A.
Einleitung: Jesus erfindet, schenkt und stiftet uns das Abendmahl
1.
Wir könnten und müssten über vieles reden.
Z.B., leider, über die Abendmahls-Streitigkeiten in der Kirchengeschichte (Ambrosius – Augustinus; Zwingli – Luther; sakramentales – symbolisches Verständnis).
Z.B., das wäre sehr lohnend, über die biblischen bzw. jüdischen Wurzeln des Abendmahls.
Z.B. über die Passahfeier im AT. Z.B. über die Zeichenhandlungen der Propheten. Z.B. über die Tischgemeinschaft Jesu mit den Sündern im NT.
2.
Aber eine Predigt ist keine kirchengeschichtliche oder dogmatische Vorlesung. Ich will nur eine Frage stellen und unterstreichen.
Die Frage lautet: Worum geht es Jesus eigentlich beim Abendmahl? Was will Jesus mit dem Abendmahl erreichen?
Jesus schenkt uns das Abendmahl. Das Abendmahl ist ein Geschenk. Jesus geht es immer um unsere Gemeinschaft mit ihm. Jesus will uns die Gemeinschaft mit sich schenken. Jesus will uns Anteil an sich schenken. Jesus will zu uns kommen. Darum geht es im Abendmahl.
Jesus will uns Gewissheit schenken. Gewissheit über unser Heil, Gewissheit über die Vergebung unserer Schuld. Darum geht es im Abendmahl.
Jesus will uns Gemeinschaft unter uns schenken. Dass wir als von ihm Beschenkt untereinander Gemeinschaft haben und leben können. Darum geht es im Abendmahl.
B.
Diesen drei zusammenhängenden Wahrheiten nähern wir uns jetzt in drei Anläufen.
I.
Anlauf 1 über das erste Abendmahl die Kombi aus Gesten, Worten, Gaben und dem Arrangement beim Abendmahl (Diesen Punkt übernehme ich von Siegfried Zimmer)
1.
Da sind die Gesten Jesu. Es sind Gesten des Teilens, Austeilens und Anteilgebens. Jesus nimmt nichts. Er nimmt z.B. keine Versprechen ab.
2.
Da sind die Gaben, die Jesus schenkt: Brot und Wein.
Das Brot (ein tellergroßes, fingerdickes, rundes Fladenbrot) ist in Israel zurzeit Jesu das Grundnahrungsmittel, die Grundlage des Alltags. Über 50% der Kalorien waren Brot. Alles andere waren Beilagen: Obst, Gemüse, Oliven, Zwiebeln. Fleisch gab es sehr selten. Für manche nie. Brot ist also Inbegriff der Nahrung. Nichts war wichtiger. Nichts war gefährdeter. Zugleich war die Zubereitung aufwändig.
Der Wein. Man trank sehr oft verdünnten Wein. Nur an Festtagen war er unverdünnt. Wein steht also für den Übergang zum Fest bzw. für das Feiern eines Festes. Wein steht für die Unterbrechung des Alltags. Wein steht für Freude. Der Mensch braucht die Unterbrechung des Alltags. Der Mensch braucht die Freude, besser: Anlässe zur Freude.
3.
Da sind die Worte Jesu. Es sind Versprechen, Zusagen, Verheißungen. Worte der Treue. Worte der Hoffnung. Keine Gebote. Keine Appelle. Keine Ratschläge. Keine Zurechtweisung. Nichts Angstmachendes. Das feiern wir. Davon leben wir.
4.
Da ist die Situation im Raum. Die Gemeinschaft. Das Arrangement. Alle Anwesenden bekommen das Gleiche. Alle bekommen gleich viel. Keiner mehr. Keiner weniger. Niemand wird ausgeschlossen. Alle werden auf die gleiche Weise integriert. Alle sind gleichrangig.
II.
Anlauf 2 über 1 Kor 11,27 u 11,29
Wer nun unwürdig von dem Brot isst oder aus dem Kelch trinkt, der wird schuldig sein am Leib und Blut des Herrn.
Dieses Bibelwort hat eine fatale Wirkungsgeschichte. Es hat über die ganze Kirchengeschichte hinweg den Menschen eine Angst vor dem Abendmahl eingeflößt und die Freude am Abendmahl kaputt gemacht.
Was meint Paulus mit diesem Satz?
1.
Annäherung 1: Das Wort „unwürdig“ ist kein Adjektiv, kein Eigenschaftswort. Es geht nicht um irgendwelche Eigenschaften, die uns qualifizieren oder disqualifizieren würden. Unwürdig heißt nicht, dass jemand auszuschließen wäre, weil er eine besonders schwere Schuldgeschichte habe.
Das Wort im Griechischen ist ein Adverb, es geht also um ein Wie, um eine bestimmte Art und Weise, das Abendmahl zu feiern.
2.
Annäherung 2: Um die Frage zu beantworten, was Paulus mit unwürdiger Art und Weise der Abendmahls-Teilnahme meint, müssen wir die Gemeindesituation in Korinth hineinschauen.
Dazu brauchen wir 1 Kor 11,17-22 und 11,28-29 und etwas Hintergrundwissen aus den beiden Korintherbriefen. Wenn wir alles zusammensehen, ergibt sich folgendes Bild:
Was war damals los in der Gemeinde in Korinth? Es gab Gruppen und Cliquen. Es gab Risse, Gräben und Spaltungen (11,19). Das war das Grundproblem. Dieses Grundproblem führte zu Problemen beim Abendmahl (11,20-22).
Wie müssen wir uns die Zusammenkünfte vorstellen? In der Gemeinde in Korinth gab es regelmäßige Abend-Gottesdienste. In diesen Gottesdiensten wurde das Abendmahl regelmäßig gefeiert.
Dabei wurden die sozialen Unterschiede offensichtlich. Die Reichen, die nicht arbeiten mussten, waren früher da als die Hafenarbeiter und Sklaven. Die Wohlhabenden brachten gutes Essen und sehr viel zu essen mit. Die Hafenarbeiter und Sklaven kamen knapp oder spät und hatten wenig, oft auch nichts zu essen und zu trinken dabei.
Wichtig ist noch, dass wir uns vor Augen führen: Der Ablauf der Abendmahlsfeier entsprach dem Ablauf einer jüdischen Pessachfeier. Zuerst wurde der Leib Christi empfangen. Dann wurde zu Abend gegessen. Dann wurde das Blut Christi empfangen.
3.
Wie argumentiert Paulus? Ihr kommt zum Abendmahl zusammen. Aber was ihr macht, ist kein Abendmahl. Denn ein jeder nimmt beim Essen sein eigenes Abendessen vorweg. Einige von Euch essen zu viel. Einige trinken zu viel und werden sogar betrunken. Die anderen, von der anderen Gemeindegruppe, bleiben hungrig.
Paulus fragt die Reichen: Könnt ihr nicht daheim essen und trinken? Warum verachtet ihr die Gemeinde und die anderen Glaubensgeschwister? Warum beschämt ihr die Sklaven und Hafenarbeiter? Warum beschämt ihr die, die viel weniger haben als ihr? Warum behandelt ihr Eure Glaubensgeschwister schlecht, die in der Gesellschaft sowieso schlecht behandelt werden? Was soll ich euch dazu eigentlich sagen? Soll ich euch dafür loben? Dafür lobe ich euch auf keinen Fall.
Paulus kritisiert die reichen Gemeindeglieder. Entweder, das wissen wir nicht genau, lautet seine Kritik: Ihr fangt schon an mit der Abendmahlsfeier, bevor die Hafenarbeiter und Sklaven da sind. Ihr wartet nicht auf sie. Oder seine Kritik lautet: Ihr esst Eure reichhaltigen und teuren Speisen unter Euch, getrennt von den anderen. Auf alle Fälle: Ihr denkt nicht an die arbeitenden Geschwister! Ihr feiert Abendmahl ohne Sie! Ihr werdet schuldig an Euren Geschwistern. Und ihr werdet schuldig an Jesus!
4.
Wenn wir das uns vor Augen führen, wissen wir, was Paulus meint, wenn er sagt: „Ihr esst unwürdig von dem Brot und ihr trinkt unwürdig aus dem Kelch“?
a.
Antwort 1: Unwürdiges Essen und Trinken beim Abendmahl ist die fehlende Wertschätzung gegenüber dem Brot und dem Wein. Paulus sagt den Korinthern: Für euch ist das lediglich ein Teil Eures üppigen Abendessens. Ihr achtet das Geheimnis von Brot und Wein gar nicht.
b.
Antwort 2: Unwürdiges Essen und Trinken beim Abendmahl ist die fehlende Wertschätzung gegenüber Jesus. Paulus sagt den Korinthern: Ihr nehmt nicht ernst, wie Jesus das Abendmahl sieht. Ihr nehmt seine Absichten mit dem Abendmahl gar nicht ernst (froh).
c.
Antwort 3: Unwürdiges Essen und Trinken beim Abendmahl ist die fehlende Wertschätzung gegenüber den Geschwistern. Unwürdiges Essen und Trinken meint ein unsoziales Verhalten, ein egoistisches und rücksichtsloses Verhalten gegenüber den anderen Gemeindegliedern. Paulus sagt den Korinthern: Ihr zeigt ihnen, dass ihr sie nicht braucht, nicht wollt, nicht liebt. Ihr verweigert den anderen die Gemeinschaft. Ihr verweigert euch den anderen. Ihr verweigert den anderen das, was Gott euch gibt.
5.
Diese drei Antworten kommen in 1 Kor 11,29 zusammen. Paulus sagt: Denn wer so isst und trinkt, dass er den Leib des Herrn nicht achtet, der isst und trinkt sich selbst zum Gericht.
a.
Ihr achtet den Leib des Herrn nicht. Damit ist die Lebenshingabe Jesu gemeint. Ihr achtet nicht Brot und Wein als Geschenke Jesu, als Mittel, um sich uns zu schenken, um uns Gewissheit über die Vergebung zu schenken. Ihr achtet die Hingabe, das Opfer Jesu nicht. Ihr achtet die Liebe Jesu nicht. Ist das euch eine Selbstverständlichkeit? Braucht ihr das nicht?
b.
Ihr achtet den Leib des Herrn nicht. Damit ist auch die Gemeinde gemeint. Die Gemeinde ist nicht nur eine menschliche Versammlung, sondern Leib Christi. Wer so, wie die reichen Christen in Korinth, das Abendmahl feiert, der wird schuldig am Leib Christi, indem er schuldig an anderen Christen wird. Beim Abendmahl gehen gewisse Dinge nicht: Die Einbildung, man sei etwas Besseres. Die fehlende Rücksicht auf andere. Das fehlende Teilen mit anderen. Die Ausgrenzung anderer.
III.
Anlauf 3 über 1 Mose 14,18-20
Aber Melchisedek, der König von Salem (= Jerusalem), trug Brot und Wein heraus. Und er war ein Priester Gottes des Höchsten und segnete Abram (= Abraham) und sprach: Gesegnet seist du, Abram, vom höchsten Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat; und gelobt sei Gott der Höchste, der deine Feinde in deine Hand gegeben hat.
Der Hebräerbrief nimmt auf die kurze Begebenheit Bezug und erklärt uns mit dieser geheimnisvollen Figur des Melchisedek Jesus Christus.
Auffällig! Der König von Jerusalem selbst kommt aus der Stadt heraus und bedient Abraham. Was für ein Entgegenkommen! Was für eine Zeichenhandlung! Du bist hier herzlich willkommen! Du darfst in die Stadt hinein! Du bist gern gesehener Gast! Hier passiert dir nichts!
Auffällig! Der König von Jerusalem bringt Brot und Wein. Die heilige Pflicht im Orient zur Gastfreundschaft hätte Brot und Wasser vorgesehen. Aber es sind Brot und Wein. Wein ist damals sehr kostbar und wertvoll. Was für eine Behandlung! Was für eine Würdigung und Wertschätzung!
Auffällig! Der König von Jerusalem weiß über Abraham Bescheid und sagt ihm, dass er ein Gesegneter ist, dass Gott selbst ihm Gutes sagt und tut.
Verstehen wir, was Brot und Wein bedeuten?
C.
Eine Überlegung, die vor jedem Abendmahl nützlich ist
Schauen wir uns die ersten Empfänger beim ersten Abendmahl an!
Es waren die 12 Jünger. Sicher noch weitere Anhänger Jesu.
Da ist Judas. In der koptischen Kirche gibt es die Legende, dass Judas vor dem Mahl die Tischgemeinschaft verlässt. Man konnte und kann sich nicht vorstellen, dass Judas das Abendmahl empfangen durfte. Die Bibel sagt aber klar und deutlich: Judas empfängt das Abendmahl. Leider fand er aus seiner Schuld nicht mehr zurück zu Jesus!
Da ist Petrus. Er verleugnete Jesus. Die Bibel sagt aber klar und deutlich: Petrus empfängt das Abendmahl.
Da sind die anderen Jünger. Drei ließen in Gethsemane Jesus allein. Alle bis auf den Jüngsten (Johannes) ließen Jesus auf dem Kreuzweg allein. Die Bibel sagt aber klar und deutlich: Sie empfangen das Abendmahl.
Wir können das auswerten! Was waren die Jünger (nicht)? Was ist die Kirche (nicht)?
Keine treue Elite! Nicht eine Ansammlung der Untadeligen! Nicht die glorreichen Zwölf!
Keine moralischen Helden! Keine perfekten Gläubigen! Sie empfangen das Abendmahl.
Menschen, die an ihren Herrn schuldig werden und so vieles schuldig bleiben.
Menschen, die untereinander schuldig werden und so vieles schuldig bleiben.
Das Abendmahl ist das Fest der Vergebung, Fest der Freude an Gott, Fest des Friedens untereinander. Fest der bedingungslosen Annahme der Menschen. Auch das Fest der versagenden Menschen.
Gottseidank! Halleluja! Amen!