Mk 13,28-37 – Nimm dir Hoffnung! Gib dir Sorge! – Von Thomas Pichel

A.
Einleitung

Die Bibel spricht von drei Adventen.

Sie berichtet uns vom ersten Advent, vom Kommen Gottes in Jesus. Das ist Weihnachten.

Sie spricht vom täglichen Kommen Gottes zu uns – im Heiligen Geist.

Und sie spricht vom großen Advent, den gleicherweise Juden und Christen erwarten: die sichtbare Rückkehr des Messias als Weltenherrscher.

Deshalb dürfen wir nach vorne schauen! Da kommt etwas auf uns zu. Da kommt Jesus auf uns zu. Wir dürfen erwartungsvolle, sehnsüchtig, in Vorfreude leben.

 

B.

I.
Die Wetterfrösche Israels

28 An dem Feigenbaum aber lernt ein Gleichnis: Wenn jetzt seine Zweige saftig werden und Blätter bekommen, so wisst ihr, dass der Sommer nahe ist. 29 Ebenso auch: wenn ihr seht, dass all das geschieht, so wisst, dass er nahe vor der Tür ist. 30 Amen, ich sage euch: Diese Generation (möglich auch: dieses Volk, dieses Geschlecht, dieser Typ Mensch) wird nicht vergehen, bis dies alles geschieht.

1.
Was ist die geschichtliche Situation, in der Jesus das sagt?

Wir befinden uns sehr wahrscheinlich im Jahr 30 nach Christus. Jesus steht mit seinen Jüngern vor dem riesengroßen Tempel in Jerusalem, den Herodes hat bauen lassen. Jesus weiß, dass man ihn umbringen wird. Er hält in Kapitel 13 eine Rede, die wie ein Testament wirkt. Es ist empfehlenswert, sie zu lesen. Man findet sie 3x im Neuen Testament (in Mt 24, Mk 13 und Lk 21). Jesus redet als Prophet (Vorhersage, Hervorsage). Jesus klärt darin seine Jünger über die Zukunft auf. Er informiert sie über das, was passieren wird.

a.
Vorhersage 1: Zerstörung von Jerusalem und Tempel. Jesus hat Recht behalten.

Jesus sagt in Mk 13 den Jüngern die nahe Zukunft voraus: Jerusalem und der Tempel werden zerstört werden. Im Jahr 70 nach Christus, also genau 40 Jahre später, traf diese Vorhersage ein. Die Generation Israels, unter der Jesus gelebt hat, hat das tatsächlich noch erleben müssen.

b.
Vorhersage 2: Wehen-Ereignisse. Jesus hat Recht behalten.

Jesus sagt in Mk 13 voraus, seinen Jüngern und uns, was in der Zeit bis zu seinem Wiederkommen passieren wird, dass es nämlich bis zu seinem Wiederkommen zu schmerzhaften Ereignissen kommen wird. Er nennt diese typischen, sich wiederholenden Ereignisse Wehen (Mk 13,8). Jesus spricht von Natur-Katastrophen, Pandemien, Hunger, Kriegen, Beziehungskatastrophen, Verfolgung von Gläubigen, Verrat unter Freunden, Angehörigen und Glaubensgeschwistern.

Die großen Rahmen-Ereignisse machen uns zu schaffen: Das Artensterben. Der Hunger. Der Klimawandel. Corona. Die gesellschaftlichen Risse und Konflikte. Der Krieg in der Ukraine. Die Energiefrage. Die explodierenden Preise.

Dazu kommen persönliche Nöte, die uns oder anderen zu schaffen machen: Schicksalsschläge. Unfälle. Krankheiten. Konfliktgeschichten.

c.
Vorhersage 3: Sein Wiederkommen. Jesus wird Recht behalten.

Und Jesus sagt voraus, dass er wiederkommen wird. Es heißt in Mk 13,27, also direkt vor unserem Abschnitt: Schließlich werden alle Menschen sein Wiederkommen erleben. Kein Mensch wird wissen, wann das sein wird. Wenn es aber stattfindet, kann man den Tag und die Tageszeit ein für alle Mal in den Kalender eintragen.

Gott wird die Uhr umstellen. Von Jetzt-Zeit auf die Zeit seines Wiederkommens, auf die Zeit des Reiches Gottes. Das Reich Gottes ist das endgültige Kommen der rettenden Zuwendung Gottes in diese Welt.

2.
Was aber sollten die Jünger von den Feigenbäumen lernen? Was sollen wir von ihnen lernen?

Um das zu verstehen, müssen wir uns ein paar Besonderheiten Israels vor Augen führen.

Besonderheit 1: In Israel gibt es in den Wintermonaten November bis März eine Regenzeit. Der Sommer ist im Grunde regenfrei.

Besonderheit 2: Die Feigenbäume verlieren im Gegensatz zu anderen Bäumen in der Winterzeit komplett ihre Blätter. Deshalb fallen neue Blätter besonders auf.

Besonderheit 3: Es gibt in Israel zwischen den Winter- und Sommermonaten eine äußerst kurze Übergangszeit. Im Grunde gibt es keinen Frühling. Wenn aber bei den Feigenbäumen die ersten Blätter treiben, weiß jede und jeder in Israel mit Gewissheit, dass der Sommer vor der Tür steht, obwohl man von ihm noch gar nichts sieht und spürt. An den Feigenbäumen kann man also ablesen, dass Gott in der Natur die Zeit umstellt.

Jesus redet mit seiner Feigenbaum-Illustration als Prophet und Seelsorger. Seine Prophetie sagt uns etwas, was wir nicht wissen können, worauf wir aufmerksam gemacht werden müssen. Seine Seelsorge ist Ermutigung pur, Trost pur, Hoffnung pur!

Die Lektion des Feigenbaums lautet: Auch wenn es nicht danach aussieht, der Sommer Gottes kommt. Der ewige Sommer Gottes, auf den kein Winter mehr folgen wird, ist im Kommen. Und gerade die Wehen, gerade die schmerzlichen Ereignisse, unter denen wir leiden und seufzen, sind Vorboten und Hinweiszeichen dafür. Gott wird die Zeit umstellen: von Jetztzeit auf die Zeit des vollendeten Reiches Gottes.

3.
Wir werten das jetzt aus. Vergiss nie die Feigenbäume Israels!

a.
Lest das Drehbuch Gottes mit dieser Welt! Man kann in dieser Krisen-, Kriegs- und Teuerungszeit den Eindruck gewinnen: Es läuft alles auf ein furchtbares Ende zu! Es läuft auf den totalen Zusammenbruch allen Lebens auf dieser Erde hinaus.

Jesus sagt uns aber: Vergesst die Feigenbäume Israels nicht! Vergesst nie das Drehbuch Gottes! Auch wenn es so aussieht, es geht nicht nur auf ein schreckliches Ende zu, sondern auf das herrliche Ziel, das Gott mit der Welt- und Menschheitsgeschichte verfolgt. Gott steuert seine erschütterte Welt, seine seufzende Schöpfung, seine schuldige und leidende Menschheit auf ihr Ziel zu: Das Reich Gottes in Frieden, Gerechtigkeit, Schönheit und Freude.

b.
Überseht Gott nicht! Er ist der Schöpfer und Herr! Er lässt seine Schöpfung nicht im Stich! Er gibt seine Welt nicht auf! Er lässt sich sein Eigentum nicht kaputtmachen! Vergesst nie, was Gott kann! Gott wird dem totalen Zusammenbruch der jetzigen Welt zuvorkommen! Gott ist der Zuvorkommer, der Transformer und der Neumacher! Es gibt im letzten Buch der Bibel einen wunderbaren Satz, der diese Botschaft zusammenfasst. Es ist übrigens der erste Satz (von Dreien!) in der Offenbarung, den Gott Vater selbst spricht. Er lautet: „Siehe, ich mache alles neu!“ (Offb 21,5).

Gott wird auch gegen Ende dieser Welt ein Gott des Anfangs sein, ein Gott des Neuanfangens und Neumachens! Gott wird uns eine leidfreie, bösefreie, todfreie Welt schenken! Das dürfen wir glauben! Das ist die Botschaft der Bibel! Das ist die Zukunft! Wir dürfen mit dieser Gewissheit leben: Die neue Erde und der neue Himmel sind im Kommen!

c.
Aber, aber… Seid nüchtern! Machen wir uns keine Illusionen! Wir leben in einer bedrohten Welt ein bedrohtes Leben. Der Weg zu diesem Ziel ist mühe- und leidvoll. Er geht – im Bild gesprochen – durch einen harten Winter, der uns viel abverlangt, der uns viel kosten kann, der lebensgefährlich sein kann.

Deshalb fragen wir im zweiten Teil der Predigt, was wir für diesen Weg in Sturm und Wetter brauchen, was wir für diesen Weg durch Krisen- und Kriegszeiten brauchen. Worauf kommt es an? Was darf im Reisegepäck nicht fehlen? Was ist (über-)lebenswichtig?


II.
Nimm dir Hoffnung! Nimm dir Gewissheit!

31 Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. 32 Von dem Tage aber und der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater.

1.
Alles, was Leben auf diesem Planeten ermöglicht, hat ein Ende. Jesus sagt kurz vor unserem Abschnitt: Die Sonne, die Quelle des Lichts, wird ihr Kraft verlieren und stockfinster werden. Deshalb wird auch der Mond sein Licht verlieren (Mk 13,24).

Aber die Worte Jesu bleiben! Die Worte Gottes bleiben. Sie haben kein Ende. Sie gelten. Sie sind in Kraft. Es heißt am Ende der Bibel, in Offb 21,23: Und die Stadt, Symbolwort für das Leben auf der von Gott neu geschaffenen Erde unter dem neuen Himmel, bedarf keiner Sonne noch des Mondes, dass sie ihr scheinen, denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das Lamm.

2.
Alles Schöne und Gute, alles, was unser Leben reich und wertvoll macht, gibt es irgendwann ein letztes Mal.

Ich habe in der Vorbereitung auf diese Predigt mit Hilfe des Liedes „Irgendwann“ von Gerhard Schöne mir diese unangenehmen Wahrheiten vor Augen geführt. Das Lied hat den Refrain: Alles, alles gibt’s ein letztes Mal! Bei mir heißt das: Irgendwann trinke ich meinen letzten Espresso, genieße ich das letzte Mal den Käsekuchen meiner Frau, höre ich das letzte Mal Peter Gabriel, umarme ich das letzte Mal meine Liebsten… Alles, alles gibt’s ein letztes Mal. Uns gibt es hier auf Erden eines Tages ein letztes Mal!

Aber die Worte Jesu haben kein letztes Mal. Sie bleiben in Geltung und Kraft. Sie werden von Gott erfüllt werden. Zum Beispiel das Wort Jesu in Joh 11,25: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.“ Das heißt: Einmal gibt es ein erstes Mal. Wir werden zum ersten Mal Jesus sehen, den Vater und viele anderen…

3.
Alles Not- und Schmerzvolle, alles Dunkle und Absurde, alles Üble und Böse hat keine Zukunft. Es bleibt nicht! Es hat ein Verfallsdatum. Gottseidank!

Armut und Hunger bleiben nicht! Flüchtlingslager und Krankenhäuser bleiben nicht!

Die Lücke zwischen Arm und Reich, diese Unterschiede zwischen denen auf der Sonnenseite und denen im Dunklen.

Die psychischen Krankheiten und Nöte.

Die Beziehungslosigkeit zwischen den Menschen.

Der Unfriede in den Herzen, in den privaten Beziehungskisten, in der Gesellschaft, zwischen den Völkern bleibt nicht!

Alle Wölfe, die auf Kosten anderer leben, denen so viele Menschen zum Opfer fallen, bleiben nicht. Alle Brandstifter, Rattenfänger bleiben nicht.

Alle Handlanger, alle dunklen Gestalten des Bösen haben ein Verfallsdatum: All die Verbrechen und Ungerechtigkeiten! Hass, Gewalt, Terror und Krieg. Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus. Alles Lügen und Betrügen! Jede Form von Machtmissbrauch! Alles hat ein Verfallsdatum! Gottseidank!

Aber die Worte Gottes bleiben. Sie haben kein Verfallsdatum. Keiner schafft sie ab! Keiner hebt sie auf! Keiner bringt sie aus der Welt. Sie sagen uns, was kommen wird. Zum Beispiel das Wort aus Offb 21,1-5: „Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde… Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“

4.
Wir halten als Ergebnis fest. Was ernährt unsere Hoffnung? Was ernährt unseren Trost? Was ernährt unsere Vorfreude?

Es sind die Vorhersagen Jesu, die Vorhersagen der Bibel! Es sind die Versprechen Jesu, die Versprechen Gottes. Halten wir uns an ihnen fest! Sie sagen uns, was Gott tun wird, was geschehen wird, was kommen wird. Glauben wir Gott das, was er uns verspricht. Bedanken wir uns bei ihm für seine Zusagen! Feiern wir seine Zusagen. Wir leben von ihnen.


III.
Gib dir Sorge! Take care! Gib Acht! 

33 Gebt acht (auch in Mk 13,5 u 9)! Bleibt wachend! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist. 34 Es ist wie bei einem Menschen, der verreist. Bevor er sein Haus verlässt, überträgt er seinen Dienern die Verantwortung, teilt jedem seine Arbeit zu und beauftragt den Türhüter zu wachen. 35 So wacht nun; denn ihr wisst nicht, wann der Hausherr, ob am Abend oder zu Mitternacht oder um den ersten Hahnenschrei oder am Morgen, 36 damit er euch nicht schlafend finde, wenn er plötzlich kommt. 37 Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Wachet!

1.
Gib dir Sorge! Gib dir Sorge um Dich selbst! Gib Acht auf Dich selbst!

a.
Wie gehen wir mit der Informationsflut um?

b.
Was machen die Krisennachrichten mit uns? Wie haben uns die letzten knapp 3 Jahre verändert? – Ich las einmal, dass Krisen uns zu einer verstärkten Ausgabe von uns selbst machen würden: Ängstliche würden ängstlicher werden. Aggressive aggressiver. Depressiv Veranlagte noch mehr…

c.
Jesus sagt in seiner Rede: Seid auf der Hut. Viele werden Euch verführen wollen (13,5). Und Jesus deutet an, dass wir vor uns selbst geschützt werden müssen (13,9), weil Katastrophen- und Krisenereignisse in uns Unsicherheiten, Sorgen und Ängste auslösen und diese Gefühlswelten uns zu bestimmten Haltungen und Handlungen verleiten können.

Dazu gebe es viel zu sagen! Nehmen wir als Beispiel den Zusammenhang zwischen Angst und Hass. „Hass ist eine Folge der Furcht; wir fürchten etwas, ehe wir es hassen. Aus einem Kind, das sich fürchtet, wird ein Erwachsener mit Hass im Herzen“ (Cyril Connolly, The Unquiet Grave). Jesus sagt uns deshalb: Gib Acht auf diesen Zusammenhang! Weißt du, was du ablehnst und bekämpfst, wen du ablehnst und bekämpfst, weil tiefe Ängste in dir schmerzhaft berührt werden? Lass mich Deine Ängste behandeln!

2.
Gib dir Sorge um andere! Gib Acht auf andere! Übernimm Verantwortung für andere!

Auch da gebe es viel zu sagen. Ich möchte ein einziges Beispiel geben. Ich war vor einiger Zeit bei jemanden im Krankenhaus. Bei diesem krebskranken Menschen ist es so, dass immer ein Achtgeben auf andere durchschillert. Er sagte u.a. folgendes zu mir: Ich habe ja jetzt Zeit. Ich will etwas für die machen, die nicht gesehen werden, die sich nicht geliebt fühlen… Da ist ein Mensch, der Grund hätte, nur für sich zu sorgen. Aber in seinem Kopf und Herzen sind Menschen, für die er ein Stück weit sorgen will.

3.
Gib dir Sorge um Deine Beziehung zu Jesus! Gib Acht auf Deine Jesus-Beziehung!

Es heißt in unserem kleinen Abschnitt 4x „Wachet“. Was ist damit gemeint? Schlaf ist übertragen gemeint. Schlaf im übertragenen Sinne ist im Neuen Testament negativ gefüllt. Schlaf ist das Gegenteil von Beziehung, von gelebter Beziehung, von praktizierter Beziehung. Denn im Schlaf bin ich ja ganz für mich. Wenn wir schlafen, bekommen wir die anderen nicht mit, kommt es zu keinem Gespräch, zu keiner Gemeinschaft…

Wachet heißt, lasst nie den Kontakt zu Jesus einschlafen! Bleibt immer im Gebet! Bleibt im Gespräch!

 

C.
Schluss

Ich will jetzt zum Schluss der Predigt uns allen Worte Jesu zusprechen. Es sind Worte, die in Geltung und Kraft sind. Es sind Worte, die uns den bei uns bleibenden Gott bezeugen und zusagen, die uns die Gemeinschaft mit Gott schenken, die dir den Heiligen Geist vermitteln, die aber gleichzeitig vom Heiligen Geist benutzt werden, um Dir zu geben, was Du brauchst an Kraft, an Ermutigung, an Zuversicht, an Hoffnung, an Trost, an Gewissheit.

„Fürchte dich nicht, vertraue“ (Mk 5,36). Gott wird nie dein Feind sein!

Niemand wird dich aus meiner Hand reißen“ (Joh 10,28)

In der Welt hast du Angst. Sei getrost. Ich habe deine Welt überwunden“ (Joh 16,33)

Ich lebe und du wirst auch leben!“ (Joh 14,19)

Es sind Worte Jesu! Worte des auferstandenen Jesus! Worte des lebendigen Gottes!

Vergessen wir nie Jesus Christus!
Seine Wahrheit hat kein Verfallsdatum.
Seine Liebe hat kein Verfallsdatum.
Seine Treue hat kein Verfallsdatum!
Seine Macht hat kein Verfallsdatum.