Given not earned – Unser missionarisches Engagement Teil 5 – Von Thomas Pichel

A.
Teil 1: Earned not given

1.
Ich habe bei den Spartan-Wettbewerben auf den T-Shirts die Botschaft earned not given gelesen. Verdient. Nicht geschenkt. Dieses Motto hat ein Nachdenken in mir ausgelöst. Ich habe gegoogelt und bin auf unendlich viele Bilder und Artikel zu earned not given gestoßen.

Ich will Spartan nicht kritisieren, erst recht nicht die sportlichen Leistungen. Bei diesen Wettkämpfen wird einem wirklich nichts geschenkt. Ich habe großen Respekt vor den gezeigten Leistungen.

2.
Ich will Euch in drei Gedankengänge mit hineinnehmen. Ich bin nicht fertig mit meinem Nachdenken. Ich glaube, dass hinter dem Motto earned not given viel mehr stecken kann. Ich bin auch überzeugt davon, dass wir Christen sehr gut mit der Botschaft vom Evangelium an dieses Motto anknüpfen können.

(1)
Ich denke, in dem Motto earned not given steckt eine Teilwahrheit. Da ist etwas Wahres dran. Das ist in vielen Bereichen des Lebens so: im Sport, in der Schule, in der Arbeit… Da gilt das Leistungsprinzip. Da muss man sich anstrengen. Ohne Fleiß kein Preis. Aber wenn man etwas Wahres überzieht, überzeichnet, überdreht, übertreibt, wird es falsch und gefährlich. Wenn man earned not given absolut setzt, wird daraus ein unbarmherziges Gesetz, das einem nicht guttut, sondern enorm schadet.

(2)
Ich frage mich deshalb, ob hinter earned not given nicht oft der uralte Wunsch des Glaubens an sich selbst steckt. Man will sich selbst alles verdanken können. Stärke, Respekt, Größe, Ehre, Erfolg… Wer das bei sich selbst kennt, den konfrontiert die Bibel mit der grundsätzlichen Frage: Was hast du, das du nicht empfangen hättest? Wenn du es aber empfangen hast, warum rühmst du dich, als hättest du es nicht empfangen? (1 Kor 4,7) Das heißt, auch ein starker Wille und all unsere Fähigkeiten sind Geschenke Gottes! Alles ist given, d.h. geschenkt!

(3)
Ich bohre tiefer, weil diese Dinge für unser Leben wesentlich sind, weil dieser Bibelvers uns das Stichwort “rühmen” liefert. Ich habe den Verdacht, dass hinter earned not given oft unser ruhmsüchtiges Herz steckt. Dietrich Bonhoeffer sagt einmal: Wir sind ruhmsüchtig und leben in einer ruhmsüchtigen Welt. Jeder Mensch will aus sich selbst etwas sein. Jeder Mensch meint, von seinem Stolz auf sich selbst leben zu können. Jeder Mensch meint, von seinem Selbstruhm leben zu können. Jeder Mensch hat etwas, von dem er nicht lässt, aus dem er Sinn und Kraft für sein Leben zieht. Der Selbstruhm der Starken sind ihre Stärken. Der Selbstruhm der Schwachen sind ihre Schwächen. Der Selbstruhm der Erfolgreichen und Reichen sind ihr Erfolg und ihr Reichtum. Der Selbstruhm der Schönen und Fitten sind ihre Schönheit und Fitness. Der Selbstruhm der Anständigen ist ihr Gutsein und Bessersein als andere. Der Selbstruhm der Faulen ist ihre Faulheit. Der Selbstruhm macht auch vor Gläubigen nicht halt. Der Selbstruhm von Christen kann ihr Glaube, ihr echter und richtiger Glaube sein. Das mit dem Selbstruhm ist wirklich kein einfaches Problem!

Daraus ergibt sich für Christen wie für Nichtchristen ein seelsorgerliches Fragenpaket:

Wie schaut es bei uns mit dem Selbstruhm aus? Wie geht es uns mit uns selbst – mit dem, was wir leisten, was wir haben? Wie geht es uns mit dem, wo wir etwas nicht schaffen, wo wir schwach sind, wo wir unsere Ziele nicht erreichen, wo wir mit anderen nicht mithalten können?

Wissen wir, welche Probleme aus unserem Zwang, uns zu rühmen, herrühren? Probleme für uns selbst, Probleme für unsere Beziehungen. Denn aus dem Selbstruhm kommen Überlegenheitsgefühle und Anspruchshaltungen. Unser Selbstruhm kann die Ursache sein für unseren Neid, unsere Unzufriedenheit, Traurigkeit und Verzweiflung. Unser Selbstruhm kann uns zum Spielball für Druck und Erwartungen machen. Aus unserem Selbstruhm können Müdigkeit und Erschöpfung resultieren.

 

B.
Teil 2: Zwei Impulse für unser missionarisches Engagement

12 Wenn andere dieses Recht an euch haben, warum nicht viel mehr wir? Aber wir haben von diesem Recht nicht Gebrauch gemacht, sondern wir ertragen alles, damit wir nicht dem Evangelium von Christus ein Hindernis bereiten. 13 Wisst ihr nicht, dass, die im Tempel dienen, vom Tempel leben, und die am Altar dienen, vom Altar ihren Anteil bekommen? 14 So hat auch der Herr befohlen, dass, die das Evangelium verkündigen, sich vom Evangelium nähren sollen. 15 Ich aber habe von alledem keinen Gebrauch gemacht. Ich schreibe auch nicht deshalb davon, damit es nun mit mir so gehalten werden sollte. Lieber würde ich sterben – nein, meinen Ruhm soll niemand zunichtemachen! 16 Denn dass ich das Evangelium predige, dessen darf ich mich nicht rühmen; denn ich muss es tun / es liegt ein Zwang auf mir. Und wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predigte! 17 Würde ich es freiwillig tun, dann hätte ich Anspruch auf Lohn. Würde ich es aber unfreiwilligerweise tun, so wäre ich zumindest mit einem Verwaltungsamt betraut. 18 Was ist denn nun mein Lohn? Dass ich das Evangelium predige ohne Entgelt (wörtlich als etwas Unentgeltliches) und von meinem Recht am Evangelium keinen Gebrauch mache, nämlich dass ich für die Verkündigung bezahlt dafür. 1 Kor 9,12-18

I.
Das Evangelium ist etwas Unentgeltliches. Die Liebe Gottes ist unbezahlbar.

1.
Paulus hat den Korinthern das Evangelium gebracht. Er hat von Jesus gepredigt. Er hat die Bibel ausgelegt. Und er hat dafür nie Geld genommen. Er schreibt: Ich habe euch das Evangelium als etwas Unentgeltliches gebracht. Ich habe meine Dienste unentgeltlich verrichtet.

Er hätte das nicht so machen müssen.

Er hätte ein Recht auf Bezahlung gehabt. Das ist Menschenrecht. Wer arbeitet, gehört bezahlt.

Das ist Tempelrecht. Die Hauptamtlichen Israels wurden bezahlt.

Das war auch in Anführungszeichen gesagt: das ‚Recht‘ Jesu. Jesus hat Spenden von Menschen für sich und seine Jünger angenommen.

Paulus sagt: Ich hätte selbstverständlich das Recht, mich von den Gemeinden bezahlen zu lassen. Aber ich habe auch das Recht, auf dieses Recht zu verzichten.

2.
Wir sehen: Paulus hat keine Unterstützung von den Gemeinden angenommen, die von ihm das Evangelium bekamen. Er hat eine Ausnahme gemacht. Die Philipper haben ihm Geld gegeben und er hat es angenommen. Er hat mit den eigenen Händen gearbeitet. Die Apostelgeschichte erzählt uns, dass er Zeltmacher war, dass er Planen und Decken machte, dass er also mit richtiger Handarbeit seinen Lebensunterhalt verdiente.

3.
Warum hat Paulus das so gemacht? Paulus ist übrigens derjenige im Neuen Testament, der am stärksten sich selbst als Vorbild zeigen möchte und dafür sehr viel Aufwand betreibt.

Paulus hatte eine Absicht dabei. Seine Logik lautete so: Das Evangelium ist ein Geschenk. Man muss es nicht bezahlen. Man kann es nicht bezahlen. Man darf es nicht bezahlen. Man kann es nur geschenkt bekommen. Das Evangelium ist given not earned, geschenkt und unverdient.

Das Evangelium zeigt die Liebe Gottes. Und die Liebe Gottes ist wie alle Liebe unbezahlbar. Man muss Liebe nicht bezahlen. Man kann sie nicht bezahlen. Man darf sie nicht bezahlen.

Wer meint, die Liebe Gottes oder das Evangelium bezahlen zu müssen, wird nie darüber glücklich. Wer meint, es bezahlen zu können, macht es kaputt.

Um diese Gefahr auszuschließen, nahm Paulus kein Geld für seine Predigten und seine Dienste in der Gemeinde. Paulus wollte ein Hinweis für den Gratischarakter des Evangeliums sein. Er wollte den Umsonst-Charakter der Gnade unterstreichen. Sein Motto lautete: Given not earned. Gottes Liebe kann man sich nicht verdienen. Sie ist geschenkt. So umsonst wie ich arbeite, so umsonst, so unverdient darfst du, o Mensch, das Heil empfangen.

II.
Ein freudiges Müssen

Das griechische Wort, das Luther mit Zwang übersetzt, kann Zwang, Nötigung, Schicksal heißen. Nur! Paulus verwendet dieses schwere Wort mit einem hellen und frohen Ton.

Paulus sagt: Das Evangelium ist meine Lebensmitte und mein Lebenssinn. Es ist kein Zwang, der von außen kommt und Druck macht. Dieses Müssen kommt aus mir selbst.

Paulus sagt: Ich muss das Evangelium verkündigen. Ich muss den Menschen von Jesus Christus erzählen. Ich muss. Aber mit Freude. Ich muss, weil ich es will, weil ich nicht anders kann, weil das Evangelium mein Ein und Alles ist, weil andere erfahren müssen, was ich erfahren durfte.

 

C.
Teil 3: Impulse für unser Selbstverständnis, für ein fröhliches und getrostes Christsein 

Wir wechseln diesen großen Geldschein im letzten Teil der Predigt in Kleingeld. Wir brechen die gute Botschaft des Given not earned (Alles ist geschenkt, nichts ist verdient) herunter. Was bedeutet es konkret für unser Leben, dass wir die Liebe Gottes weder bezahlen müssen noch können?

Wir tun das, indem wir uns von einem Wort Jesu leiten lassen. Es ist eine Aussage Jesu über Gott, deren Tragweite man gar nicht hoch genug ansetzen darf. Jesus sagt einmal zu einem leistungsstarken und willensstarken reichen Mann: „Niemand ist gut als allein Gott“ (Luk 18,19). Also: Kein Mensch ist wirklich gut. Kein Mensch ist selbstlos. Kein Mensch ist ohne böse Worte, ohne böse Taten. Kein Mensch ist ohne Schuld.

Ich möchte uns jetzt drei zusammenhängende Gedanken vorstellen, was das für uns bedeutet. Ich leihe sie mir von Martin Schleske aus seinem Buch “WerkZeuge”. Es gibt natürlich viel mehr. Ich verbinde diese Impulse mit dem Abendmahl. Das Motto lautet: Wir dürfen fröhlich und getrost die Einladung zum Abendmahl annehmen.

1.
Habe den Mut zu sein, was du bist: ein Sünder!

„Ich glaube, Gott hat viel weniger Mühe mit unserer Sünde als damit, dass wir uns weigern, Sünder zu sein. Unsere strahlenden Selbstinszenierungen hindern unsere tiefere Selbstannahme, denn sie machen uns glauben, wir seien gut. Gut ist Gott allein. Es ist die Arroganz der überforderten Heiligen, die sich weigern, endlich erlöste Sünder zu sein“. Martin Schleske, WerkZeuge, 20.5.

2.
Es fühlt sich gut an, gut zu sein. Eine gewaltige seelische Armada (psychische Abwehrmechanismen) verteidigt in uns die Überzeugung, wir seien gut. Zum inneren Aufgebot gehören Verdrängung, Verleugnung, Verneinung, Flucht, Spaltung, Übertragung, Abstraktionsbildung, Intellektualisierung, Rationalisierung und viele mehr – die Seele ist einfallsreich in der Abwehr von Hilflosigkeit und in der Verteidigung ihres Selbstwertgefühls. Doch das Gewissen – die moralische Supermacht des inneren Menschen – greift dem sich verteidigenden Selbstgefühl ans Herz, es droht die Selbstkränkung im finsteren Verlies von Schuld, Selbstanklage, gefühlter Wertlosigkeit, Würdelosigkeit und Scham. Um es so weit nicht kommen zu lassen, wird in uns ein elementares Bedürfnis wirksam, alles richtig zu machen und uns keine Fehler zuschulden kommen zu lassen. Wir entfalten die Macht der Selbsterziehung und eine große Strenge gegen uns selbst. Um den Gedankengang an dieser Stelle abzukürzen: Moralische Perfektionisten haben wenig Chance auf echte Gottesnähe, denn ständige Selbsterziehung und Schuldgefühle machen sie klein und unwirksam gegenüber dem Wirken der göttlichen Gnade… Menschen, die noch immer glauben, sie müssten es Gott recht machen, da sie voller Trennungsängste (und voller Strafängste) sind, leben nicht in Christus.“ (Martin Schleske, WerkZeuge)

3.
Solange du noch versuchst, dir selbst und Gott ständig zu zeigen, dass du es verdient hast, kann Gott dir nicht dienen. Solange du noch immer versuchst, zu zeigen, wie gut du bist, kommt die Güte Gottes nicht an dich heran“ (Martin Schleske, WerkZeuge, 15.6.)

„Der Glaube besteht nicht darin, ständig nichts falsch zu machen, sondern mutig in den Dingen zu leben, die uns wichtig geworden sind…“ (Schleske, WerkZeuge, 14.3.)

Das ist die herrliche Freiheit der Kinder Gottes! Deshalb können wir getrost und fröhlich Abendmahl feiern! Amen!