Rut 1,1-19 – Gott handelt, ob wir es merken oder nicht – Von Martin Brendel

A.

1 Es war die Zeit, als das Volk Israel noch von Richtern geführt wurde. Weil im Land eine Hungersnot herrschte, verließ ein Mann aus Betlehem im Gebiet von Juda seine Heimatstadt und suchte mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen Zuflucht im Land Moab.
2 Der Mann hieß Elimelech, die Frau Noomi; die Söhne waren Machlon und Kiljon. Die Familie gehörte zur Sippe Efrat, die in Betlehem in Juda lebte. Während sie im Land Moab waren,
3 starb Elimelech und Noomi blieb mit ihren beiden Söhnen allein zurück.
4 Die Söhne heirateten zwei moabitische Frauen, Orpa und Rut. Aber zehn Jahre später starben auch Machlon und Kiljon,
5 und ihre Mutter Noomi war nun ganz allein, ohne Mann und ohne Kinder.
6-7 Als sie erfuhr, dass der Herr seinem Volk geholfen hatte und es in Juda wieder zu essen gab, entschloss sie sich, das Land Moab zu verlassen und nach Juda zurückzukehren. Ihre Schwiegertöchter gingen mit.
8 Unterwegs sagte sie zu den beiden: »Kehrt wieder um! Geht zurück, jede ins Haus ihrer Mutter! Der Herr vergelte euch alles Gute, das ihr an den Verstorbenen und an mir getan habt.
9 Er gebe euch wieder einen Mann und lasse euch ein neues Zuhause finden.« Noomi küsste die beiden zum Abschied. Doch sie weinten
10 und sagten zu ihr: »Wir verlassen dich nicht! Wir gehen mit dir zu deinem Volk.«
11 Noomi wehrte ab: »Kehrt doch um, meine Töchter! Warum wollt ihr mit mir gehen? Habe ich etwa noch Söhne zu erwarten, die eure Männer werden könnten?
12 Geht, meine Töchter, kehrt um! Ich bin zu alt, um noch einmal zu heiraten. Und selbst wenn es möglich wäre und ich es noch heute tun würde und dann Söhne zur Welt brächte
13 wolltet ihr etwa warten, bis sie groß geworden sind? Wolltet ihr so lange allein bleiben und auf einen Mann warten? Nein, meine Töchter! Ich kann euch nicht zumuten, dass ihr das bittere Schicksal teilt, das der Herr mir bereitet hat.«
14 Da weinten Rut und Orpa noch mehr. Orpa küsste ihre Schwiegermutter und nahm Abschied; aber Rut blieb bei ihr.
15 Noomi redete ihr zu: »Du siehst, deine Schwägerin ist zu ihrem Volk und zu ihrem Gott zurückgegangen. Mach es wie sie, geh ihr nach!«
16 Aber Rut antwortete: »Dränge mich nicht, dich zu verlassen. Ich kehre nicht um, ich lasse dich nicht allein. Wohin du gehst, dorthin gehe ich auch; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott.
17 Wo du stirbst, da will auch ich sterben; dort will ich begraben werden. Der Zorn des Herrn soll mich treffen, wenn ich nicht Wort halte: Nur der Tod kann mich von dir trennen!«
18 Als Noomi sah, dass Rut so fest entschlossen war, gab sie es auf, sie zur Heimkehr zu überreden.
19 So gingen die beiden miteinander bis nach Betlehem.
(nach der Übersetzung Gute Nachricht)

Ich empfehle, die Geschichte einmal ganz zu lesen. Es sind nur 4 Kapitel.
Es gibt eine gute Zusammenfassung über das Buch Rut. Siehe: https://www.youtube.com/watch?v=IF1bCncMGfw

 

B.

Gott handelt, auch wenn wir es überhaupt nicht wahrnehmen. Gott handelt, ob wir es merken oder nicht.

Wir schauen uns den Anfang des Buches an und schauen, was die Geschichte uns heute zu sagen hat. Als ich die Geschichte auf mich wirken ließ, fand ich mich im übertragenen Sinne in dieser Geschichte wieder.

Es herrscht eine Hungersnot im Land. Das lesen wir in der Bibel öfter. Es war wohl zu der Zeit der Richter sowieso alles etwas chaotisch. Die Richter waren vorwiegend politisch-militärische Anführer, kümmerten sich auch um die Rechtsprechung im Volk. Obwohl das Volk untreu war und immer wieder tragische Situationen erlitt, war Gott stets bereit, sein Volk zu retten, sobald es Buße tat und zu ihm umkehrte.

 

1.
Die Hungersnot im Land

Diese veranlasst die Familie von Elimelech nach Moab zu ziehen. Die Moabiter werden in der Bibel oft als Gegner Israels erwähnt. Sie beteten auch andere Götter an. In dieses Land zog die Familie mit ihren zwei Söhnen. Der Mann von Noomi starb. Sie waren etwa zehn Jahre dort und die Söhne heirateten moabitische Frauen: Orpa und Rut. Die Söhne starben auch. Jetzt waren drei Frauen allein in einem fremden Land. Ein kurze Anmerkung zu Witwen im Alten Testament: Starb ihr Ehemann, so kam eine Frau zur Zeit der Bibel in große Schwierigkeiten. Sie verlor ihre wirtschaftliche, rechtliche und soziale Absicherung.

Die Hungersnot war wohl durch eine Dürrezeit ausgelöst worden. Es wuchs nicht genügend. Die Versorgung wurde knapp. Noomi, ihr Mann und die Kinder verlassen ihr Land, ihren Gott. Hatten sie zu wenig Vertrauen, dass sie die schwere Zeit überleben? Dachten sie, dass in dem anderen Land alles besser ist? Wir lesen nichts davon, dass Elimelech nach Gott gefragt hat, ob sie bleiben oder wirklich das Land verlassen sollen. Er geht seinen eigenen Weg. Mit dem Eigenwillen ist es so eine Sache. Den haben wir in uns und ich weiß ja Gottes Willen nicht immer gleich. Doch gar nicht nach ihm zu fragen, gefällt Gott nicht. Ich habe da eine eindrückliche Bibelstelle gefunden. Da sagt Samuel zu Saul folgendes: Trotz gegen Gott ist ebenso schlimm wie Zauberei, Auflehnung gegen ihn so schlimm wie Götzendienst. (1. Samuel 15,23)

Der Tod von Elimelech und seinen Söhnen waren vielleicht Folgen des Eigenwillens. Da greift Gott hart ein. Für uns oft schwer zu verstehen und erst recht für Noomi. Und es ist nicht leicht wie Mose zu sagen: Er ist der Fels. Seine Werke sind vollkommen; denn alle seine Wege sind recht (5. Mose 32,4) Es gibt Zeiten im Leben, da versteht man die Wege vielleicht nicht.

Der Bezug zu meinem Leben: Es gab bei mir auch eine Dürrezeit und Trotz gegen Gott. Eine Zeit der Enttäuschung und Unzufriedenheit. Ich war seit dem Jungscharalter im CVJM. Das hat mich sehr geprägt. Ich war glaube ich gefühlt mehr Zeit dort als zu Hause. Ich hatte tolle Freunde, wir trafen uns auch außerhalb der Veranstaltungen im CVJM Haus zum Fußballspielen. Es gab dort einen geeigneten Platz, später spielten wir auch Tischtennis, wir fuhren zu Wettkämpfen usw. Einige Zeit nach meiner Entscheidung, mit Jesus zu leben, bei einer Freizeit auf der Burg Wernfels im Jugendalter, wurde ich selbst Mitarbeiter und war sehr engagiert dabei. Irgendwann während meiner ersten Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann kamen Zweifel und Unzufriedenheit auf. Als Jugendlicher im Arbeitsleben war man herausgerissen aus der heilen Welt. So empfand ich das. Es gab andere Auseinandersetzungen mit dem Leben, mit Personen, Lebenseinstellungen usw. Mit der Zeit regten mich auch manch andere Mitarbeiter im CVJM auf und so nahm alles seinen Lauf. Der erlernte Beruf machte mir auch keine große Freude und ich war überzeugt, den Beruf nicht den Rest meines Lebens auszuüben. So war die Gelegenheit da, was ganz anderes zu machen und auch weg aus der Heimatstadt zu gehen. Auf ins Leben! Neue Ausbildung, neue Leute, neues Umfeld. Irgendwie hatte ich das Gefühl, ich müsste etwas Verpasstes nachholen.

Und meine Beziehung zu Gott wurde auch immer weniger. Ich möchte sagen, sie war nicht ganz und gar weg, spielte aber keine große Rolle mehr. Das war meine Flucht, mein Eigenwille.

Schauen wir wieder auf Noomi. Jetzt waren sie also drei Witwen. Wie sollten sie versorgt werden? Noomi erfuhr, dass es in ihrem Heimatland wieder besser aussieht und sie machen sich auf den Weg zurück. Sie kehren um. Erst zu dritt. Dann bleibt Orpa doch zurück. Eine verständliche und vernünftige Entscheidung. Sie kann wieder heiraten und ist versorgt. Rut bleibt bei Noomi. Sie lässt sich nicht von ihrer Entscheidung abbringen.

 

2.
Zurück zu Gott

Sie kehren um. Sie kehren zurück in ihr Heimatland. Zurück zu ihrem Gott. Hat Rut durch ihren Mann Gott kennengelernt, oder durch Noomi? Man kann hier nur vermuten. Jedenfalls liegt ihr sehr viel daran, bei Noomi und bei Gott zu bleiben. Mit allen Schwierigkeiten, die vor ihr liegen. Sie wählt nicht den einfacheren Weg.

Persönlicher Rückblick: Ich machte Zivildienst, anschließend die Ausbildung zum Heilerziehungspfleger. Die war genau das Richtige. 2021 werden es 30 Jahre und ich übe den Beruf immer noch sehr gerne und mit Freude aus. Meine erste Ehe dauerte nur vier Jahre. Daraus entstand ein wunderbarer Sohn, mit dem ich dann einige Jahre allein war. Das Loch nach der Trennung war tief. Und es dauerte lange, bis sich alles wieder einigermaßen geordnet hat. Wohl auch eine Folge meines Eigenwillens.

Zurück zu Gott. Mein Weg zurück zu Gott, wieder zu einer lebendigen Beziehung geschah durch meine zweite Frau. Ich muss ehrlich sagen, ich weiß nicht, oder möchte mir nicht vorstellen, was aus mir geworden wäre, wenn ich sie nicht kennengelernt und den Weg zurückgefunden hätte.

Wie in der Zusammenfassung erwähnt, genauso ging es mir auch. Gott schreibt die Geschichte. Er kann aus den unmöglichsten Umständen etwas Gutes entstehen lassen.

Wie aussichtslos war die Lage für die zwei Witwen! Sie wussten nicht, was auf sie zukommt, wie sie versorgt werden.

Wie krumm waren meine Wege und Gott hat mich nicht losgelassen, er hat mit den Umständen gearbeitet, die ich ihm bereitet habe.

Vielleicht hat jeder so eine ähnliche Geschichte zu erzählen. Vielleicht hat er auch Gott erlebt, wo er gar nicht mit ihm gerechnet hätte. In der Rückschau wird so vieles deutlich und ich kann nur dankbar sein. Dankbar, dass Gott gehandelt hat, auch wenn ich es gar nicht gemerkt habe. Wir können fallen, aber Gott lässt uns nicht liegen. Er freut sich, wenn wir zu ihm zurückkommen.

Jedes Mal, wenn meine Frau und ich unsere Geschichte anderen erzählen, freuen wir uns daran und mir wird immer wieder bewusst, wie gut und stark Gott gehandelt hat und an alles gedacht hat. Natürlich war nicht immer alles super, wir hatten genauso Probleme. Doch diese konnten und können wir mit Gottes Hilfe bewältigen.

 

3.
Das Vertrauen

Der dritte Punkt meiner Predigt ist das Vertrauen der Noomi in Gott.

Das beeindruckt mich sehr! Sie musste ja den Tod ihres Mannes und ihrer zwei Söhne verkraften. Sie wusste nicht, wie es weiter gehen soll. Sie hört, dass es in Bethlehem wieder besser ist, also macht sie sich hoffnungsvoll auf den Weg. Unterwegs bekommt sie wohl ihre Zweifel und bittet die beiden Schwiegertöchter, zu bleiben. Was muss das für ein innerlicher Kampf gewesen sein. Es fällt ihr nicht leicht. Alle weinen und sind traurig über die Trennung. Orpa bleibt. Eine Entscheidung, die ich nachvollziehen kann. Ein kleiner Blick auf Orpa. Sie sie macht sich auch auf den Weg in Gottes Land. Sie steht sinnbildlich für die Menschen, die nahe dran sind an Gott, jedoch noch keine Entscheidung getroffen haben, sich Gott ganz zuzuwenden. Sie wählt den vermeintlich einfacheren Weg. Sie wird in ihrem Land bestimmt wieder einen Mann finden, der sie versorgt. Rut hingegen lässt sich nicht von ihrer Entscheidung abbringen. Noomi gibt auf, Rut umzustimmen. Beide gehen zurück nach Bethlehem.

Noomi vertraut darauf, dass es zu Hause gut weiter geht. Und es geht auch gut weiter. Es geht um ihre Versorgung. Nicht nur um die eigene, auch um Rut.

Ich war noch nie in der Situation, dass ich um meine Versorgung bangen musste. Trotzdem kennen viele die Ungewissheit im Leben, wenn man nicht weiß, wie es weitergehen soll. Aussichtlosigkeit. Doch gerade da greift Gott dann oft wieder ein. Noomi geht zurück in Gottes Land, sozusagen. Sie hat die Gnade Gottes erfahren. Sie war in einer sehr schwierigen Lage und sie erfuhr, dass es in der Heimat wieder besser aussieht. Ich denke auch das hat Gott so gefügt, dass Noomi diese Nachricht erfährt.

Aus einem Bibel-Kommentar: Wer da sagt: „Ich will“ und „sich aufmacht“, darf der vergebenden und wiederherstellenden Gnade sicher sein. Nicht nur das, selbst da, wo jedes Anrecht auf Segnungen scheinbar verwirkt ist, wird Gott aufs Neue segnen im Übermaß.

4.
Ruts Versprechen

Der vierte Punkt meiner Predigt ist dieses Versprechen von Rut: Wohin du gehst, dorthin gehe ich auch; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da will auch ich sterben; dort will ich begraben werden.

Obwohl dies nicht ein Liebespaar zueinander sagt, wird dieser Vers gern als Trauspruch genommen, weil er so bedingungslos ist. Auch von Lukas und Isabell aus unserer Gemeinde.
Am Rande erwähnt sei folgender Auszug aus dem Internet von der Seite evangelisch.de: Bibelwissenschaftler und Exegetinnen haben zudem herausgearbeitet, dass das Wort mitgehen (hebräisch davka) dasselbe Wort ist, das im 1. Buch Mose 2,24 benutzt wird, um die Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau bei einer Eheschließung zu beschreiben (seiner Frau “anhangen”). Diese Tatsache unterstreicht, dass es bei dem Ausspruch um einen Treueschwur geht.

Um den Satz verstehen zu können, ist es wichtig, den Kontext dieses Ausspruchs zu verdeutlichen. Die beiden Frauen lebten in einem streng patriarchalen System, in dem Männer das Sagen hatten und Witwen ohne Kinder Freiwild ohne Schutz und ohne ökonomische Absicherung waren. Aber statt zurück nach Moab zu gehen und sich einen neuen Mann zu suchen, entschied sich Ruth bei ihrer Schwiegermutter Noomi zu bleiben. Sie war dazu bereit, Noomis Sprache zu lernen, ihren Gott und ihre Religion anzunehmen und in ihrem Land zu leben. Ruth entschied sich mit allen Konsequenzen für ein Leben mit Noomi. Alle, die Migrationsgeschichten kennen oder selbst erlebt haben, wissen, wie schwierig und schmerzhaft das ist.

In einer queeren Lesart des Textes kann Ruts Entscheidung als Entscheidung für ein Lebensbündnis angesehen werden, ohne das Zusammenleben näher etikettieren zu müssen. Diese Form des Zusammenlebens ging über Generations-, Geschlechter-, Religions- und Ländergrenzen hinweg. Manche Forscherinnen und Forscher bezeichnen diese Verbindung daher als Liebesverbindung zwischen zwei Frauen. Ob es so war, wissen wir nicht. Es ist auf jeden Fall denkbar. Es ist aber gar nicht nötig, dieser Verbindung einen Namen zu geben. Denn sie steht für sich. Klar ist, dass die beiden Frauen eine besonders enge Gemeinschaft und Fürsorge füreinander verbunden hat.

Das ist Hingabe, bedingungslose Hingabe. Rut möchte bei Noomi bleiben und sie möchte auch bei dem Gott von Noomi bleiben. Bis zum Ende ihres Lebens. Rut ist von Gott angesprochen. Wohl durch das Vertrauen von Noomi auf Gott. Das hat sie erkannt und gespürt, dass da etwas ist. Noomi war nie ganz weg von Gott. Durch Noomi bekommt Rut eine leise Ahnung von Gott. Sie möchte ihn kennenlernen. Sie möchte ganz bei Gott sein.

Sie trifft eine Entscheidung für Gott. Lässt alles hinter sich und wagt den Schritt. Sie glaubt an Gott und vertraut ihm. Auf dieser Entscheidung liegt Segen. Gott führt sie gut weiter.

Wo findest du dich in dieser Geschichte? In einer Dürrezeit? Beim Weglaufen? Beim Umkehren? Auf dem Weg wie Orpa, ganz nah dran? Oder schon ganz bei Gott? Oder wie Noomi, die durch ihr Vertrauen zu Gott andere neugierig auf Gott macht?