Josua 24,15 – Lasst uns dem dienen, der uns dient! – Von Thomas Pichel

14 So fürchtet nun den HERRN und dient ihm treulich und rechtschaffen und lasst fahren die Götter, denen eure Väter gedient haben jenseits des Euphratstroms und in Ägypten, und dient dem HERRN. 15 Gefällt es euch aber nicht, dem HERRN zu dienen, so wählt euch heute, wem ihr dienen wollt: den Göttern, denen eure Väter gedient haben jenseits des Stroms, oder den Göttern der Amoriter, in deren Land ihr wohnt. Ich aber und mein Haus wollen dem HERRN dienen. (Jos 24,14f)

 

I.
Worum geht es in Josua 24,14 bzw. in den Kapiteln 23 und 24 am Ende des Josuabuches?

1.
Josua hatte einen Auftrag bekommen. Wir lesen in Josua 1,6: „Sei getrost und unverzagt; denn du sollst diesem Volk das Land austeilen, das ich ihnen zum Erbe geben will, wie ich ihren Vätern geschworen habe“. Josua hat die Aufgabe (vermutlich 55 Jahre später!) erfüllt. Er hat das Land unter den Stämmen Israels aufgeteilt. Gott hat nach über 400 Jahren (!) sein Versprechen erfüllt, das er einst Abraham gegeben hatte (siehe 1 Mose 12,7ff: „Deinen Nachkommen will ich dies Land geben!“).

2.
Jetzt hätte Josua sagen können: Auftrag erfüllt! Jetzt werde ich Privatier und genieße meinen wohlverdienten Ruhestand. Das tut er nicht. Ihm ist etwas sehr wichtig. Er sorgt sich darum, dass das Volk Gott fürchtet und Gott dient. Deshalb hält er eine Mischung aus Festgottesdienst, Großkundgebung und Parteitag (den sog. Landtag zu Sichem) ab.

3.
Josua hält eine große und lange Rede. Sie ist voller Geschichte und Geschichten. Josua listet auf, was Israel mit Gott erlebt hat, was Israel Gott verdankt, was Gott seinem Volk geschenkt hat.

In Kapitel 23 erinnert Josua an die Taten Gottes. Er sagt z.B. in Vers 3: Ihr habt alles gesehen, was der Herr, euer Gott getan hat… Denn der Herr, euer Gott, hat selbst für euch gestritten. In Kapitel 24 gibt es eine Mischung aus Gottes Worten und Worten Josuas. Unübersehbar ist in Kapitel 24 das „Ich“ Gottes. 16x sagt Gott, was Er getan hat: Ich nahm… Ich mehrte… Ich gab

Die Botschaft ist klar: Das ganze Unternehmen glückte, weil Gott dahinterstand, im Hintergrund wirkte, alles so führte und fügte, alles Hin und Her, alles Auf und Ab, alles Kämpfen und Ringen steuerte und zum Ziel führte. Es war also nicht ein eigenes Werkeln und Schaffen und Leisten der Leute. Es war und ist ein Geschenk. Israel weiß, dass es das neue Leben, die Befreiung aus Ägypten und das Leben im Land nicht eigener Genialität, Intelligenz, Kraft und Leistungsvermögen verdankt, sondern allein Gott. Israel kann sich nicht brüsten, ‚was wir geschafft haben‘.

4.
Wir fassen zusammen: Israel hat Gottesgeschenke am laufenden Band bekommen: Befreiung aus der Zwangsarbeit in Ägypten. Wunder über Wunder in der Wüste. Ein ganzes Land als Hauptgewinn. Und nun stellt Josua das Volk vor eine Entscheidung: Wollt ihr Gott fürchten oder nicht? Wollt ihr Gott dienen oder nicht?

4x antwortet das Volk: Wir wollen auf keinen Fall den Herrn verlassen, der uns befreit hat, der so viele Wunder an uns getan hat. Wir wollen nicht anderen Göttern dienen. Wir wollen dem Herrn dienen. Wir wollen ihm gehorchen. (siehe Jos 24,16.18.21 und 24) (siehe auch 2 Mo 19,8 u 2 Mo 24,3+7).

Bevor wir fragen, was das konkret bedeutet, werten wir die Kapitel 23 und 24 des Josuabuches aus: Es gibt einen roten Faden, der nicht nur die beiden Kapitel des Josuabuches, sondern die ganze Bibel durchzieht. Es gibt diese Reihenfolge, die ich sehr mag: Zuerst wird berichtet, was Gott getan hat, tut oder tun wird. Zuerst wird gesagt, dass Gott redet und handelt, gibt und beschenkt, segnet und rettet, mitgeht und unterstützt. Und erst im Anschluss daran, erst danach geht es um die Frage, wie wir Menschen darauf reagieren; ob uns das egal ist; ob uns das zu blöd ist; oder ob wir staunend, dankbar und freudig reagieren, ob in uns Vertrauen und Gegenliebe ausgelöst werden, ob wir aufgrund dessen, was Gott für uns getan und uns geschenkt hat, ihn fürchten und ihm dienen!

 

II.
Was heißt es, dem Herrn zu dienen? 

1.
Noch einmal zurück zu Josua und dem Volk Israel. Josua, der damalige Chef und religiöse Führer des Volkes, geht mit gutem Beispiel voran. Er hat eine Wahl getroffen. Er hat sich festgelegt: Ich aber und mein Haus wollen dem Herrn dienen! Das ist seine Grundsatz-Entscheidung. Er hat sich für Gott und gegen andere Götter entschieden! Und er stellt das Volk vor die Wahl. Er fragt gesegnete und beschenkte Menschen: Wollt ihr Gott dienen oder Gott-Imitaten und Gott-Ersatzgrößen? Und er sagt ihnen sehr deutlich: Ihr könnt Gott nur dienen, wenn ihr alle Gott-Imitate und Gott-Ersatzgrößen aus eurem Leben entfernt!

2.
Da ist die Bibel heilig stur! Sie weiß etwas von uns, was wir gerne verdrängen: Jeder Mensch steht, ob er es weiß oder nicht, vor dieser Grundsatz-Entscheidung: Gott oder andere Götter, d.h. Gott-Ersatzgrößen, Gott-Imitate! Es gibt kein Menschsein, ohne dass ein Mensch etwas anbetet und an etwas hängt. Diese Vorentscheidung ist das Vorzeichen eines jeden Lebens. Sie wirkt sich auf jede unserer konkreten Einzelentscheidungen aus. Sie gibt die Richtung an. Sie bestimmt unser Denken, Reden und Handeln.

Ich entfalte diese Grundsatz-Entscheidung, damit klar wird, wie aktuell und allgemeingültig das ist, auch wenn wir 3200 Jahre nach Josua leben!

(1)
Es ist die Frage des Ersten Gebotes: Vertraue ich Gott? Liebe ich Gott? Fürchte ich Gott?

Wem vertraue ich wirklich? Von wem erwarte ich mein Glück? Von dem Gott der Bibel oder meinen Gott-Imitaten und Gott-Ersatzgrößen? An wen wende ich mich in Nöten und Problemen? Zu dem Gott der Bibel oder zu meinen Gott-Imitaten und Gott-Ersatzgrößen?

Woran hängt mein Herz wirklich? Am lebendigen Gott oder an meinen Gott-Imitaten und Gott-Ersatzgrößen? Die Antwort finden wir, wenn wir uns zwei schlichte Fragen stellen: Wann wäre das Leben für mich sinnlos, weil irgendetwas nicht mehr da wäre? Worauf kann und will ich nicht verzichten, auch wenn es für mich Nachteile mit sich bringt, auch wenn es mir unter Umständen sehr viel kostet?

Fürchte ich Gott? Dazu müssten wir jetzt sehr viel sagen. Gottesfurcht meint nicht, dass ich Angst habe vor Gott. Gottesfurcht ist respektvolle Loyalität Gott gegenüber. Gottesfurcht heißt: Ich nehme nichts und niemanden gewisser und ernster als Gott. Gottesfurcht heißt: Ich erachte nichts und niemanden als wertvoller und kostbarer als Gott.

(2)
Es ist die Frage, was ich mit meinem Leben eigentlich will, wofür ich lebe. Will ich für mich leben oder für etwas Anderes und Größeres als mich?

Für einen Christen heißt das: Will ich mir dienen oder Gott? Wem will ich dienen? Dem lebendigen Gott oder meinen Gott-Imitaten und Gott-Ersatzgrößen wie meiner Gesundheit, meinem Erfolg, meinem Geld, meiner Sicherheit, meiner Perfektion, meinem Vergnügen, meiner Beliebtheit, meiner Rechthaberei usw.?

Es ist die Frage, wozu ich Christ bin. Will ich Gott und anderen Menschen dienen oder will ich mein Christsein als Kultivierung meiner eigenen Gottesbeziehung leben?

3.
Lasst uns die Wahl des Josua leben: Ich aber und mein Haus wollen dem Herrn dienen!

a.
Das hebräische Wort für „Dienen“ meint einer Person dienen, also Menschen oder Gott, nicht einer Sache oder Idee. Es geht immer um Beziehung. Es geht um Beziehungsnähe und Beziehungstreue.

b.
Interessant ist nun, dass es nicht heißt: Wir wollen dem Herrn dienen, sondern: „Ich aber will dem Herrn dienen!“ Dieses „Ich“ ist wesentlich! Jeder von uns sagt zu Gott: Ich will Dir, Herr Jesus, dienen! Ich stelle mich Dir zur Verfügung. Ich gehöre zu Deinem Team. Ich stehe für Einsätze bereit. Im Christsein kann man sich nicht vertreten lassen!

c.
Auch das kleine Wort „aber“ ist wichtig. Christsein braucht Mut! Wir machen uns angreifbar. Es kann sein, dass wir uns damit ins Abseits stellen, dass wir zu Außenseitern werden. Wer sein Christsein lebt und zeigt, muss mit Nachteilen rechnen. Christsein kann etwas kosten.

4.
Lasst uns dem Herrn dienen!

Mit unserer Zeit und unserem Interesse. Mit unserem Gebet und unserem Zeugnis. Mit unserer Menschlichkeit. Mit unseren Gaben und Fähigkeiten.

a.
Lasst uns dem Herrn dienen, indem wir unserem Haus, unserer Frau, unserem Mann, unseren Kindern, unserer Familie, unseren Freunden, Nachbarn, Kollegen… dienen!

b.
Lasst uns dem Herrn dienen, indem wir unserer Gemeinde dienen!

Wir dienen dem Steg mit unseren Gebeten, mit unserem Geld, mit unseren Gaben, mit unserer Zeit, mit unserer Kraft, mit unserem Geschick, mit unserem Wissen…

c.
Lasst uns dem Herrn dienen, indem wir anderen Menschen dienen!

Z.B. dem einsamen Menschen, in dessen Augen die Sehnsucht nach Liebe geschrieben steht, die auf Gott zielt, ohne dass er es weiß.

Z.B. dem Menschen, der ständig Beifall sucht, weil er arm an Anerkennung ist.

Z.B. dem Menschen, der ständig Sicherheit sucht, weil er arm an Gewissheit und Geborgenheit ist.

Z.B. dem Menschen, der eine Verletzungs- oder eine Schuldgeschichte mit sich herumschleppt.

Den Menschen, denen es gut geht, und denen, denen es schlecht geht. Den Fröhlichen und den Traurigen. Den Lauten und Leisen. Den Bekannten und Fremden. Den Gesunden und den Kranken.

d.
Lasst uns dem Herrn dienen, indem wir gemeinsam einen Traum leben: Wir sind mit unserer kleinen Kraft Heimat und Steg für uns und andere! Wir wollen gerade auch für Menschen, die Jesus noch nicht kennen, Heimat und Steg sein.

Deshalb wiederhole ich hier, was Volker Sommerfeldt im Online-Gottesdienst der Landeskonferenz am 18.4. gesagt hat. Es geht um die Berufung von Menschen in die Nähe Jesu, in die Wirklichkeit Jesu. Und es geht um Zugänge, um Stege zu dieser Wirklichkeit. Ich zitiere Volker: Es geht darum, „den Menschen Zeit zu lassen, die sie zur Annäherung brauchen; den Leuten den Raum zu geben, den sie zur Annäherung brauchen.

Lasst uns den Menschen dienen, indem wir ihrer Annäherung an Jesus dienen! Es gibt auch bei uns in Kulmbach verschiedene Zugänge dazu: gemeinsam Gottesdienst feiern, gemeinsam singen, gemeinsam kochen, gemeinsam joggen, grillen und pilgern usw. usw.

Jetzt stellt sich noch eine Frage: Warum machen wir das? Warum dienen wir? Wir tun es aus Freude und Begeisterung über Jesus. Wir tun es aus Dankbarkeit für sein Dienen. Denn der Herr dient uns. Er dient allen Menschen! Damit sind wir beim dritten Punkt der Predigt.

 

III.
Vergessen wir es nie! Wir dürfen an den dienenden Herrn glauben! 

1.
Jesus sagt in Mk 10,45: Ich bin nicht gekommen, dass ich mir dienen lasse, sondern dass ich diene. Er sagt in Luk 22,27: Ich aber bin unter euch wie ein Diener (Das ist ein Zitat von Josua 24,15!).

Wenn wir die Evangelien lesen, sehen wir, wie Jesus gelebt hat. Jesus hat den Menschen gedient: seinen Jüngern und seinen Gegnern; den Kindern und den Alten; den Armen und den Reichen; den Gesunden und Kranken. Mit seiner Barmherzigkeit. Mit seiner Wahrhaftigkeit. Mit seiner Zuwendung. Mit seinem Mut. Mit seiner Liebe. Mit seinem Zuhören und seinen Geschichten. Mit seinen Wundern und Worten. Mit seiner Macht. Mit seinem Leben und seinem Leiden und Sterben (wir haben an Karfreitag darüber nachgedacht!).

Mit der Auferstehung ist auch das Dienen Jesu auferstanden. Jesus hat als irdischer Mensch gedient. Er dient heute und er wird immer dienen: einsamen, ausgegrenzten, notleidenden Menschen; erschöpften Menschen; ängstlichen und wütenden Menschen; an sich selbst leidenden Menschen; unschuldigen und schuldigen, guten und bösen Menschen! Dir und mir! Uns!

Das ist so unglaublich! Der lebendige Gott dient uns. Davon lebt in der Bibel alles. Davon können wir leben: Gott handelt für uns. Gott dient uns.

2.
Was sind die Ziele seines Dienens? Wofür und wozu dient er uns?

a.
Er dient immer dem Leben. Unserer Lebensfreude! Unserer Lebenskraft. Unserem Trost und unserer Hoffnung. – Und doch dient Jesus nicht einfach unseren Wünschen! Und doch nimmt er nicht jede Not von uns weg.

Ich deute zwei Ziele seines Dienens an, die ich nach der Lektüre der Evangelien sehe.

b.
Jesus dient nie unserem „alten Adam“, unserer „alten Eva“, also nie unserer Egozentrik und unserem Egoismus, nie unserer Falschheit oder Faulheit, nie unserer Rechthaberei und Besserwisserei, nie unserer Unbarmherzigkeit… Er dient immer unserer „neuen Kreatur“. Er möchte nämlich, dass wir etwas Besonderes werden.

Jesus interessiert sich sehr dafür, dass wir der Mensch werden, den er aus uns machen möchte. Jesus dient unserem „neuen Menschen“, der wir in der Ewigkeit einmal vollendet sein werden. Er arbeitet an uns, an Dir und mir: „an meinem Herzen, meiner Einstellung, meinem Charakter, meinen Prioritäten, meiner Bereitschaft zu dienen, meiner Bereitschaft zu verzeihen und für meine Fehler die Verantwortung zu übernehmen“ (Michael Herbst).

c.
Jesus dient unserem Dienen.

Wir leben in einer Zeit, die den glänzenden Auftritt (Performance) vergöttert. Christen wie Nichtchristen sind dafür anfällig. Deshalb kann es sein, dass wir das Dienen Jesu als unangenehm empfinden. Jesus lässt uns nämlich nicht immer glänzen. Er erklärt uns dazu: „Würdest du in allem glänzen, wie könntest du je barmherzig sein?… Dein Ungenügen wird dich lehren, barmherzig zu sein!“ (Martin Schleske, Der Klang, S.115)

Wir leben in einer Zeit, die den Selbstgenuss vergöttert. Christen wie Nichtchristen sind dafür anfällig. Deshalb kann es sein, dass wir das Dienen Jesu als unangenehm empfinden. Jesus dient nämlich stets unserer Demut. Demut in der Bibel „bedeutet nicht, dass ich wenig von mir halte, sondern dass ich so viel vom anderen halte, dass ich ihm diene“ (Martin Schleske, Der Klang, S.117).

Gott dient unserer Barmherzigkeit. Gott dient unserer Demut! Damit dient er unserem Dienen! Das kann schmerzlich sein für uns. Letztlich ist es sehr gut für uns!

3.
Zum Schluss der Predigt zwei Fragen, die alles zusammenfassen.

a.
Warum hat Jesus den Menschen gedient? Was war sein Warum?

Antwort: Weil er sie geliebt hat. Weil er uns liebt.

Antwort: Weil Jesus Gott als seinen Vater kannte und liebte. Weil er sich geliebt wusste vom Vater. Nichts ging ihm über Gott. Es gab für ihn keine Alternative zu Gott.

Antwort: Weil Jesus den Traum Gottes träumte und lebte: Den Traum vom Reich Gottes. Den Traum von der neuen Erde und dem neuen Himmel. Den Traum einer Welt von Gerechtigkeit, Frieden und Freude. Den Traum von der erlösten Menschheit. Den Traum von einem ganz anderen Miteinander der Rassen und Völker, von Mann und Frau, von Reich und Arm…

Antwort: Weil Jesus Gott diente: dem Willen Gottes, dem Plänen Gottes, der Ehre Gottes, der Liebe Gottes, den Projekten Gottes, dem Herzenswunsch Gottes: Dass Mensch und Gott zusammenkommen, zusammenfinden, zusammenleben…

b.
Was ist im Kern die Botschaft des Christentums?

Der lebendige Gott beschenkt und segnet uns Menschen. Der lebendige Gott hilft und rettet uns. Der lebendige Gott dient uns Menschen. Davon lebt in der Bibel alles. Davon können wir leben: Gott handelt für uns. Gott dient uns.

Wer deshalb aus Freude, Erleichterung, Faszination, Dankbarkeit diesem Gott dienen will, der stimme jetzt mit ein: Ich aber und mein Haus wollen dem Herrn dienen! Amen.