4 Mose 6,22-27 – Der Dreieinige Gott denkt an uns und segnet uns – Von Thomas Pichel

Wann immer ich jemandem begegne, „wann immer mir jemand entgegentritt, muss ich in Sekundenbruchteilen folgendes herauszufinden versuchen:
Wer ist mein Gegenüber wirklich? Ist er mir wohlgesonnen? Was wird er mir tun?
(Gönke Eberhardt, Göttinger Predigt-Meditationen, 74. Jahrgang, Heft 3, S. 326)

Die Dreieinigkeit Gottes ist die biblische Antwort auf diese Fragen, wenn es um Gott und uns geht.

22 Und der HERR redete mit Mose und sprach: 23 Sage Aaron und seinen Söhnen und sprich: So sollt ihr sagen zu den Israeliten, wenn ihr sie segnet:
24 Der HERR segne dich und behüte dich;
25 der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;
26 der HERR hebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
27 Denn ihr sollt meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne. 4 Mose 6,22-27

 

Eine Vorbemerkung:

Diese Predigt ist etwas Besonderes. Sie ist in großen Teilen nicht von mir. Ich habe ihre Bausteine lediglich ausgewählt, zusammengestellt und geordnet.

Diese Predigt besteht zu weiten Teilen aus Gedanken von Menschen, die für mich gerade in den letzten Wochen zum Segen geworden sind. Ich halte sie in Dankbarkeit gegenüber Gott und gegenüber Thorsten Dietz, Heinzpeter Hempelmann, Michael Herbst u.a.

 

A.
Die entscheidende Frage schlechthin: Wer ist Gott? Ist er mir wohlgesonnen? Was tut er?

I.
„Ihr sollt meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne“

„Die Handlung lässt uns spüren, dass etwas Gutes geschieht, darum wird beim Segnen die Hand aufgelegt. Das geht nicht nur über den Verstand, das geht durch den Leib. Und wenn am Ende des Gottesdienstes der Pfarrer die Hände hebt, ist das ein Rest der Handauflegung.“

„‘So sollt ihr‘, sagt Gott, ‚meinen Namen auf das Volk legen.‘ Der Name Gottes im Alten Bund: ‚Ich werde für dich da sein!‘ Der Name Gottes im Neuen Bund: ‚Jesus, der Retter und Helfer‘. Gesegnete Menschen… tragen diesen Namen wie ein Versprechen: ‚Ich werde für dich da sein.‘ Sie tragen den Namen als Zusage: ‚Ich bin dein Helfer und dein Retter, verlass dich darauf!‘“ (Michael Herbst, Reden vom heruntergekommenen Gott, S.100)

„Juden tragen bekanntlich im Gottesdienst eine Kopfbedeckung. Manche haben sie immer aufgesetzt, ihre ‚Kippa‘ (von diesem jüdischen Wort kommt unsere ‚Kappe‘ her): Die Kippa ist jene runde kleine Kopfbedeckung, die aussieht wie eine Hand auf dem Kopf aufgelegt, zeichenhaft für die segnende Hand Gottes.“
(Ulrich Mack, theologische beiträge, 3/4 2014, S.135)

Der dreieinige Gott legt seine Hand mit seinen fünf Fingern auf unser Leben und schenkt uns umfassenden und vollkommenen Segen.

Wir bekommen hier die Antwort, was wir von Gott wissen müssen. Er steht uns nicht bedrohlich oder feindlich gegenüber. Wir bekommen seinen Segen. Wir sind Angesehene. Segen ist Gott selbst. Segen ist Gottes Zusage: Ich werde so wirken in Deinem Leben.

Als Fußnote: Im Hebräischen besteht der Segen aus einer kunstvollen Abfolge von drei, fünf und sieben Worten. Segen hat also etwas mit Gedeihen und Wachsen zu tun. Aber das wäre ein eigenes Thema.

 

II.
Der Segen des Dreieinigen Gottes

1.
Der Herr segne dich und behüte dich

Unser Schöpfer segnet uns. Jeder von uns hat seine persönliche Segensliste. Es ist wichtig, dass wir uns das Gute benennen. Pflegt Eure Segenslisten! Schreibt Euch auf, womit Euch der Vater im Himmel segnet und beschenkt!

Gottes Segen sind z.B. Menschen, die das eigene Leben gut, schön und reich machen.

Gottes Segen ist das Alltägliche und Nichtselbstverständliche: ein wirksames Medikament, ein funktionierender Computer, eine Wohnung, in der man sich wohlfühlt.

Gottes Segen ist das Schöne und Erfreuliche im Leben: die Freude über gutes Essen, über gute Musik, über den Sport, über die Natur…

Gottes Segen ist all das, wo wir behütet werden: Die funktionierende Autobremse. Der Unfall, der nicht geschah. Die herausgezogene Zecke, die keine Folgen hinterließ.

Aber das Leben wird uns oft auch zugemutet. Wir sind oft fragende, Antworten suchende und angefochtene und leidende Menschen. Segen ist die Kraft, das Schwere auszuhalten.

 

2.
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.

„Das ist der Segen des Christus Jesus… Gott gibt nicht nur etwas, er gibt sich. Er lässt sein Angesicht leuchten über uns. Mir fallen zwei Bilder ein: das strahlende Gesicht der Mutter, das das Lachen auf das Gesicht des Kindes zaubert. Und: die Sonne, die hinter den Wolken hervorkommt und uns wärmt und froh macht. So ist Gott. Er ist nicht wie eine dunkle und bedrohliche Wolke. Er ist wie die strahlende Sonne, die über uns aufgeht, uns Wärme und Licht gibt.“
(Michael Herbst, Reden vom heruntergekommenen Gott, S.103)

Diese Zusage ist sehr hilfreich, wenn wir „das Handeln Gottes in der Welt“ „nicht eindeutig“ „entschlüsseln“ können, wenn wir „für dieses danken, unter jenem leiden, hinter manchem seine lenkende Hand vermuten, anderes als seine Züchtigung annehmen“. „Allein Gottes Handeln in Christus ist eindeutig. Gottes Handeln in der Welt ist es nicht…“

„Wenn mich Gottes Handeln in der Welt erschreckt und ich nicht verstehe, was es bedeutet, dann fliehe ich von dem, was ich nicht verstehe, zu dem einen Ort, an dem es keine Zweideutigkeit gibt, dem Ort, an dem Gott sein Herz zeigt, also dem Kreuz Jesu und seinem Sieg am Ostermorgen. Und da sage ich: Herr, erbarme dich. Und da sage ich: Ich verstehe es gerade nicht, aber ich weiß, du kannst es nicht anders als gut mit uns meinen.“
(Michael Herbst, in: Gott suchen in der Krise, S.109)

Lasst uns, wenn wir Gott nicht verstehen, zum gnädigen Gott fliehen! Gnade heißt: Jesus schenkt uns seine Zuwendung und Zuneigung, ohne dass wir dafür eine Vorbedingung erfüllen müssten, ohne dass wir hinterher dafür eine Gegenleistung erbringen müssten. Verstehen wir, was das heißt? Wir können und müssen Jesus nicht bezahlen! Aber genau deshalb brauchen wir an seiner Gnade auch nicht zweifeln!

 

3.
Der Herr hebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden

Das ist der Segen des Heiligen Geistes. Diese Formulierung: „Er erhebt sein Gesicht“ drückt das Gegenteil von Gleichgültigkeit aus; sie meint liebende Wertschätzung und hilfsbereite Aufmerksamkeit. Gott erkennt unsere Not und handelt entsprechend.

Gott schenkt uns Gemeinschaft mit sich selbst. Gott gibt uns Anteil an seiner Kraft und seinen Möglichkeiten. Er schenkt uns seine Gegenwart als die Kraftquelle unseres Lebens. Was für ein Segen! Ich muss nicht selbst die Kraftquelle sein, auf die es letztlich ankommt. Gott wohnt und lebt in mir.

Der Heilige Geist ist ein Zusammenführer und Zusammenhalter! Er bringt Gott und Menschen zusammen und Menschen mit Menschen. Sein Projekt heißt immer Frieden! Das ist sein Segen, sein Ziel, seine Gabe. Denn ohne Frieden gibt es kein gutes, gelingendes, glückliches Leben.

Dass Frieden wird und Frieden bleibt – zwischen Gott und mir, mit mir selbst, mit meiner Lebensgeschichte, mit meinen Schuldgeschichten, mit meinen Verletzungsgeschichten…

Frieden zwischen Frauen und Männern, zwischen Eltern und Kindern, zwischen Jung und Alt, zwischen Rechten und Linken, zwischen Israel und seinen Nachbarn. Der Heilige Geist liebt die Friedensstifter, die Brückenbauer, die Vermittler, die Versöhner. Er segnet immer die Arbeit von Friedenskindern…, damit Beziehungen Glück bedeuten, dass Menschen aufblühen, dass Leben gedeihen kann…

 

B.
Eine wichtige Frage beim Segen: In welcher Situation befinde ich mich gerade?

I.
Der Segen ist ursprünglich für Wüstenzeiten gedacht!

1.
Israel befindet sich in der Wüste, als es diese Segenszusage erhält. Es ist unterwegs irgendwo zwischen Ägypten und dem Traumziel des „Gelobten Landes“.

Wüste ist kein Spaziergang. Das ist herausfordernd, anstrengend, mühevoll, kräftezehrend. Das ist gefährlich. Und es dauert, dauert und dauert. (40 Jahre statt 11 Tage!)

In der Wüste ist die Frage nach dem Segen Gottes jeden Tag eine elementare Frage. Das Überleben hängt davon ab, ob man gesegnet wird oder nicht.

Die Menschen standen jeden Tag vor unserer Frage: Wer ist Gott wirklich? Ist er uns wohlgesonnen? Was wird er uns tun?

2.
Übrigens hat Israel in den 40 Jahren gelernt, dass es entscheidend ist, wie wir Menschen auf die Segenszusage Gottes reagieren. Ob wir seinen Worten glauben oder nicht. Ob wir die Nähe Gottes wollen oder nicht. Ob wir uns Gottes Gegenwart entsprechend verhalten oder nicht?

 

II.
Der Segen hilft sehr in Zeiten großer Unsicherheiten und Ängste

Ich will das Thema des Segens Gottes einmal durchspielen im Blick auf die Frage: Wie kann der Glaube an Gott in Zeiten großer Unsicherheiten und Ängste helfen? Ich tue das mit Hilfe von Thorsten Dietz, der in einem Internetvortrag über Sören Kierkegaard diese Gedanken entfaltet hat.
(Thorsten Dietz, auf www.worthaus.org, Vortrag über Sören Kierkegaard)

1.
„Es gibt Grund, erkennbare Gründe, mulmige Gefühle zu haben.

Es gibt Gründe, Angst zu haben. Leben ist ein Gehen, ein Sich-Bewegen auf Eis. Wir gehen auf einer Eisfläche. Es wirkt stabil. Es wirkt fest. Darunter sind 10.000 Meter Ozean. Du kannst gehen und nicht wissen, dass es Eis ist. Bis du es zum ersten Mal knacken hörst. Dann bist du in einer anderen Welt.

Schlimm, richtig schlimm wird es, wenn Menschen andere einbrechen sehen.

Dann ist die Welt für dich eine andere geworden. Du spürst die 10.000 Meter unter dir. Du spürst, wie dünn das Eis ist. Wenn du das Knacken gehörst hast, dann bekommst du deine Ängste durch Vernunftgründe nicht mehr los.

Es gibt Grund dafür, sich vor den Rissen im Eis zu fürchten. Die Losung ist dann nie: Es gibt keinen Grund, Angst zu haben. Die Losung ist dann nie: Etwas zu machen, etwas zu versuchen, wo du völlig angstfrei sein kannst.

Vertrauen ist die Bereitschaft zur Angst. Vertrauen ist, Unsicherheiten zu akzeptieren.

Vertrauen ist nicht das Gegenteil von Angst. Vertrauen ist Leben trotz Angst, mit Angst, in Angst, aber so, dass Mut und Zuversicht entscheidend und immer etwas größer sind, so dass du nicht aus Angst handelst. Wenn du in Angst handelst, dann fliehst du oder schlägst du. Dann läufst du weg oder trittst zu! Wenn du vertraust, dann sprichst du. Dann gehst du Wagnisse ein. Dann lässt du dich auf Begegnungen ein. Glaube ist die Grundhaltung des Vertrauens.

Die spannende Frage ist: Wie kommen wir jetzt von unserer Angst los? Wie kommen wir zum Vertrauen?“

2.
Ich möchte jetzt andeuten, wie der Glaube an den Dreieinigen Gott mir hilft:

Ich gehe von Jesus aus. Mir fällt auf, dass Jesus nie angstgesteuert gehandelt hat. Das ist für mich absolut faszinierend. Jesus lief nie weg. Jesus schlug nie zurück. Dieser Jesus ist neben mir – als mein starker Freund und großer Bruder.

Ich lasse mich von Jesus zum Vater führen, in dessen Macht Jesus sich geborgen wusste, an dessen Vatersein Jesus nie gezweifelt hat. Ich stelle mir mein Christsein als ein Leben in diesem Vaterhaus vor.

Und ich bitte den Vater und den Sohn um die Kraft des Heiligen Geistes. Ich habe keinerlei Scheu, Gott zu bitten, dass er mich in meinen Ängsten segnet, dass er mir Frieden schenkt, dass er meinen Glauben stärkt.

„Was ist Glaube…?“ Kierkegaard sagt: „Nicht das Gegenteil von Angst. Glaube ist Angstbereitschaft. Glaube ist die Bereitschaft, Angst zu ertragen. Glaube ist die Haltung, im Vertrauen der Angst nicht auszuweichen.“ (Thorsten Dietz, aa0)

 

III.
Der Segen gilt gerade auch in Kreuzeszeiten.

In vielen Kirchen und Gottesdiensten wird der Segen im Zeichen des Kreuzes zugesprochen. Warum?

Weil es sein kann, dass gerade gläubige Menschen ins Fragen und Zweifeln kommen können:

Bin ich überhaupt gesegnet? Habe ich den Segen Gottes? Bei mir ist so viel Vergeblichkeit, „so viel Zerbruch, so viel Müdigkeit, so viel Versagen, so viel Zukurzkommen, so viele Not. Müsste das Leben nicht ganz anders verlaufen?“
(Heinzpeter Hempelmann, theologische beiträge, 3/1997, S.131)

Wer durch Kreuzeszeiten hindurch muss, wem einiges zugemutet wird, wer zu leiden hat, der muss an den Segen glauben, ohne ihn zu sehen. Dabei hilft das Kreuzesgeschehen!

Wir werden mit dem Zeichen des Kreuzes gesegnet, weil wir nie den gekreuzigten Jesus vergessen sollen, wenn es uns nicht gut geht! Am Leiden und Sterben Jesu sehen wir, dass der Segen Gottes im Gegenteil von dem versteckt sein kann, was wir unter Segen verstehen und erwarten. Wir erwarten den Segen im Erfolg und nicht im Misserfolg. Wir erwarten den Segen im Glück und nicht im Unglück. Wir erwarten ihn im Schönen und Leichten und nicht im Schweren und Sinnlosen.

Gesegnet sein ist „nicht (nur) eine gelingende, glatte Karriere, eine lang andauernde, problemlose Beziehung…, sondern auch eine gebrochene Biografie, ein zerbrochenes, gescheitertes Leben, aus dessen Einzelteilen Gott aber ein neues Ganzes zu flicken versteht.“ 
(Heinzpeter Hempelmann, theologische beiträge, Nr. 4/5 2007, S.210f)

„Segen unter dem Kreuz ist nicht… das gelingende Leben, nicht mein Plan, der in Erfüllung geht, nicht mein Ziel, das endlich erreicht wird, nicht die runde Biographie, die alle Erwartungen erfüllt und allen gängigen Standards entspricht; Segen unter dem Kreuz – das ist vielmehr der Scherbenhaufen, den Gott zusammenkittet, den er zu etwas Neuem, Schönen werden lässt, das er dann gebraucht mitsamt allen Schäden – für den Bau seines Reiches.“

Wir dürfen es glauben: Der Segen Gottes gilt für „jede Lebenslage, Notlage und Schieflage des Lebens“.
(Heinzpeter Hempelmann, theologische beiträge, Nr. 3/1997, S.141)

„Dietrich Bonhoeffer hat in einer Andacht in dunkelster Kriegszeit gesagt: ‚Segnen heißt, die Hand auf etwas legen und sagen: Du gehörst trotz allem Gott.‘ Du gehörst trotz allem Gott. Trotz allem! … Wenn wir“ Rätselhaftes und Notvolles „erleiden und durch… Kreuzestage gehen, dann hören wir: Trotz allem Gott! Trotz allem leuchtet die Sonne der Gnade über uns! Trotz allem ist er nicht gegen uns. Trotz allem ist er nicht fern von uns! Trotz allem hat er noch Mittel und Wege, uns zu helfen. Wir sind gehalten, und wenn es über dem Abgrund ist. Denn wir sind die Gezeichneten des Herrn. Wir tragen seinen Namen wie ein Versprechen.“
(Michael Herbst, Reden vom heruntergekommenen Gott, S.104f)