A.
Teil 1: Bibel-Entdeckungen
I.
Die erste Entdeckung: Die Mitte der 5 Bücher Mose
Die jüdische Bibel, unser Altes Testament, wird auf Hebräisch Tanach genannt. Der TaNaCh besteht aus drei Teilen: Tora (5 Bücher Mose). Die 5 Bücher Mose gelten im Judentum als wichtigster Teil, als Fundament. Dann gibt es als zweiten Teil die Nevi’im (Propheten). Und als dritten Teil die Ketuvim (Schriften).
Das 3. Buch Mose ist die Mitte der 5 Bücher Mose. Logisch. Im 3 Buch Mose ist das Kapitel 16 die Mitte. Und in Kapitel 16 ist der Vers 17 die Mitte.
Worum geht es in 3 Mo 16,17? Was steht da? Es heißt wörtlich: „So soll er Sühne schaffen für sich und sein Haus und ganz Israel“. Der Hohepriester geht in das Heiligtum, um Sühne zu schaffen.
Was hören wir? Was dürfen wir glauben? Gott schenkt schuldigen Menschen, seinen schuldigen Menschen Sühne, d.h. Vergebung und Erlösung. Er zeigt damit seinen Willen. Er will uns Versöhnung schenken. Und er will, dass wir uns untereinander versöhnen. Das ist die Mitte der Tora, die Mitte des wichtigsten Teiles des Ersten Testaments!
II.
Die zweite Entdeckung: Die Mitte des Buches Joel
Das Joel-Buch hat zwei Teile. Im ersten Teil (bis 2,17) geht es das Thema Gericht über Israel. Im zweiten Teil geht es um das Thema Erlösung und Segen über Israel. Aber auch um das Thema Gericht über die anderen Völker. Zwischen beiden Teilen gibt es rote Fäden, Beziehungsfäden. Es ist ein Wandel vom Schlechten zum Guten für Israel, vom Mangel zum Überfluss, von Trauer zur Freude, vom Krieg zum Frieden.
Es gibt im Buch Joel 957 hebräische Wörter. Der Autor verwendet für beide Teile je 478 Wörter. 478 + 478 = 956 Wörter. Es fehlt also ein Wort.
Dieses eine Wort bildet den mathematischen und inhaltlichen Mittelpunkt und Wendepunkt des Buches Joel.
Dieses Wort besteht aus 5 Konsonanten (eine Vorsilbe mit 2 Buchstaben plus die drei hebräischen Buchstaben ch, m und l). Das Wort wird „chamal“ ausgesprochen. Es bedeutet: Mitleid haben.
Was hören wir? Was dürfen wir glauben?
Genau in der Mitte des Buches Joel steht einer, der Mitleid hat. Es gibt einen, der Mitleid hat. Es gibt den Herrn, der Mitleid hat mit uns. Und dieses Mitleid ist die Basis jeder Veränderung zum Guten, jeder Möglichkeit eines Neuanfangs, die Voraussetzung menschlicher Umkehr und menschlichen Umdenkens.
III.
Die dritte Entdeckung: Die Mitte der Bergpredigt
Was ist die Mitte der Bergpredigt? Das Vaterunser. Was ist die Mitte des Vaterunsers? Die Bitte um die Vergebung unserer Schuld.
Was hören wir? Was dürfen wir glauben? Die Vergebung ist unser tägliches Brot. Wir dürfen täglich bitten: Vergib uns unsere Schuld!
B.
Teil 2: Jesus entdecken (nach Martin Benz)
I.
Ich lese uns jetzt (in Auszügen) 3 Geschichten aus dem Lukas-Evangelium.
Alle drei Geschichten haben als entscheidendes Wort den Ausdruck „es jammerte ihn“.
1.
Der Jüngling zu Nain (Luk 7,11-17)
11 Und es begab sich danach, dass er in eine Stadt mit Namen Nain ging; und seine Jünger gingen mit ihm und eine große Menge. 12 Als er aber nahe an das Stadttor kam, siehe, da trug man einen Toten heraus, der der einzige Sohn seiner Mutter war, und sie war eine Witwe; und eine große Menge aus der Stadt ging mit ihr. 13 Und als sie der Herr sah, jammerte sie ihn und er sprach zu ihr: Weine nicht! 14 Und trat hinzu und berührte den Sarg, und die Träger blieben stehen. Und er sprach: Jüngling, ich sage dir, steh auf! 15 Und der Tote richtete sich auf und fing an zu reden, und Jesus gab ihn seiner Mutter. 16 Und Furcht ergriff sie alle, und sie priesen Gott und sprachen: Es ist ein großer Prophet unter uns aufgestanden, und: Gott hat sein Volk besucht. 17 Und diese Kunde von ihm erscholl in ganz Judäa und im ganzen umliegenden Land.
2.
Der barmherzige Samariter (Luk 10,25-36)
25 Und siehe, da stand ein Schriftgelehrter auf, versuchte ihn und sprach: Meister, was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe? 26 Er aber sprach zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du? 27 Er antwortete und sprach: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst« (5.Mose 6,5; 3.Mose 19,18). 28 Er aber sprach zu ihm: Du hast recht geantwortet; tu das, so wirst du leben.
29 Er aber wollte sich selbst rechtfertigen und sprach zu Jesus: Wer ist denn mein Nächster? 30 Da antwortete Jesus und sprach: Es war ein Mensch, der ging von Jerusalem hinab nach Jericho und fiel unter die Räuber; die zogen ihn aus und schlugen ihn und machten sich davon und ließen ihn halb tot liegen.
31 Es traf sich aber, dass ein Priester dieselbe Straße hinabzog; und als er ihn sah, ging er vorüber. 32 Desgleichen auch ein Levit: Als er zu der Stelle kam und ihn sah, ging er vorüber. 33 Ein Samariter aber, der auf der Reise war, kam dahin; und als er ihn sah, jammerte er ihn; 34 und er ging zu ihm, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie ihm, hob ihn auf sein Tier und brachte ihn in eine Herberge und pflegte ihn. 35 Am nächsten Tag zog er zwei Silbergroschen heraus, gab sie dem Wirt und sprach: Pflege ihn; und wenn du mehr ausgibst, will ich dir’s bezahlen, wenn ich wiederkomme.
36 Wer von diesen dreien, meinst du, ist der Nächste gewesen dem, der unter die Räuber gefallen war? 37 Er sprach: Der die Barmherzigkeit an ihm tat. Da sprach Jesus zu ihm: So geh hin und tu desgleichen!
3.
Vom verlorenen Sohn (Luk 15,11-24)
11 Und er sprach: Ein Mensch hatte zwei Söhne.
12 Und der jüngere von ihnen sprach zu dem Vater: Gib mir, Vater, das Erbteil, das mir zusteht. Und er teilte Hab und Gut unter sie. 13 Und nicht lange danach sammelte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land; und dort brachte er sein Erbteil durch mit Prassen. 14 Als er nun all das Seine verbraucht hatte, kam eine große Hungersnot über jenes Land und er fing an zu darben 15 und ging hin und hängte sich an einen Bürger jenes Landes; der schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten. 16 Und er begehrte, seinen Bauch zu füllen mit den Schoten, die die Säue fraßen; und niemand gab sie ihm.
17 Da ging er in sich und sprach: Wie viele Tagelöhner hat mein Vater, die Brot in Fülle haben, und ich verderbe hier im Hunger! 18 Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. 19 Ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße; mache mich zu einem deiner Tagelöhner!
20 Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn; er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn. 21 Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße. 22 Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringt schnell das beste Gewand her und zieht es ihm an und gebt ihm einen Ring an seine Hand und Schuhe an seine Füße 23 und bringt das gemästete Kalb und schlachtet’s; lasst uns essen und fröhlich sein! 24 Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an, fröhlich zu sein.
II.
Wir werten die Texte aus
1.
In den drei Texten geht es um Barmherzigkeit. Alle drei Texte verwenden das griechische Wort splangchnízomai. Es ist das stärkste Wort für Erbarmen, das wir in den Evangelien lesen. Es meint wörtlich in den Eingeweiden zutiefst bewegt sein. Es meint starkes und tiefes Mitleid haben. Es beschreibt ein Empfinden des Erbarmens. Es ist das stärkste Wort für Erbarmen, das wir in den Evangelien lesen.
2.
Was hören wir? Was dürfen wir glauben?
Gottes Wesen zeigt sich in seinem Mitleiden mit uns, in seinem erbarmenden Handeln. Sein innerstes Wesen zeigt sich, wenn er das Elend seiner Leute nicht erträgt. Es zeigt sich in seiner Verletzlichkeit: All unsere Not lässt er an sich heran und in sich hinein. Alles geht ihm nahe. Es zeigt sich in seiner Betroffenheit, in seinem Mitgefühl, in seinem Mitleiden mit uns.
Gottes Wesen zeigt in Jesus Christus, der Barmherzigkeit Gottes in Person ist. So wie Jesus barmherzig mit Menschen umging, so geht Gott mit uns um. Das dürfen wir glauben. Wir dürfen glauben, dass Gott emotional tief von uns und unserer Situation ergriffen und betroffen ist.
3.
Ein seelsorgerlicher Hinweis bzw. eine Frage, die mir Not macht
a.
Die Barmherzigkeit Gottes zeigt sich in allen drei Lukas-Texten so, dass die barmherzige Einstellung sofort helfend und rettend handelt.
Jesus erbarmt sich des Jünglings zu Nain und seiner Mutter. Er schenkt dem Teenager das Leben. Er erweckt ihn aber auch zum Wohle, zum Lebenkönnen seiner Mutter.
Der barmherzige Samariter sieht den Verletzten, erbarmt sich des Opfers und handelt entschlossen und sofort. Er stoppt. Er versorgt den Verletzten. Er überlegt nicht, ob er helfen soll. Er überlegt nicht, welche Risiken er damit für sich eingeht. Er handelt barmherzig.
Der Vater erbarmt sich seines Sohnes, er läuft ihm entgegen, sein Ruf ist ihm dabei egal, er kleidet ihn neu ein und macht ein Fest des Wiedersehens, des Wiederhabens, der Versöhnung, der Freude.
Wir sehen: Das Empfinden von Erbarmen bleibt kein Gefühl. Es führt sofort zum Handeln. Das ist der Clou bei dem Wort „es jammerte ihn“. Es führt immer zu einer Aktion, zu einem konkreten Handeln. Dieses Wort meint nicht nur emotionale Vorgänge. Das auch! Aber es bleibt nicht bei einer Betroffenheit stehen. Es tut etwas Konkretes und Helfendes.
Es geht um einen aktiven, engagierten, am Ergehen seiner Leute teilnehmenden Gott, um einen geschichtsmächtigen Gott, um einen in der Geschichte handelnden Gott, um den Gott, der sich zu den Menschen herablässt, der sich des Schicksals seines Volkes annimmt.
b.
Ich glaube das! Und ich könnte jetzt viele Geschichten über „Das Leben der anderen“ erzählen, oder aus meinem Leben, wo Gott offensichtlich barmherzig und damit helfend und rettend gehandelt hat.
Und doch könnte ich auch viele Geschichten erzählen, wo Gott nicht helfend und rettend handelt, wo er eine große Not nicht beseitigt, einem lieben Menschen nicht die Krankheit wegnimmt…
c.
Was tun wir dann? Lasst uns dann gemeinsam versuchen, dennoch an die Barmherzigkeit Gottes zu glauben und an ihr festzuhalten! Lasst uns dann glauben, dass Gott mit uns mitleidet, mit uns weint und uns in diesem Leiden nicht allein lässt. Und lasst uns den falschen Glauben verwerfen, dass Gott uns verlassen hätte, dass Gott uns strafe…
4.
Aus der Barmherzigkeit Gottes erwächst aber auch ein Auftrag für uns. Wir sind beauftragt, die Welt, unsere Umwelt, unsere Mitmenschen nicht immer nur mit unseren Emotionen zu beglücken, sondern konkret uns zu erbarmen.
Martin Benz schreibt: „Wenn Erbarmen… nicht zur konkreten Handlung führt, sondern nur bei frommen Vorsätzen bleibt oder sich vom möglichen Risiko abschrecken lässt, dann war es wahrscheinlich nichts anderes als Sentimentalität. Und Sentimentalität ist der größte Feind des Erbarmens, denn es ist mit bewegten Gefühlen zufrieden, wird aber nur selten aktiv. Erbarmen dagegen will handeln und wird aktiv.“
C.
Teil 3: Die Gegenprobe. Ja, aber… Gott ist doch auch heilig, gerecht und zornig!
Was ich jetzt sage, klärt die Dinge nicht ein für alle Mal. Dafür ist das Thema zu wichtig und dafür gibt es zu viele Fragen. Was ich jetzt sage, sind Gedankenanstöße für unser Nachdenken, eventuell auch für Gespräche untereinander.
I.
Die Bibel ist klar und unmissverständlich. Gott ist heilig! Gott sagt in 3 Mo 19,12: Ich bin heilig und ihr sollt heilig sein. Paulus greift in 1 Thess 4,1-2 diese Botschaft auf: Eure Heiligung ist der Wille Gottes.
Ich deute einmal die Spannung an, die es bei dem Thema in der Bibel gibt. Heilige sind keine Menschen mit besonderen Qualitäten, sondern Menschen, die zu Jesus gehören, die Gott gehören. – Aber bei Heiligen beginnt ein lebenslanger Veränderungsprozess. Heiligung bedeutet Heilung meines Lebens.
Aber, aber, aber! Nur wer verstanden hat, dass Gott barmherzig ist, dass Gott niemals mich kaputtmachen will, sondern in allem etwas Gutes für mich will, der wird offen für Gott und seinen Willen, der kann sich auf diesen Veränderungsprozess einlassen.
II.
Die Bibel ist klar und unmissverständlich. Gott ist gerecht. Und Er wird einmal für Gerechtigkeit sorgen. Das wird im Jüngsten Gericht geschehen.
Und Gottes Liebe will etwas von uns. Sie will, dass wir gerecht leben. Gerechtigkeit ist das richtige und rechte Verhalten Gott gegenüber und Menschen gegenüber.
Aber, aber, aber: Wir dürfen nie das hebräische Grundwort für Gerechtigkeit vergessen! „Sadaq“ meint ein gemeinschaftsloyales Verhalten. Es meint ein solidarisches und treues Beziehungsverhalten, auf das sich der andere verlassen kann. Gerechtes Verhalten ist ein soziales Verhalten, das anderen hilft und nützt, das deren gutem Leben dient, das andere vor Unrecht schützt und in Notsituationen deren Überleben sichert. Gerechtes Verhalten ist in der Bibel praktizierte Barmherzigkeit. Ich werde den Menschen gerecht, mit denen ich verbunden bin, indem ich barmherzig an ihnen und für sie handle.
III.
Die Bibel ist klar und unmissverständlich. Gott kann zornig handeln. Die Rede vom Zorn Gottes durchzieht das Alte und Neue Testament. Es gibt keinen christlichen Glauben ohne die Botschaft vom Zorn Gottes.
1.
Paulus sagt in Rö 1,18 kategorisch: „Gottes Zorn wird vom Himmel her offenbart über alles gottlose Wesen und alle Ungerechtigkeit der Menschen“.
Gottlosigkeit meint die Missachtung Gottes und das Misstrauen Gott gegenüber. Gottlosigkeit meint, dass wir Gott los sein möchten und selbst Gott sein möchten.
Ungerechtigkeit meint alles, was wir anderen schuldig bleiben, was wir ihnen antun.
Für Gott sind „Gottlosigkeit“ und „Ungerechtigkeit“ ein No go. Das lehnt er ab. Das mag er nicht. Das akzeptiert er nicht. Dem widersteht er. Dieses „Dagegen“ nennt die Bibel Zorn.
Diese Einstellung Gottes kann zu Erfahrungen führen, die am besten mit dem Wort Gericht verstanden werden können. Es sind z.B. Erfahrungen des Leidens und des Verlustes. Wir wissen es doch alle! Wir können unsere Beziehungen nicht ständig folgenlos verletzen.
Aber bitte Vorsicht: Nicht alle Leiderfahrungen und nicht alle Verlusterfahrungen sind Gerichtserfahrungen! Wir durchschauen Gottes Zulassungen, Fügungen und Führungen nicht! Aber wir können uns zwei Fragen stellen.
2.
Frage 1: Was bedeutet es, dass Gott uns mit Zorn begegnen kann?
Gott lässt nicht mit sich spielen. Wir sind ihm nie egal. Und er will uns schützen (vor uns selbst, vor der billigen Gnade, vor den Folgen unseres Tuns).
„Wo Sünde möglich ist, muss Zorn das Leben schützen“.
„Zorn ist notwendig, um das Leben zu schützen, wenn Milliarden egofähiger Ichs gemeinsam in eine kleine Welt und Wirklichkeit hineinlaufen.“
„Wenn die Bibel vom Zorn Gottes spricht, dann nicht als Drohung, sondern als Hinweis auf eine offenkundige Bedrohung, da in jenem heiligen Zorn eine leidenschaftliche Liebe für die Stimmigkeit des Lebens ist. Im Zorn ist die nötige Energie, den Egokräften der Sünde Widerstand zu leisten und für die Ordnungen des Lebens zu kämpfen.
Der Zorn Gottes entzündet sich an der Not, die der eine dem anderen zufügt. Der Zorn der Gottesliebe oder die Liebe des Gotteszorns erkennt, was wir dem Leben antun. Darum bin ich es leid, zu fragen, warum Gott so vieles zulässt, sondern will fragen, warum wir so viel Leiden Gottes zulassen“ (Martin Schleske, WerkZeuge, 1.11)
3.
Frage 2: Wie können wir uns das Verhältnis zwischen Gottes Barmherzigkeit und seinem Zorn denken?
Das Judentum, das harte Erfahrungen mit Gottes Zorn gemacht hat, stellt zwei Bibelstellen in den Mittelpunkt seines Nachdenkens über Gott.
Die eine Bibelstelle ist Jes 54,7: Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht der Herr, dein Erlöser.
„Der Zorn ist keine Eigenschaft Gottes, denn sein Handeln ist nicht generell durch Zorn bestimmt.“ (Wolfhart Pannenberg). Wenn Gott zornig handelt, dann ist das punktuell.
Die andere Bibelstelle ist 2 Mose 34,6: Gott ist barmherzig und gnädig, langsam zum Zorn (Luther übersetzt „geduldig“) , von großer Gnade und Treue. Gottes Zorn ist ummantelt von Barmherzigkeit und Gnade und Treue. Gott ist nicht schnell, wenn er zornig handelt. Und der Zorn Gottes war in Israels Geschichte nie das letzte!
4.
Ich weiß, dass ist ein merkwürdiger Schluss einer Predigt. Irgendwie unbefriedigend. Aber das ist Absicht! Ich glaube, wir sind nie fertig mit dem Thema Zorn. Und wir dürfen es auch nicht sein.
Ich mache zwei Vorschläge:
Vorschlag 1: Gehen wir mit dem Thema Zorn ins Gebet, ins Gespräch mit Jesus!
Vorschlag 2: Feiern wir sehr bewusst das Heilige Abendmahl! (Im Gottesdienst am 30.7. wurde nach der Predigt Abendmahl gefeiert.)
Der barmherzige Gott, der heilig ist, der gerecht ist und der zornig handeln kann, lädt uns ein, mit ihm zu feiern, seine Barmherzigkeit selbst zu empfangen und über ihn froh zu werden!