätten ihn gern gefunden, S.81). Es ist eine Liebe, die unabhängig davon, ob sie etwas zurückbekommt, liebt und handelt. Jesus lebte eine riskante und verlustbereite Liebe in radikaler Form. Jesus liebte sogar die, bei denen die Antwort auf ihn feindlich ausfiel. Seine Liebe liebte sogar da, wo ihm Unrecht getan wurde. Seine Liebe liebte so, dass es ihm das Leben gekostet hat.
3.
Wir werten aus und halten fest.
„Das Tun der Liebe entspringt aus dem Empfangen der Liebe. Dieser Begründungszusammenhang der Liebe ist deswegen von großer Bedeutung, weil durch ihn (und vielleicht nur durch ihn) die menschliche Sorge überwunden wird, man könne selbst zu kurz kommen, wenn man andere liebt. Überwunden wird sie einerseits durch den Blick auf die Liebe, die wir von Gott empfangen haben, weil wir aus ihr Leben, und andererseits durch die paradox wirkende Erfahrung, dass die Liebe zu den (wenigen) Dingen gehört, die sich vermehren, indem man sie weitergibt.
Wenn dies verstanden ist, erkennt man, dass empfangene Liebe fließen muss und will. Wenn sie nicht weitergegeben wird, wird sie zum fauligen Brackwasser. Warum? Weil Liebe, die bloß in Anspruch genommen wird und verbraucht wird, gar nicht wirklich beim Menschen angekommen ist, solange sie ihn nicht zum Geben der Liebe bewegt. Liebe ist keine Ware, die man entgegennehmen, bei sich horten und verbrauchen kann. Sie ist ein Geschehen, das erst dann einen Menschen erreicht hat, wenn es ihn zum Mitmachen und Weitergeben motiviert. Das ist so wie mit der Vergebung. Wir können sie nur so empfangen und in Anspruch nehmen, dass wir sie auch denen zuteilwerden lassen, die an uns schuldig geworden sind.“ (Wilfried Härle, … und hätten ihn gern gefunden, S.103f)
Deshalb: Lasst uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt (1 Joh 4,19)
C.
Zwei seelsorgerliche Themen
I.
Es ist ja nicht immer leicht zu lieben. Jeder von uns dürfte eine Liste der Schwerfallenden führen, auf denen die Namen der Menschen stehen, bei denen uns die Liebe schwer fällt, sehr schwerfällt… Deshalb müssen wir uns jetzt der Frage stellen: Wie gehen wir mit der (Über-)Forderung Jesu um, unsere Feinde zu lieben?
Jesus beruft uns zur Feindesliebe. Ich lese aus der Bergpredigt Mt 5,43-48: 43 Ihr habt gehört, dass gesagt ist: »Du sollst deinen Nächsten lieben« (3.Mose 19,18) und deinen Feind hassen. 44 Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, 45 auf dass ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. 46 Denn wenn ihr liebt, die euch lieben, was werdet ihr für Lohn haben? Tun nicht dasselbe auch die Zöllner? 47 Und wenn ihr nur zu euren Brüdern freundlich seid, was tut ihr Besonderes? Tun nicht dasselbe auch die Heiden? 48 Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist.
Ich lese Euch ein Zeugnis vor, wie ein Mann, dessen verstorbene Frau von einem prominenten Christen in einer Zeitschrift beleidigt und gedemütigt wurde. Die Namen gehen uns nichts an. Dieses Zeugnis hilft mir. Meine Hoffnung ist, dass es Euch auch weiterhilft.
Der betroffene Mann schreibt: „Man wird mit diesen schwer verdaulichen Sätzen aus der Bergpredigt nicht fertig… Ich will den Satz nicht in seiner ethischen Allgemeinheit lassen, ich beziehe ihn auf mich selber.“ Es gibt einen Theologen, „den ich meinen Feind nennen würde. Er ist es, solange er seine infamen Sätze nicht dort widerruft, wo er sie gesagt hat… Ich hätte die beste Lust, mich an diesem Dummkopf zu rächen…
Dem Christus der Bergpredigt möchte ich sagen: Lass mir Zeit! Man kann sich selber nicht überspringen. Auch der Zorn hat sein Recht, auch die Empörung hat ihr Recht. Für Zorn und Empörung ist mir Christus selbst ein Vorbild: Er hat die Wechsler im Tempel… mit der Peitsche hinausgetrieben.
Die Liebe, die er meint, ist offensichtlich keine blutleere Sanftmut, die für alles, was geschieht, immer schon Verständnis hat. Ich habe für meinen Feind kein Verständnis, jedenfalls zunächst nicht. Alle tiefen Gefühle der Menschen brauchen ihre Zeit, man kann nichts überspringen, auch seine eigenen Irrtümer und Unzulänglichkeiten nicht…
Ich habe nun nicht nur meine Abneigung und meinen Zorn gegen meinen Feind. Ich habe auch dieses Bibelwort „Liebt eure Feinde!“. Es tritt mir in den Weg und beunruhigt mich. Es bringt mich in einen Zwiespalt. Wenn ich nur mich und meine Gefühle hätte… Das alte Wort lässt mir keine Ruhe, es verzögert meine Gefühle und meine Handlungen, und die Feindschaft bekommt Risse… Immer noch habe das Gefühl der Abneigung, und ich will dieses Gefühl nicht überspringen. Zur Überwindung der Feindschaft gehört auch der Mut, sie nicht zu verleugnen. Aber ich habe auch diesen fremden Befehl: Liebe deine Feinde!
Ich kann ihn auch nicht lieben in unmittelbaren Sinn des Wortes. Wir sind ja keineswegs immer Herr über die Nähe und die Entfernung, die wir zu Menschen haben. Aber eines kann ich schon tun, und das ist eine erste Auslegung des Liebesgebots: Ich kann darauf verzichten, ihm zu schaden. Ich kann darauf verzichten, mich zu rächen…
Lieben heißt nicht, diesem Menschen, den ich nicht mag, mit Gewalt zugeneigt sein. Alle Gewalt ist unfruchtbar, auch die, die man gegen seine eigenen Gefühle anwendet. Dem Feind nicht schaden – das genügt für den Augenblick, es ist ja auch schwer genug, darauf zu verzichten.“ (Autor mir bekannt)
Ich ergänze: Ich beginne, das zu tun, was Jesus in Luk 6,27f sagt: Segnet eure Feinde! Betet für eure Feinde!
II.
Was tun, wenn wir die Liebe Gottes nicht mehr sehen, wenn wir sie nicht mehr für uns glauben können?
Es gibt Menschen, die auf die Botschaft von der Liebe mit einem traurigen “Schön wär’s!” oder mit einem bitteren “Nein, danke!” reagieren.
Es ist ja so: Wir suchen Gottes Liebe in Gebetserhörungen, in Glücksphasen, in Gesundheit und Wohlstand, in Erfolg und Selbstoptimierung, in Wohlergehen und Wohlbefinden. Und wir können darin auch die Liebe Gottes finden. Wenn wir diese Dinge erleben, fühlen wir uns wir uns geborgen und geliebt.
Was aber, wenn es uns schlecht geht, wenn wir beruflichen Misserfolg und persönliche Nöte erleiden, wenn Gott uns enttäuscht, wenn wir ihn nicht mehr verstehen, wenn er uns leiden lässt? Was können wir tun, wenn Gottes Liebe sich versteckt?
Dietrich Bonhoeffer hat vor über 80 Jahren eine Predigtmeditation zu Joh 3,16 verfasst: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben!“
Bonhoeffer schreibt: „Von der Liebe Gottes zur Welt zu reden, bereitet dem, der nicht in Formeln stecken bleiben will, heute nicht geringe Schwierigkeiten“. Ich füge eine Bemerkung an: Wir brauchen die Einsicht in diese Not. Wenn Menschen Bilder aus Israel oder aus dem Gazastreifen sehen, wenn Menschen die Nöte in manchen Familien mitbekommen, dann kann es uns Schwierigkeiten bereiten, von der Liebe Gottes zu reden.
Bonhoeffer schreibt weiter: „Es ist ja deutlich genug, dass Gottes Liebe zur Welt nicht darin besteht, dass er den Kriegen ein Ende macht, dass er Armut, Not, Verfolgungen, Katastrophen aller Art von uns nimmt; gerade darin aber sind wir gewohnt Gottes Liebe zu suchen, und wir finden sie nicht. Jedoch so schwer es uns wird und so tief es uns erschüttert, dass Gottes Liebe sich so vor der Welt verbirgt, so dürfen wir gerade in solchen Zeiten dafür besonders dankbar werden, dass wir Gottes Liebe nicht mehr dort zu suchen brauchen, wo sie für uns nicht da ist, sondern dass sie uns umso klarer dort leuchtet, wo wir sie allein finden sollen: in Jesus Christus.“
Wo sollen wir also die Liebe Gottes suchen? Wo will Gott von uns gefunden werden? Natürlich auch in seinen Gaben, in seinen Geschenken, in seinen guten Fügungen und Führungen.
Aber wenn sich die Liebe Gottes versteckt sollen wir die Liebe Gottes im Leben Jesu und in seinem Sterben suchen und finden.
Wir können fragen: Wo werden wir gewiss, dass Gott uns liebt? Am Kreuz. Bei dem Gott am Kreuz. Beim liebenden Gott vom Kreuz. Bei dem Gott ohne erhobene Faust. Bei dem Gott, der beleidigt, verhöhnt und gekränkt wird, der furchtbar gequält wird, der entsorgt wird, und der auf dieses Unrecht, auf diese Verletzung, auf diesen Hass mit ausgestreckten Armen, mit seiner Vergebung reagiert.
Wir können fragen: Wo will Gott von uns gefunden werden? Wo werden wir gewiss, dass Gott uns liebt? Bei dem Gott, der sich aus Liebe verletzbar macht. Bei dem Gott, der zum Verlust seines Lebens bereit ist. Bei dem leidensfähigen, leidenswilligen und leidenden Gott. Bei dem mit uns fühlenden und mit uns leidenden Gott!
Love can heals singt Peter Gabriel. Die Liebe Jesu kann unsere Angst, nicht von Gott geliebt zu sein, heilen. Die Liebe des gekreuzigten Jesus kann das traurige „Schön wärs!“ und das bittere „Nein, danke!“ heilen. Gottseidank!
Lassen wir uns vom Auferstandenen behandeln! Amen!