Joh 16,16-23a – Mit Jesus ans Ziel – Von Martin Brendel

16 Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen. 17 Da sprachen einige seiner Jünger untereinander: Was bedeutet das, was er zu uns sagt: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen; und: Ich gehe zum Vater? 18 Da sprachen sie: Was bedeutet das, was er sagt: Noch eine kleine Weile? Wir wissen nicht, was er redet. 19 Da merkte Jesus, dass sie ihn fragen wollten, und sprach zu ihnen: Danach fragt ihr euch untereinander, dass ich gesagt habe: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen? 20 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll zur Freude werden. 21 Eine Frau, wenn sie gebiert, so hat sie Schmerzen, denn ihre Stunde ist gekommen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist. 22 Auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen. 23 Und an jenem Tage werdet ihr mich nichts fragen. (Joh 16,16-23a)

 

A.

I.
Ein Text, der nicht ohne weiteres zu verstehen ist

Die Jünger geben zu: Wir wissen nicht, was er redet! So ging es mir am Anfang auch, als ich begann, mich mit dem Text auseinanderzusetzen.

Die Jünger waren ratlos. Dreimal wird das Gesagte wiederholt. Eigenartig. Es herrscht bei den Jüngern große Ratlosigkeit. Sie sprechen untereinander über die Aussage, das kann man sich gut vorstellen. „Was meinst du?“, oder „Ich verstehe überhaupt nichts.“

Nach dem Tod Jesu waren die Jünger am Ende. Er war weg, der, dem sie gefolgt waren, mit dem sie so viel erlebt haben, von dem sie auch noch so vieles erwartet haben.

Die Welt freut sich, weil es ihr gelungen war, den Herrn Jesus zu kreuzigen, aber die Jünger weinen und klagen.

Doch das wird nicht lange dauern. Ihre Traurigkeit wird zur Freude werden. Das geschah dann auch.

Sie konnten die Auferstehung anfangs gar nicht fassen. Im Matthäusevangelium lesen wir von den Frauen am Grab: „Und sie gingen eilends weg vom Grab mit Furcht und großer Freude und liefen, um es seinen Jüngern zu verkündigen.“

 

II.
Jesus redet von zwei Zeitebenen

Der Text gehört zu den Abschiedsreden Jesu. Der genaue Zeitrahmen ist nicht eindeutig. Mit dem hier Gesagten kann gemeint sein, dass Jesus drei Tage weggehen und dann nach seiner Auferstehung zu ihnen zurückkehren werde. Damit kann auch gemeint sein, dass Jesus zu seinem Vater in den Himmel zurückgehen werde, um dann, nach einer kleinen Weile, zurückkommen werde.

Die Jünger waren verwirrt. Der Grund dafür war, dass Jesus vorher in Vers 10 gesagt hat: „Dass ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht seht.“ Nun sagt er: „Eine kleine Weile, und ihr seht mich nicht, und wieder eine kleine Weile, und ihr werdet mich sehen.“ Diese beiden Aussagen konnten die Jünger nicht miteinander vereinbaren.

Wir stehen auch vor diesem Problem. Auf was bezieht Jesus die kleine Weile? Auf die drei Tage zwischen seinem Tod und seiner Auferstehung, oder auf die vielen Jahre bis zu seiner Wiederkunft? Ich meine sagen zu dürfen: Jesus macht hier eine doppelbödige Aussage. Zunächst meint Jesus die Zeit zwischen seinem Tod und seiner Auferstehung. Und zweitens meint Jesus die Zeit zwischen seiner Himmelfahrt und seinem zweiten Kommen, seinem Wiederkommen.

 

B.

I.
Die Verheißung: Traurigkeit soll zur Freude werden, zu einer Freude, die Hoffnung macht.

Jesus bringt den Vergleich mit einer Geburt, um uns zu erklären, was gemeint ist. Bei einer Geburt wechseln Schmerz und Freude sehr schnell. Auch wenn es etwas schwierig ist, als Mann von den Erlebnissen einer Geburt zu erzählen. Ich war bei der Geburt meines Sohnes dabei. Ich konnte nur dabeistehen, versuchen, Beistand zu leisten. Beim Geburtsvorbereitungskurs sagte die Hebamme, dass die Frau bei der Geburt im wahrsten Sinne des Wortes „außer sich ist“. Die erlebten Schmerzen sind wohl nicht mehr so ganz nachzuvollziehen. Sie begründete ihre Aussage damit, dass sonst Frauen immer nur ein Kind zur Welt bringen würden. Die Schmerzen sind schnell vergessen und die Freude überwiegt.

In Vers 20 heißt es: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll zur Freude werden.

Bedenken wir wieder die beiden Zeitebenen. Nach dem Tod Jesu waren die Jünger traurig und verzweifelt. Sie haben bestimmt geweint und geklagt. Doch die Traurigkeit wurde in Freude verwandelt, als sie nach der Auferstehung langsam begriffen, dass es tatsächlich Jesus ist und dass er lebt.

Die andere Zeitebene ist die gesamte Zeit bis zur Wiederkunft Jesu. Auch wir sind oft traurig und verzweifelt. Ich denke an die Christen, die verfolgt werden. Ich denke an schwierige Lebenssituationen. In Situationen, wo wir ihn „nicht sehen“, in denen man denkt, wo ist Gott denn?

In diesem Leid und in schweren Zeiten gilt dieser Vers, gilt diese Verheißung: Traurigkeit soll zur Freude werden. Eine Hoffnung, keine Vertröstung. Eine Hoffnung, die Kraft gibt zum Durchhalten. Ich denke mir manchmal, was würde ich ohne diese Hoffnung machen, wie würde mein Leben ohne diese Hoffnung aussehen?

 

II.
Die Verheißung: Die Freude wird bleiben

Um bei dem Beispiel der Geburt zu bleiben, auch die Freude über die Geburt vergeht langsam. Das ganze Leben ändert sich mit diesem Ereignis. Dann schreit das Kind, schläft schlecht usw. Und wie oft kommt es dann so, dass diese Freude oft genug nicht durchschlägt bei uns, dass die kleinen und großen Probleme des Lebens uns so leicht niedergeschlagen machen können?

Ein Ausleger schreibt: „Es kommt daher, dass wir noch „im Fleisch“ sind, wie die Bibel es formuliert. Wir leben im Glauben, noch nicht im Schauen. Dieser Glaube ist manchmal sehr schwach und angefochten. Wenn ein Mensch von nichts anderem geprägt wäre als von dem Glauben an seinen auferstandenen Herrn, könnte ihn nichts in dieser Welt anfechten. Er könnte immer loben und danken, egal, was ihm zustößt. Er wüsste ja ganz sicher, dass dieser Welt Leiden zeitlich und leicht sind. Er wüsste, dass er ganz geborgen ist bei Gott. Weil aber nun einmal unser Glaube angefochten und schwach ist, macht uns vieles in dieser Welt ängstlich und verzagt. Weil der Glaube angefochten und schwach ist, können auch Christen oftmals nicht singend und lachend durchs Leben gehen.“

In Ver 22 lesen wir: Auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen.

Jesus spricht wieder von Traurigkeit. Vorhin hieß es, dass eure Traurigkeit zur Freude werden soll. Jetzt setzt er sozusagen noch einen drauf und sagt, dass uns die Freude niemand mehr nehmen kann. Das wird geschehen, wenn wir ihn sehen werden. Wenn wir nicht mehr glauben, sondern sehen werden. Auch das ist keine Vertröstung, sondern eine gewisse Hoffnung, im Vertrauen auf Gottes Wort.

Jesus wird wiederkommen. Wann das sein wird, weiß niemand. Es dauert eine kleine Weile. Für Jesus vielleicht eine kleine Weile, für uns tausende von Jahren.

 

III.
Daraus ergibt sich eine Frage: Was bedeutet die Wiederkunft Jesu für unser heutiges, alltägliches Leben?

Mir ist die Frage gekommen: Habe ich, haben wir die Wiederkunft Jesu im Blick? Warten wir wirklich darauf? Und welche Auswirkungen hat diese Erwartung auf mein Leben, auf unser Leben?

Ich habe im Januar eine Woche Kurzbibelschule mitgemacht. Das war für mich eine sehr wertvolle Zeit. Ein Teil der Bibelschule war der erste Brief des Paulus an die Thessalonicher. Die Gemeinde dort war Bedrängungen ausgesetzt, blieb jedoch standhaft und lebendig.

Auffällig bei dem Brief ist, dass Paulus bei den fünf Kapiteln immer am Schluss auf die Wiederkunft Jesu hinweist!

1. Thessalonicher 1,10: „Und zu warten auf seinen Sohn vom Himmel, den er auferweckt hat von den Toten, Jesus, der uns errettet von dem zukünftigen Zorn.“

1. Thessalonicher 2,19: „Denn wer ist unsre Hoffnung oder Freude oder unser Ruhmeskranz – seid nicht auch ihr es vor unserm Herrn Jesus, wenn er kommt?“

1. Thessalonicher 3,13: „Dass eure Herzen stark und untadelig seien in Heiligkeit vor Gott, unserm Vater, wenn unser Herr Jesus kommt mit allen seinen Heiligen. Amen.“

1. Thessalonicher 4,17: „Danach werden wir, die wir leben und übrigbleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden auf den Wolken, dem Herrn entgegen in die Luft. Und so werden wir beim Herrn sein allezeit. 18 So tröstet euch mit diesen Worten untereinander.“

1. Thessalonicher 5,23: „Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist samt Seele und Leib unversehrt, untadelig für das Kommen unseres Herrn Jesus Christus“.

Vermutlich rechnete Paulus damit, dass Jesus noch zu seinen Lebzeiten wiederkommt. Gerade dieser bedrängten Gemeinde schreibt er immer wieder von der zu erwartenden Wiederkunft Jesu.

Der Referent bei der Bibelschule brachte den Vergleich mit einer Hochzeit. Wenn ein Paar beschließt zu heiraten, dann braucht es eine gründliche Vorbereitung. Es soll ja ein tolles und gut organisiertes Fest werden. Vielleicht erinnern sich die Eheleute unter uns an ihre Hochzeitsvorbereitungen. Diese Vorbereitungen nehmen bis zum Hochzeitstag viel Raum im Leben des Paares ein. Es muss an vieles gedacht werden und alles gut geplant sein. Man denkt immer wieder daran und es fällt einen immer noch was ein, was getan werden muss. Das Leben des Hochzeitspaares wird bestimmt von diesem Fest, auf das sie sich so sehr freuen. Sie leben in einer Erwartung und können es kaum erwarten, bis es so weit ist.

Was ich erwarte, prägt mein Leben. Das kann man auch auf andere bevorstehende Ereignisse anwenden. Zum Beispiel auf einen sportlichen Wettkampf. Der Athlet bereitet sich auf den Wettkampf vor, um dann genau zum richtigen Zeitpunkt topfit zu sein. Er nimmt vieles auf sich.

Und natürlich können wir es auf das Kommen Jesu anwenden. Wenn ich diese Hoffnung in mir habe, dann wirkt sich das auf mein Leben aus. Ich freue mich darauf. Ich weiß, dass das Leben auf dieser Welt nicht alles ist. Ich weiß, dass das, was ich tue, nicht vergeblich ist. Es kommt noch mehr und es kommt besser.

In 2. Thessalonicher 3,5 lesen wir: Der Herr aber richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf das Warten auf Christus. Wir leben auf Christus zu!

Als ich als Praktikant in den Himmelkroner Heimen anfing, lernte ich eine Bewohnerin kennen, die sehr alt war und schlecht laufen konnte. In Himmelkron geht es bergauf und bergab. Man kann fast keinen Spaziergang machen, bei dem man nicht eine Steigung überwinden muss. Diese Bewohnerin äußerte öfter, dass sie sich darauf freut, dass es im Himmel keine Berge geben werde und sie unbeschwert werde laufen können. Ist das nicht schön?


IV. Die Verheißung: Und an jenem Tage werdet ihr mich nichts fragen (v23).

Ich verstehe vieles nicht, was Gottes Wort sagt. Jemand hat einmal gesagt, es sei nicht wichtig, Gott immer zu verstehen, es sei wichtig, Gott zu vertrauen. Gottes Wort wirft Fragen auf, wenn wir es lesen, uns damit beschäftigen. Auch in unserem Leben bleiben mancherlei Fragen unbeantwortet. Aber Gottes Wort ist auch ein Schatz. Wir entdecken immer wieder Neues.

Wenn wir nichts fragen, weil wir nichts mehr fragen müssen, dann ist alles klar. Wir werden verstehen, was uns im Leben beschäftigt hat. Wir werden verstehen, was wir eben nicht verstanden haben. Wir sind dann vollkommen. Vollkommen neu. Was ist das für ein Trost, was ist das für eine Erwartung, welche Freude steht uns bevor.

Vielleicht kennt der ein oder andere das Lied von dem leider schon verstorbenen österreichischen Liedermacher Ludwig Hirsch „Komm großer schwarzer Vogel“.

Ein Lied, bei dem mir bei jedem Hören die Gänsehaut aufläuft. Er beschreibt dabei, wie er im Krankenhaus liegt und aufs Sterben wartet, er wartet auf den großen schwarzen Vogel, der ihn mitnimmt.

Im Refrain heißt es: „Und dann fliegen wir auf, mitten in den Himmel, in eine neue Zeit, in eine neue Welt. Ich werd singen, ich werd lachen, ich werd „Des gibt’s net“ schrein. Weil ich auf einmal kapier, worum sich alles dreht.“

Soviel ich weiß, war Ludwig Hirsch kein gläubiger Mensch. Trotzdem schreibt er so einen Text, schreibt er von einer Hoffnung, dass er eines Tages glücklich sein werde und keine Fragen mehr haben werde.

 

V.
Die Verheißung: Die Liebe wird bleiben

Schauen wir noch einmal in die Bibel. Paulus schreibt im 1. Brief an die Korinther im 13. Kapitel:

8 Die Liebe höret nimmer auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird. 9 Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. 10 Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören. Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.

In einem Vortrag auf ERF hat der Redner davon gesprochen, dass der Glaube und die Hoffnung aufhören werden. Denn wenn Jesus wiederkommt, kommen wir vom Glauben zum Schauen. Das, was wir glauben, werden wir sehen, das, was wir hoffen, wird sich erfüllen. Die Liebe aber bleibt, eine Liebe, die nie vergeht.

Das ist etwas, das kann ich mir jetzt überhaupt nicht vorstellen. Wahrscheinlich werde ich auch „Des gibt’s net“ schreien. Oder so voll Freude sein, dass ich sprachlos und nur noch dankbar bin.

Es wird keine Tränen mehr geben, keine Schmerzen, keine Krankheiten mehr, keine Probleme. Was für ein Ziel!

 

C.
Wie komme ich zu diesem Ziel? Was muss ich tun?

Jesus sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater, denn durch mich!“

Ja, Jesus ist unsere einzige Hoffnung. Hier in diesem Leben und über den Tod hinaus. Er hat am Kreuz alles gemacht. Ich kann nichts dazu beitragen. In den Religionen gibt es viele Vorschriften, die die Menschen einhalten müssen. Vielleicht aus Tradition, oder um ihr Gewissen zu beruhigen, oder eben etwas zu ihrer Rettung beitragen zu können. Gott lässt sich nicht von Äußerlichkeiten beeindrucken.

Jesus geht es nicht um rituelle Gebete, um Geldspenden, oder Gottesdienste.

Jesus spricht davon, dass wir Gott lieben sollen, von ganzem Herzen. Dann erwidern wir die Liebe, die Gott uns gezeigt hat. Indem er seinen Sohn Jesus auf die Welt geschickt hat und ihn den Weg ans Kreuz gehen ließ.

Ich erinnere an Joh 3,16: Denn Gott hat die Menschen so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hergab. Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht zugrunde gehen, sondern das ewige Leben haben.

Erwidern wir die Liebe Gottes zu uns. Schauen wir auf ihn und auf das Ziel. Amen!