Jesaja 58,1-12 – Fasten ist nicht gleich Fasten – Von Thomas Pichel

A.
Einleitung in das Thema: Das moderne Fasten

1.
Fasten, also der freiwillige Verzicht auf Essen ist „in“. Fasten liegt im Trend. Fasten boomt.

Auf einer Internetseite habe ich folgende Werbung gefunden (https://www.in-form-de/wissen/fasten-tee-gesundheit/): „Auszeit für Körper und Geist: Ab Aschermittwoch oder einfach zwischendurch – viele Menschen nutzen die Auszeit vom Essen, um sich etwas Gutes zu tun. Welche Fastenkuren empfehlenswert sind und was Sie beachten sollten, erfahren Sie auf…

2.
Wir können vier verschiedene Arten von Fasten unterscheiden.

(1) Es gibt das Gesundheitsfasten und das Heilfasten.

(2) Es gibt das Schönheits- und Schlankheitsfasten, z.B. das Intervallfasten.

(3) Es gibt das Lebensstilfasten gegen zu viel Lärm, gegen zu viel Äußerlichkeit und Zerstreuung. Das Motto lautet: Weniger ist mehr. Damit wir uns nicht in den 1000 Möglichkeiten des Lebens verlieren. Damit wir uns nicht verlieren.

„Wer fastet, will ‚sich etwas Gutes tun“. „Möglicherweise den Körper entschlacken, um die ungesunde Müdigkeit zu vertreiben und leistungsfähiger zu werden“. „Vielleicht eine Vertrautheit mit sich selbst zurückzugewinnen, will sicherer werden.“ (Christel Weber, in: Göttinger Predigtmeditationen, 75. Jahrgang, Heft 1, S.172)

(4) Darüber hinaus gibt es noch das Wohltätigkeitsfasten. Man setzt ein Zeichen. Der Erlös geht zugunsten anderer.

3.
Wir Christen brauchen diese Form von Selbsterfahrung und Selbstsorge nicht kritisieren. Wir haben unseren Körper als ein Geschenk von Gott bekommen. Richtige Ernährung, Sport und eine gute Work-Life-Balance sind zu beachten. Dagegen spricht nichts, sondern alles dafür!

 

B.
Predigt

I.
Das biblische bzw. christliche Fasten

Wir müssten jetzt reden über die hebräischen Worte für Fasten, über die Fastentage und Fastenriten und über die verschiedenen Fastenarten (Bußfasten, Trauerfasten und Vorbereitungsfasten) in der Bibel. Das geht aus Zeitgründen nicht. Ich konzentriere mich auf drei wesentliche Dinge.

1.
Fasten ist in der Bibel keine Diät, kein „Ich esse weniger“ oder „Ich esse nichts Süßes“. Fasten ist der komplette Verzicht auf Nahrung von außen. Ich lebe eine Zeit lang von meinem eigenen Depot an Fett- und Energiereserven.

2.
Es gibt im Judentum keine Spiritualität ohne Körperlichkeit. Es gibt eine tiefe Einheit zwischen Innen und Außen. In der Bibel beten die Menschen mit offenen Armen und Händen. In den Gottesdiensten gab es viel zu sehen und zu riechen. Juden essen heute z.B. am Sederabend vor Passah symbolische Speisen: z.B. Maror, ein Bitterkraut, das an die Bitterkeit der Sklaverei in Ägypten erinnert; z.B. ein Ei, das an die Verletzlichkeit des Lebens erinnert. Israel weiß bereits um die Ganzheitlichkeit des Lebens. Unsichtbare Wahrheiten brauchen ihren sichtbaren Ausdruck. Sonst bleiben sie blass, dünn, unwirklich. Sonst vergisst man sie. Deshalb ist Fasten ein äußerer Ausdruck einer inneren Haltung. Was symbolisiert also das Fasten?

3.
Was ist der Kern des biblischen Fastens? Wir sagten eingangs: Das moderne Fasten ist ein Mittel zum Zweck. Wer fastet, möchte schlanker werden, gesund bleiben, leistungsfähiger werden. Das christliche Fasten ist auch eine Übung. Aber als Übung „keine Selbsterfahrung“, sondern „eher eine Selbstvergessenheit“ (Fulbert Steffensky, Schwarzbrot-Spiritualität, S.13). Es dient nämlich der Öffnung für Gott. Es dient der Kommunikation mit Gott. Es dient der Gestaltung unserer Gottesbeziehung.

Friedrich Schiller sagt: „Die Sprache denkt für uns“. Das heißt z.B., Wörter sind voller Informationen. Woher kommt das Wort „fasten“? Mit welchen Wörtern hängt es zusammen?

(1) „Fasten“ hat mit „Festmachen“ zu tun. (Siehe auch im Englischen: Fasten your seat-belt!) Ich mache mich in Gottes unsichtbarer Nähe fest, ich werde sicherer, was seine Gegenwart betrifft.

(2) Das Wort „fasten“ hängt aber auch mit unserem Wort „Fest“ (Feier, Party) zusammen. Der Verzicht auf ein Stück Welt, der Fokus auf Gott, die Konzentration auf alles, was Gott mir bedeutet, beschenken mein Leben mit Fröhlichkeit und Freude.

Es geht also um den Rhythmus zwischen Fasten und Fest.

4.
Welche Verheißungen sind dem so verstandenen und praktizierten Fasten gegeben? Gott beschenkt das Fasten mit drei Verheißungen:

(1) Unsere Gedanken werden klarer. Fasten schärft den Blick für Gott. Man tut sich in der Stille leichter. Man wird freier, wacher und sensibler für Gott.

(2) Wir bekommen neu den Geschmack für das Leben und auf das Leben. Wer einmal eine Zeit lang auf Brot oder Schokolade verzichtet hat und dann wieder diesen Geschmack im Mund hat, der feiert das Leben.

(3) Das dritte Geschenk ist eine Sensibilität für leidende Menschen. Wenn ich z.B. am Anfang des Fastens Hunger verspüre (das Hungergefühl verschwindet ja) oder wenn ich verminderte Kräfte aufgrund des Fastens habe, werde ich sensibilisiert für die Not anderer Menschen. Ich werde offener für das, was Menschen entbehren müssen.

Damit sind wir beim zweiten Punkt der Predigt, bei der Auslegung von Jesaja 58,1-12.

 

II.
Jes 58,1-12: Ein Fasten, das Gott ablehnt. Ein Fasten, das Gott gefällt.

1.
Gott schweigt. Dann redet er laut.

1 Rufe getrost, halte nicht an dich! Erhebe deine Stimme wie eine Posaune und verkündige meinem Volk seine Abtrünnigkeit und dem Hause Jakob seine Sünden! 2 Sie suchen mich täglich und begehren meine Wege zu wissen, als wären sie ein Volk, das die Gerechtigkeit schon getan und das Recht seines Gottes nicht verlassen hätte. Sie fordern von mir Recht, sie begehren, dass Gott sich nahe. 3 »Warum fasten wir und du siehst es nicht an? Warum kasteien wir unseren Leib und du willst’s nicht wissen?« Siehe, an dem Tag, da ihr fastet, geht ihr doch euren Geschäften nach und bedrückt alle eure Arbeiter. 4 Siehe, wenn ihr fastet, hadert und zankt ihr und schlagt mit gottloser Faust drein. Ihr sollt nicht so fasten, wie ihr jetzt tut, wenn eure Stimme in der Höhe gehört werden soll. 5 Soll das ein Fasten sein, an dem ich Gefallen habe, ein Tag, an dem man sich kasteit, wenn ein Mensch seinen Kopf hängen lässt wie Schilf und in Sack und Asche sich bettet? Wollt ihr das ein Fasten nennen und einen Tag, an dem der HERR Wohlgefallen hat? 6 Das aber ist ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast, lass ledig, auf die du das Joch gelegt hast! Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg! (Jes 58,1-6)

(1)
Der Prophet bekommt den Auftrag, gläubige Menschen zu kritisieren. Menschen, die täglich Gott suchen, die ihm nahe sein möchten, die beten, Bibel lesen, Gottesdienste besuchen. Diese Menschen beschweren sich gegenüber Gott: Warum siehst du uns nicht? Warum nimmst du nicht wahr, was wir tun? Sie verhalten sich so, als ob sie ein Anrecht darauf hätten, dass Gott zu ihnen spricht. Penetrant suchen, fragen und fordern sie. Aber Gott widersetzt sich ihnen durch Schweigen. Er entzieht sich ihnen. Er entzieht sich dem Versuch, dass Menschen ihn handhabbar machen wollen. Damit tut Gott dasselbe wie sie. Sie entziehen und verweigern sich ihren Mitmenschen. (Wir können das aus Vers 7 erschließen.)

Dann redet Gott doch. Dann redet Gott wieder. Und zwar ziemlich laut. „Gott macht klar: Er hat die ganze Zeit gesehen. Allerdings ist seine Perspektive eine andere. Während das Volk sich selbst kasteite, hat Gott hinabgeschaut und gesehen, was es hinter seinem Rücken treibt: Sie machen Geschäfte am Sabbat, agieren Konflikte gewalttätig aus, sie treiben Arbeiter wie Vieh an: Sie beugen das Recht und beugen ihre Mitmenschen, während sie selbst mit fromm-gebeugter Seele vor Gott stehen! Jetzt dreht Gott den Spieß um: ‚Ihr sagt, ich sehe nicht? Ihr seht nicht!‘ Gott wendet den Kopf des Volkes um 180 Grad. Seht nicht (nur) auf mich, sondern auf eure Mitmenschen!“ (Christl Weber, aa0, S. 171)

Weil das so wichtig ist, noch einmal in anderen Worten. Gott sagt: Euer frommes Bemühen interessiert mich nicht. Es erreicht mich nicht. Ihr bemüht euch auf eine Art, die bei mir nicht ankommt. Verstehen wir? Sie machen gegenüber Gott alles richtig. Es liegt nicht an ihrem Glauben. Es liegt nicht daran, wie sie sich Gott gegenüber verhalten. Es liegt daran, wie sie sich anderen Menschen gegenüber verhalten.

(2)
Schauen wir uns den auffälligen Vers 6 an: Das aber ist ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast, lass ledig, auf die du das Joch gelegt hast! Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg!

Was hat das mit dem Thema Fasten zu tun? Es geht beim Fasten wie bei diesen Verhaltensweisen um Verzicht und Selbstbeschränkung und es geht um Freiheit, die Freiheit anderer. Das Fasten, das Gott gefällt, besteht darin, dass wir andere nicht als Gefangene behandeln oder aus ihrer Gefangenschaft befreien. Viermal wird dieser Gedanke eingeschärft. Das Thema Freiheit ist für Gott entscheidend. Er fordert uns auf: Fastet jedes Verhalten, das den anderen keine Freiheit lässt! Macht andere nie zu euren Gefangenen! Dient vielmehr ihrer Freiheit!

Wenn wir das menschliche Miteinander einmal auf das Thema Freiheit und Unfreiheit scannen, erkennen wir stereotype Muster und Gefahren:

Ich wähle ein Thema aus. Es ist das Thema unserer Erwartungshaltung. Gestehen wir anderen die Freiheit zu, Nein zu sagen, Dinge anders zu sehen und zu wollen?

Unsere Erwartungshaltung kann andere Menschen gefangen nehmen oder halten. Wir verpflichten gern andere Menschen. Die anderen sollen uns Recht geben und unsere Meinung bestätigen. Die anderen sollen unsere Wunschvorstellungen erfüllen. Wir verpflichten gern andere dazu, uns zu (be-)dienen. Was für eine Last kann das für andere sein! Die Frage dabei ist lediglich, wie weit jemand zu gehen bereit ist. Das Ganze wird leicht und schnell übergriffig und missbräuchlich.

Bsp 1: Unser Jonas möchte Hefezopf mit Honig. Ich sage zu ihm: Das ist doch zu süß. Nimm Marmelade! Meine Frau antwortete: Feel free! Du kannst Honig haben.

Bsp 2: Ich hatte bei meiner lieben Mutti manchmal nicht das Recht, zum dritten Teller beim Mittagessen Nein zu sagen.

Bsp 3: In Hochzeitspredigten frage ich das Brautpaar manchmal: Wollt ihr euch gegenseitig das Recht einräumen, dass Ihr Euch enttäuschen dürft! Darf der andere zu einer Sichtweise, zu einem Wunsch Nein sagen!

Bsp 4: Wenn es um das Thema Sex vor der Ehe geht, sage ich nicht nur: Bitte wartet darauf, bis Ihr verheiratet seid. Ich sage auch: Bitte versprecht Euch eines: Zwingt nie den anderen zu etwas, was er nicht möchte.

Bsp 5: Ich bin für die Kindertaufe. Die hat Nachteile. Die kann missbraucht werden. Völlig klar. Aber aufgrund mancher Bibelstellen habe ich ein Ja dazu. Ich habe im Laufe der Jahre immer wieder erlebt, dass andere Christen mir diese Position nicht zugestehen. Ich hätte in ihren Augen nicht die Freiheit dazu. Ich wurde in die liberale Schublade eingekastelt.

Wir verdrängen diese Dinge gern. Aber fragen wir uns einmal: Wo hole ich mir immer etwas, ohne dass der andere es mir wirklich schenken möchte? Wo manipuliere ich den anderen (mit Versprechen, mit sanftem Druck, mit massivem Druck, mit Drohungen), mir zu dienen, seine Kräfte für mich einzusetzen? Wo benutze ich andere? Wo nutze ich andere aus?

2.
Klare Aufträge

6 Das aber ist ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast, lass ledig, auf die du das Joch gelegt hast! Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg! 7 Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut!… 9 Wenn du in deiner Mitte niemand unterjochst und nicht mit Fingern zeigst und nicht übel redest, 10 sondern den Hungrigen dein Herz finden lässt und den Elenden sättigst…

(1)
Wir hören deutlich, was wir nicht machen sollen. In Vers 7 lesen wir von Menschen „im Elend“. In Vers 3 lasen wir, dass die Leute „sich kasteien“. Beide Worte gehen im Hebräischen auf das Wort „beugen, erniedrigen, schwächen“ zurück. Was bedeutet das? Menschen, die freiwillig vor Gott die Knie beugen, die sich freiwillig für kurze Zeit durch Fasten schwächen, zwingen andere in die Knie, schwächen sie oder lassen sie in ihrer Schwachheit allein, indem sie ihnen die Grundlagen ihres Lebens verweigern: Nahrung, Kleidung, Wohnen, Solidarität, Recht auf eigene Meinung… Fromme Menschen zwingen andere zu einem Zwangsfasten! Menschen, die in Vers 5 ihren Kopf vor Gott beugen, machen aus anderen ein „geknicktes Rohr“ (Jes 42,3) oder lassen sie als geknicktes Rohr allein.

(2)
Wir hören deutlich, was wir machen sollen. Lasst uns diese Verse als unsere Berufung lesen. Das ist alles einfach zu verstehen. Menschen sitzen in einer Not fest, sind Gefangene des Hungers, der Obdachlosigkeit, der Nacktheit, der Armut, der fehlenden Perspektiven. Gott sagt: Befreit diese Leute!

Brich dem Hungrigen dein Brot!“ Das meint Teilen und Abgeben. Das meint Spenden. Das meint aber auch Einladung zum Feiern! Öffnen wir die Türen! Schenken wir Zeit!

Entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut!“ Sprich mit deinem Mann, deiner Frau! Lebe verbindlich und solidarisch mit den Menschen in deiner Gemeinde!

Kümmere dich um den, der in einem übertragenen Sinne obdachlos ist!

Wo ist jemand in deiner Umgebung im übertragenen Sinne „nackt“, weil er beschämt ist, weil er sich schämt. Kleiden wir ihn! Richten wir ihn auf! Beschämen wir ihn auf keinen Fall!

(3)
Und doch ist es „nicht einfach. Ich erinnere mich an die arme Frau, die zur Taufe ihres Kindes mit einer Brille kam, die ein mehrfach gesprungenes Glas aufwies. Die ganze Gemeinde starrte während der Taufe auf dieses Glas; die Frau schämte sich. Am Ende des Gottesdienstes boten mir mehrere Gemeindeglieder Geld an, damit sie ihre Brille reparieren konnte. Andere drängten: ‚Kann das die Kirche nicht aus Diakoniegeldern bezahlen?‘ Natürlich, das kann sie. Aber niemand hat der Frau und ihrem Kind zur Taufe gratuliert…“ (Christl Weber, aa0, S.173)

3.
Überraschende Perspektiven. 

Wer im gerade beschriebenen Sinne fastet, dem gilt eine große Verheißung.

8 Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird deinen Zug beschließen. 9 Dann wirst du rufen und der HERR wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich. Wenn du in deiner Mitte niemand unterjochst und nicht mit Fingern zeigst und nicht übel redest, 10 sondern den Hungrigen dein Herz finden lässt und den Elenden sättigst, dann wird dein Licht in dir Finsternis aufgehen, und dein Dunkel wird sein wie der Mittag. 11 Und der HERR wird dich immerdar führen und dich sättigen in der Dürre und dein Gebein stärken. Und du wirst sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt. 12 Und es soll durch dich wieder aufgebaut werden, was lange wüst gelegen hat, und du wirst wieder aufrichten, was vorzeiten gegründet ward; und du sollst heißen: »Der die Lücken zumauert und die Wege ausbessert, dass man da wohnen könne«.

4.
Wir halten als Ergebnis fest. Die Frage in Jes 58 lautet: Wie kommen wir Gott und wie kommt Gott uns nahe? Die Antwort: Über unsere Mitmenschen. Es geht über die Mitmenschlichkeit. Das liegt an Gott. Der selbstvergessene Gott vergisst keinen einzigen bedürftigen und notleidenden Menschen.

Eine Liebe zu Gott, getrennt von der solidarischen, aufopfernden, helfenden Liebe zu den Menschen, ist dem Neuen Testament zufolge, … nur Heuchelei.“ (Tomas Halik, Ich will, dass du bist, S. 126)

„Ich habe nicht das Recht, Gott zu bekennen, wenn ich den Schmerz und das Elend meiner Nächsten nicht ernst nehme. Ein Glaube, der die Augen vor dem menschlichen Leid verschließen möchte, ist nur eine Illusion oder Opium; angesichts solcher Arten von Religion hätten Freud und Marx mit ihrer Kritik recht gehabt!“ (Tomas Halik, Die Zeit der leeren Kirchen, S.147)

Deshalb steht heute jeder von uns vor der Frage: Wo muss ich meine Einstellung und mein Verhalten ändern? Wo muss ich umkehren? Wo muss ich Gott oder Menschen um Vergebung bitten?

 

III.
Das Evangelium ist ein Fest.

1.
Christlicher Glaube steht und fällt mit dem Glauben an den schenkenden Gott. Wir dürfen glauben, dass Gott uns alles schenkt.

Gott bringt uns das Brot. Gott bricht uns das Brot
Er führt uns Elende in sein Haus. Er zwingt uns nicht in die Knie.
Er kleidet uns.
Er entzieht sich uns nicht.
Er unterjocht niemanden.
Er zeigt nicht mit dem Finger auf uns.
Er redet nicht übel über uns.
Er lässt uns sein Herz finden.
Er macht uns satt.

2.
Jesus will „nicht allein die Seele erlösen, sondern auch den Leib und die Kleidung, das Essen, Trinken und Schlafen, unsere Häuser und unser Zusammenleben, unsere Zeit und unser Geld. Alles in dieser Welt soll den Glanz der Gottesherrschaft zeigen, auch das Fasten und das Fest – und das eine gibt es nicht ohne das andere“ (Norbert Lohfink, aa0, S.348)

3.
Deshalb gilt ein Satz von Peter Wick: „Du kannst jetzt mit deiner Fastenzeit beginnen, in der du auf gar nichts verzichtest, indem du anfängst, deine Mitmenschen zu beschenken. Überlege einmal, wer es brauchen könnte!“