Psalm 37,5 – Gottes Segen und unser Beitrag – Von Thomas Pichel

A.
Teil 1 der Predigt

I.
Wofür segnet Gott? Wofür ist Gottes Segen gedacht?

1.
Der Segen ist für unsere Lebensreise, unseren Lebensweg mit Gott und zu Gott gedacht.

Deshalb geht es beim Segen Gottes inhaltlich um folgendes:

  • Es geht um unsere intakte, stabile Beziehung zu Gott, dem Reiseleiter.
  • Es geht um die nötigen Reisemittel, die Gott mir zur Verfügung stellt: Haus, Nahrung, Arbeitsplatz, Geld, Freunde…
  • Es geht um mein Wachsen, Gedeihen, Blühen und Reifwerden.
  • Es geht um die intakten, gelingenden Beziehungen der Reisenden untereinander. Dass wir ein Segen füreinander sind. Wir werden gesegnet, um zu lieben.
  • Es geht um die Beziehungen der Reisenden zu den Menschen, die nicht mit uns zusammen reisen, denen wir aber auf der Reise begegnen. Dass wir für sie ein Segen sind.
  • Es geht um das Erreichen des Reisezieles.

2.
Dabei stellt sich eine Frage, die wir nicht übersehen und übergehen dürfen.

Wie antworten wir auf die Segensabsicht und Segenszusage Gottes?
Wie arbeiten wir mit Gott zusammen?
Was ist unser Beitrag zum Segen?
Welche Konsequenzen hat das für unser Verhalten?

 

II.
Was ist unsere Aufgabe, wenn es um den Segen geht?

1.
Unsere Aufgabe ist es, den Segen Gottes zu glauben, um ihn zu bitten, Gott für seinen Segen zu danken.

Wir dürfen den Segen Gottes glauben. Gottes Namen liegt wie ein Versprechen auf unserem Leben. Wir dürfen gewiss sein, dass Segen in unserem Leben geschieht. Wir dürfen damit rechnen, dass Gott uns segnet. Gott geht nicht schlafen. Gott zieht sich nicht zurück. Gott geht nicht in Pension. Er ist daran interessiert, uns zu segnen. Er hat die Mittel dazu.

2.
Unsere Aufgabe ist es, mit Gott zusammen zu arbeiten.

a.
Wir sind mit Gott im Team und ein Team.

Wir sind mit Gott ein joint venture, ein „Zusammenschluss zum Zweck der gemeinsamen Durchführung von Projekten“. Das Projekt ist unser Leben. Wir sind der kleine Partner.

Es gibt bei diesem Zusammenschluss eine große Regel: Gott segnet nicht ohne unser Tun, aber auch nicht nur aufgrund unseres Tuns. Dann gibt es noch zwei, drei kleinere Grundsätze: Gott segnet manchmal ohne unser Tun, manchmal trotz unseres  Tuns, manchmal gegen unser Tun.

b.
Ich umschreibe dieses Geheimnis mit einem Bildvergleich, den ich von Michael Herbst (in: Der heruntergekommene Gott, S.101) übernehme.

Ich hatte als Kind eine Modelleisenbahn. Märklin H-0. Mein Vater brachte es mir bei, die Lok auf das Gleis zu setzen. Und dann floss der Strom. Sonst wäre die Lok nicht gefahren. Gottes Segen ist: Gott hat mich mit der Lok, den Gleisen und dem ganzen Zubehör beschenkt. Er schenkt den Strom. Er lässt ihn fließen. Aber ich muss die Lok gut pflegen und auf die Gleise setzen.

c.
Ich mache ein paar Beispiele:

Zunächst ein Beispiel, wie man es besser nicht macht: Vor Jahren kam ein junger Mann auf mich zu und fragte mich um Rat. Er habe in der Bibel gelesen: Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf (Ps 127,2). Jetzt habe er seit Wochen regelmäßig viel geschlafen, Gott habe ihm aber noch keine Freundin geschenkt.

Wenn die Felder fruchtbar sind, hat ein Bauer viel gearbeitet – und doch ist es Segen, denn Gott hat das Wachsen geschenkt.

Wenn meine sechzehnjährige Tochter mit guten Noten die Klasse schafft, hat sie viel gelernt – und doch ist es Segen. Wenn die Freundin wegen zwei Fünfer die Klasse nicht schafft, aber sich nicht aufgibt und daraus lernt, ist das auch Segen.

Wenn Beziehungen gelingen, hat man z.B. Absprachen eingehalten, dem anderen Zeit geschenkt, keine Gewalten der Launen ihm zugemutet – und doch ist es Segen.

d.
Wir können wieder einmal viel von der jüdischen Weisheit lernen. Israel hat im Laufe seiner Geschichte mit Gott eine Anleitung für das Leben, im Grunde für alle Lebenssituationen gelernt: Tu‘ alles, was hilfreich ist in deiner Situation, was klug, vernünftig, verantwortlich und möglich ist, – auf diese Art und Weise wird Gott dir helfen.

Es gibt viele Situationen in unserem Leben, wo wir aktiv werden dürfen, weil Gott unser Tun segnen will. Hier darf Gebet lauten: Herr, segne bitte mein Handeln!

Natürlich gibt es dann auch Situationen, wo wir selbst nichts machen und ausrichten können, wo „mit unserer Macht nichts getan“ ist. Dann dürfen und sollen wir bitten: Herr, ich kann nicht mehr, hilf Du mir in meiner Not, in meinem Versagen, in menem Scheitern, handle Du, schenk Du die Lösung, sorge Du! Ich lasse Dich nicht, Du segnest mich denn!

 

B.
Teil 2 der Predigt: Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird handeln (Luther übersetzt: er wird’s wohlmachen).” (Psalm 37,5)

 

I.
All‘ unsere Wege

1.
Was ist mit den Wegen gemeint? Ich empfehle, sich eine Liste über die eigenen ‚Wege‘ anzulegen. Hier ein paar Beispiele, was in einer solchen Liste stehen kann:

  • Unsere Hoffnungen, Pläne und Projekte
  • Herausfordernde notvolle Wegstrecken: schwierige persönliche, gesundheitliche, familiäre oder berufliche Situationen und Umstände
  • Durststrecken, bei denen wir nicht wissen, wie es ausgehen und weitergehen soll, bei denen man vom Segen Gottes nichts spürt und erlebt, auf denen man sich von Gott verlassen
  • Unsere Ausweglosigkeiten
  • Folgen von Fehlentscheidungen
  • Unsere Kreuz- und Leidenswege
  • Der Corona-Zeit geschuldet unsere Atemwege
  • Unsere unzähligen täglichen Arbeits-, Dienst- und Amtswege
  • Unsere wunderbaren Glückswege und Traumpfade
  • Aber auch die Abwärtsbewegung der Kirche in Europa, die Krise des Christentums,
  • Unsere Holzwege, unsere Irrwege, unsere Umwege
  • Unseren Umgang mit Niederlagen und Misserfolg
  • Neue Wege, für die ich langsam Mut finde

 

2.
Damit sind wir beim Psalm 37. In Psalm 37 geht es um Wege durch die Wüste der Anfechtung. Ihm wird gut zugeredet.

Da ist ein Mensch, der packt den Segen Gottes im Leben der anderen nicht. Ihm platzt fast der Kragen. Er ist in der Gefahr, voller Neid und Bitterkeit auf das Glück der anderen zu starren.

Er ist in der Gefahr, an Gott irre zu werden, weil er in seiner Situation den Segen Gottes nicht sehen kann, weil er den Eindruck hat, beim Segen vergessen zu werden.

Und er hat Angst. Er fühlt sich von aggressiven, rücksichtslosen, brutalen Menschen bedroht. Er fragt sich: Warum tut Gott nichts dagegen? Warum müssen so viele Menschen unter der Gewalt der anderen leiden?

Unser Vers und der ganze Psalm 37 ermutigen ihn: Befiehl dem Herrn Deine Fragen, Deine Ängste, Deine Anfechtung an!

 

II.
Was heißt es, Gott unsere Wege anzubefehlen?

Wir dürfen all‘ unsere Wege Gott anvertrauen und auf all unseren Wegen auf ihn hoffen. Wir dürfen alles Gott anvertrauen und in allem auf ihn hoffen.

1.
Das hebräische Wort für Anvertrauen meint zwei entlastende Tätigkeiten:

Informiere Gott über Deine Wege. Gib ihm Bescheid. Deck sie ihm gegenüber auf. Leg sie auf den Tisch. Leg sie auf seinen Schreibtisch! Mach aus deinen Angelegenheiten seine Angelegenheiten!

Lass alles los an ihn! Lass ihn ran! Wälze die Last deines Weges auf ihn. Übergib’ ihm die Leitung und Verantwortung.

 

2.
Und Hoffen auf Gott ist Entlastung pur! Hoff‘ auf seine Möglichkeiten! Kalkuliere mit seinen Möglichkeiten! Setz alles auf seine Macht! Erwarte von ihm das Unmögliche!

Bei Gott dürfen wir das. Jeden Tag und jede Nacht. 7 Tage die Woche. 365 Tage im Jahr. Ein Leben lang.

 

III.
Was heißt es, dass Gott handeln wird, dass Gott es wohlmachen wird (wie Martin Luther den Vers übersetzt)?

Diesen Punkt übernehme ich von Ulrike Bittner. Siehe die Predigt zu Psalm 37,5 auf www.wolfgang-bittner.net

Wenn ich meine Dinge ihm übergebe, an ihn alles loslasse, dann nimmt er sich dieser Wege aus der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft an, dann macht Gott, dann handelt er, dann wird er aktiv.

1.
Heißt das, dass alles gut wird?

Antwort 1: Nein. Das heißt es nicht.

Antwort 2: Es kann einiges gut werden. Es wird immer wieder manches gut werden. Und ich denke, wir können alle erzählen, was in unserem Leben gut geworden ist.

Antwort 3: Gott kann aus schwierigen und bösen Dingen etwas Gutes machen.

„Es gibt im christlichen Glauben keine Zuckerguss-Botschaften. Das Versprechen lautet nicht: Wenn du Gott liebst, geschehen nur gute Dinge in deinem Leben. Das Versprechen lautet auch nicht: Wenn du Gott liebst, erscheinen dir böse Dinge nur so, in Wirklichkeit sind sie gute Dinge. Das Versprechen lautet: Gott wird die bösen Dinge in seine Hand nehmen und mit ihnen und aus ihnen etwas insgesamt Gutes für das Ziel deines Lebens machen“.  (Timothy Keller)

 

2.
Heißt das, dass ich mit Gottes Hilfe Segen um Segen, Gebetserhörung um Gebetserhörung, Erfolg um Erfolg ernte?

Antwort 1: Nein. Das heißt es nicht.

Antwort 2: Das kann es heißen. Wir werden viele gute Erfahrungen mit Gott machen. Und ich denke, wir alle haben schon viele gute Erfahrungen mit ihm machen dürfen.

Ich denke, man muss Erfolg nicht per se schlecht machen. Erfolg sagt oft etwas über Tüchtigkeit und Fähigkeiten. Auch über Gottes Segen. Aber Erfolg ist zu zwiespältig, zu zufällig, zu undurchschaubar.

Antwort 3: Unabhängig, ob wir vordergründig und menschlich Erfolg haben oder nicht, bedeutet unser Psalmvers: Es kommt zu einem Segen. Es bleibt ein Segen: eine gute Spur, eine gute Erinnerung, eine wichtige Erkenntnis, eine Kraft, eine Beziehung, eine Klarheit, eine Krisenfestigkeit, eine notwendige Veränderung. Es kann sein, dass ich menschlich gesehen gescheitert bin, und doch bleibt etwas Wichtiges und Gutes!

 

IV.
Zum Schluss zwei Fragen:

1.
Wer ist dieser Herr, der uns segnen will?

Es ist der Gott, der sich in Jesus uns vorgestellt hat. Es ist der Gott, der uns in Jesus sein Gesicht gezeigt, der uns sein Wesen und sein Herz gezeigt hat.

Es ist der barmherzige, gütige, menschenfreundliche, liebende, vergebende, treue, verlässliche Herr.

Es ist der Herr, dem wir nie egal sind, der deshalb zornig sein kann auf das, womit wir unseren Segen und unsere Beziehungen kaputtmachen.

Es ist der Herr, der mir nichts reindrückt, der nicht auf Distanz geht zu mir.

Es ist der Herr, dem ich Bescheid geben kann, ohne etwas verbergen oder beschönigen zu müssen.

Es ist der Herr, dem man vertrauen kann. Es ist der Herr, der an uns denkt und uns segnet.

 

2.
Weiß ich, wer ich sein darf? Ich darf ein Mensch sein, der von Gott handsigniert ist. Ich darf als Christ den Namen Gottes tragen. Als Zusage und Versprechen.

Es heißt in 4 Mose 6,27, dass der Name Gottes auf uns gelegt wird, wenn wir von Gott gesegnet werden:

Gott verspricht uns entsprechend seinem Namen in unserem Leben zu handeln, zu wirken.

Der Name Gottes im Alten Bund: ‚Ich werde für dich da sein!‘ Der Name Gottes im Neuen Bund: ‚Jesus, der Retter und Helfer‘.

 Michael Herbst schreibt: “Gesegnete Menschen… tragen diesen Namen wie ein Versprechen: ‚Ich werde für dich da sein.‘ Sie tragen den Namen als Zusage: ‚Ich bin dein Helfer und dein Retter, verlass dich darauf!‘“  (Reden vom heruntergekommenen Gott, S.100)

Gott sagt damit zu uns und über uns: Du gehörst mir! Du bist von mir erwählt! Du bist gewollt! Du bist geliebt! Ich segne Dich!